Politik | 01. Dezember 2022

Europaparlament will Schutz des Wolfes lockern

Von AgE
Das Europaparlament hat sich dafür ausgesprochen, den Schutzstatus des Wolfes anzupassen. Gemäß der Entschließung rechtfertigt der Zustand der gesamteuropäischen Wolfspopulation bereits eine Lockerung der Vorgaben.
Das Europaparlament hat die EU-Kommission dazu aufgefordert, eine Neubewertung zum Schutzstatus des Wolfes in Angriff zu nehmen.
In einer  Entschließung vom 24.November zum Schutz der Viehwirtschaft und der Großraubtiere in Europa wird die EU-Kommission aufgefordert, die vorhandenen Monitoringdaten auszuwerten und in eine Neubewertung einfließen zu lassen. Der Zustand der gesamteuropäischen Wolfspopulation rechtfertige bereits eine Lockerung der Vorgaben.
Außerdem soll die Kommission nach dem Willen der Abgeordneten dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten beim Wolfsmanagement besser grenzübergreifend zusammenarbeiten. Ferner soll die Entschädigung von Wolfsrissen durch staatliche Beihilfen erleichtert werden. Schließlich sollen langfristige Finanzierungsmöglichkeiten für den Herdenschutz und Kompensationen erschlossen werden. „Koexistenz bedeutet, dass beide Seiten ein Recht auf Existenz haben”, erklärte die Agrarkoordinatorin der liberalen Fraktion Renew Europe (RE), Ulrike Müller. Bauern und Weidetiere litten massiv unter zunehmenden Angriffen.
„Wenn der Wolf kommt, geht die Weide”
„Verantwortliche und Naturschützer müssen erkennen: Wenn der Wolf kommt, geht die Weide – und damit auch viele Pflanzen und Insekten”, so Müller. Ihr Fraktionskollege Jan-Christoph Oetjen bezeichnete den Entschließungsantrag als „großen Erfolg”. Eine Überprüfung des Schutzstatus des Wolfes sei längst überfällig und müsse den Richtungswechsel im Umgang mit dem Raubtier einleiten.
Die CSU-Agrarpolitikerin Marlene Mortler sprach von einem „ersten wichtigen Schritt”. Wenn die Wolfspopulation jedes Jahr um 30 Prozent zunehme, müsse sich auch der Schutzstatus anpassen. Weidetierschutz könne nicht allein mit Geld geleistet werden. „Konkrete Lösungen für die vielfältigen Zielkonflikte müssen auf den Tisch, um den Schutz der Menschen und der bäuerlichen Landwirtschaft zu gewährleisten”, betonte Mortler.
„Kleinstaaterei” beenden
Ihr Parteikollege Markus Ferber stellte einen europäischen Ansatz in den Mittelpunkt: „Es grenzt an Absurdität, wenn der gleiche Wolf auf deutschem Bundesgebiet ‚streng geschützt‘ ist und auf der anderen Seite in Polen lediglich ‚geschützt‘”, so der CSU-Politiker. Mit einem derartigen „Flickenteppich” im europäischen Artenschutz mache man sich selbst das Leben schwer.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte die Entschließung. „Das Parlament hat endlich die existenzielle Bedrohung der Weidetierhaltung anerkannt”, erklärte Verbandspräsident Joachim Rukwied. Ohne Begrenzung der Wolfspopulation habe die Weidehaltung von Schafen, Ziegen, Pferden und Rindern keine Zukunft. Auch aufwendige Herdenschutzmaßnahmen und Entschädigungsprogramme könnten das Grundproblem nicht lösen. Laut Rukwied wird eine Koexistenz zwischen Wolf und Weidetierhaltung nur mit einem aktiven Bestandsmanagement des Wolfes möglich sein.
„Klares Signal”
Die EU-Kommission sieht der DBV-Präsident nun gefordert, das Anliegen des Europaparlaments aufzugreifen und den Schutzstatus des Wolfes abzuschwächen. Auch die Forderung nach einer Beurteilung des Bestandes auf Grundlage der europäischen Population müsse aufgegriffen werden. „Die Kleinstaaterei beim Wolfsmonitoring muss aufhören”, forderte Rukwied.
Auch die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA) reagierten positiv. Das Parlament sende ein klares Signal.
161 Wolfsrudel in Deutschland
Im Bundesgebiet ist die Zahl der Wolfsrudel weiter gestiegen. Während es 2020/21 deutschlandweit 158 Wolfsrudel gab, waren es im Ende April abgelaufenen Monitoringjahr 2021/22 insgesamt 161. Das geht aus den Erhebungen der Bundesländer hervor, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) am Montag in Abstimmung mit den Ländern veröffentlicht haben.
Demnach konzentrieren sich die Wolfsvorkommen wie in den Vorjahren auf das Gebiet von Sachsen in nordwestlicher Richtung über Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen. Weitere Wolfsterritorien wurden in der Auswertung in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen nachgewiesen.
Die meisten Wolfsrudel ermittelten die Fachleute im Berichtsjahr in Brandenburg mit 47 Rudeln, gefolgt von Niedersachsen mit 34 und Sachsen mit 31 Rudeln. In Hessen sind erstmals offiziell drei Welpen nachgewiesen worden.
Neben den 161 Rudeln hat das Monitoring 43 Wolfspaare sowie 21 sesshafte Einzelwölfe erfasst. 2020/21 waren es 35 Paare und 22 Einzelwölfe gewesen. Das BfN betonte, dass für den langfristigen Erhalt des Wolfes in Deutschland vor allem die erwachsenen, fortpflanzungsfähigen Individuen in den Wolfsterritorien maßgeblich seien. Daher konzentrierten sich die Bundesländer auf die Erhebung der Anzahl der Rudel und Wolfspaare.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) wies darauf hin, dass sich das Wachstum der Wolfspopulation deutlich verlangsamt habe. „Das oft behauptete exponentielle oder gar unkontrollierte Wachstum der Wolfspopulation in Deutschland gibt es nicht, wie die neuen Zahlen des BfN zeigen”, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Nach Einschätzung der Naturschützer gibt es noch viele Regionen, in denen Wölfe einen passenden Lebensraum finden können. Somit werde es auch in den nächsten Jahren sukzessive weitere neue Territorien geben. In Gebieten wie der Oberlausitz, in denen Rudel seit Jahren aneinandergrenzten, stehe hingegen inzwischen kaum noch geeigneter, freier Lebensraum zur Verfügung.