Politik | 26. Juli 2018

EuGH: Genschere-Methode zählt zu GVO

Von AgE
Aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind Organismen, die durch Mutagenese gewonnen werden, als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu behandeln und unterliegen daher „grundsätzlich” den Verpflichtungen aus der entsprechenden EU-Richtlinie.
Laut dem Urteil der Luxemburger Richter vom Mittwoch dieser Woche sind von der EU-Richtlinie lediglich die Verfahren zur Mutagenese (Erzeugung von Mutationen im Erbgut) ausgenommen, die bereits seit längerem Anwendung finden und die als sicher gelten. Jedoch stehe es den Mitgliedstaaten frei, auch diese Organismen unter Beachtung des EU-Rechts den Verpflichtungen aus der GVO-Richtlinie zu unterwerfen und eigene Rechtsvorschriften dazu zu erlassen, so der EuGH.
Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass ihrer Ansicht nach durch die Verfahren und Methoden der Mutagenese eine „auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus” vorgenommen wird. Folglich fielen diese Organismen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der GVO-Richtlinie.
Davon betroffen sein dürfte nach dem heutigen Urteilspruch auch die kontrovers diskutierte CRISPR/Cas-Methode („Genschere”). Der Gerichtshof stellt fest, dass sich die mit dem Einsatz neuer Mutagenese-Verfahren verbundenen Risiken als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO auftretenden Risiken erweisen könnten. Durch die Veränderung des genetischen Materials eines Organismus mittels Mutagenese ließen sich „die gleichen Wirkungen” erzielen wie mit der transgenen Gentechnik. Zudem ermöglichten die neuen Verfahren die Erzeugung genetisch veränderter Sorten in einem ungleich größeren Tempo und Ausmaß als bei der Anwendung herkömmlicher Methoden der Mutagenese.
Das Urteil geht auf eine Klage der kleinbäuerlich orientierten Confédération paysanne gemeinsam mit  anderen Verbänden gegen die Regelung Frankreichs zur nationalen Umsetzung der GVO-Richtlinie zurück. Die Kläger machten geltend, dass sich die Mutagenese-Verfahren mit der Zeit weiterentwickelt hätten und deshalb strenger reguliert werden müssten.
Reaktionen fallen gemischt aus
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, sieht das Urteil des EuGH zu neuen züchterischen Methoden kritisch. „Europa läuft Gefahr, den Anschluss an andere Weltregionen zu verpassen. Dieses Urteil verbaut uns die notwendigen Möglichkeiten, mithilfe der Pflanzenzüchtung die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern”, beklagte er.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht mit dem Urteil deutliche Herausforderungen auf die EU zukommen. Vielerorts würden die neuen Züchtungstechnologien bereits angewandt oder seien unerlässlich, um für eine ausreichende Versorgung, beispielsweise mit Getreide, zu sorgen, gab Klöckner zu bedenken.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek warnte davor, dass die Anwendung des Gentechnikrechtes dazu führe könne, die moderne Pflanzenzüchtungsforschung in Deutschland und Europa vollständig zum Erliegen zu bringen. Der Grünen-Politiker Harald Ebner begrüßte die EuGH-Entscheidung dagegen. Er sieht dadurch das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Verbraucher gewährleistet. Auch aus Sicht der agrarpolitischen Sprecherin der Fraktion Die Linke, Kirsten Tackmann, ist das Urteil richtig.
Kritischer bewertete die FDP-Politikerin und stellvertretende Vorsitzende des Ernährungsausschusses im Bundestag, Carina Konrad, die Entscheidung des EuGH. Ihrer Meinung nach hätten die konventionelle wie auch die ökologische Landwirtschaft enorm von den Züchtungsfortschritten profitieren können.