Die europäischen Agrarminister haben sich am Dienstag in Luxemburg auf eine gemeinsame Linie zur Reform der EU-Ökoverordnung geeinigt. So soll es keine speziellen Rückstandsschwellenwerte für Bioprodukte auf EU-Ebene geben. Nationale Regelungen sollen 2020 auslaufen.
Den praktizierenden Ökobauern entgegengekommen: Die EU-Agrarminister haben sich auf Eckpunkte zur EU-Ökoreform verständigt. Als nächstes stehen Verhandlungen mit dem Europaparlament an.
„Wir haben eine allgemeine Ausrichtung beschlossen, die ganz wesentliche Punkte aufnimmt, die Deutschland, der Bundestag, der Bundesrat und auch die Verbände als Eckpunkte gesetzt hatten”, erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am Dienstag vor Journalisten. Spezielle Rückstandsschwellenwerte für Bioprodukte werde es auf EU-Ebene nicht geben, betonte der Minister. Mitgliedstaaten, die entsprechende nationale Regelungen getroffen hätten, müssten diese bis 2020 auslaufen lassen und dürften sie nicht auf Importe aus anderen EU-Staaten oder Drittländern anwenden.
Trennung nach Betriebszweig bleibt
Wie aus dem Kompromisstext hervorgeht, soll die
Europäische Kommission bis spätestens Ende 2020 einen Bericht über die
Erfahrungen mit Rückstandsfunden verfassen und weiteren Regelungsbedarf
prüfen. Ungeachtet des Verzichts auf besondere Grenzwerte zur
automatischen Dezertifizierung von Bioprodukten sollen Behörden bei
auffälligen Rückstandsfunden unerlaubter Substanzen Ermittlungen
einleiten – wie bisher auch. Dabei sollen auch die Erzeuger zur
Aufklärung der Kontaminationsquelle herangezogen werden. Ferner bleibt
es Landwirten erlaubt, nur bestimmte Betriebszweige, beispielsweise den
Gemüsebau, ökologisch zu bewirtschaften, andere Bereiche hingegen
konventionell.
Kontrollen nach Maß
Vor-Ort-Kontrollen auf Ökobetrieben
sollen nach dem Willen der Minister grundsätzlich weiter jährlich
stattfinden. Einzelne Mitgliedstaaten können jedoch davon abweichend
beschließen, Erzeuger in begründeten Fällen weniger oft zu inspizieren,
aber wenigstens alle 30 Monate. Dazu dürfen die Betriebe innerhalb von
drei Jahren nicht gegen die Vorschriften verstoßen haben. Eine
Lockerung der Kontrollhäufigkeit war Staaten wie Finnland wichtig, wo
Biobetriebe
oft weit verstreut auseinander liegen.
Einigung mit Gegenstimmen
Bei den Einfuhren aus Drittstaaten werde es noch mehr
Sorgfalt als heute geben, betonte Schmidt. Laut dem Kompromiss ist
vorgesehen, dass die EU beim Außenhandel mit Entwicklungsländern einem
Wildwuchs unterschiedlicher Standards von Zertifizierern Einhalt
gebietet. Ab 2018 sollen Erzeuger, die in Staaten ohne eigene
Ökovorschriften wirtschaften, grundsätzlich die EU-Auflagen einhalten.
Um ihnen jedoch keine unangemessenen Belastungen aufzubürden, soll die
Kommission regional und klimatisch angepasste Standards schaffen.
Die Einigung erfolgte nicht einstimmig: Belgien, Bulgarien, Dänemark,
die Slowakei und Tschechien stimmten gegen den Kompromiss, während
Zypern sich enthielt. Vor allem die Minister Belgiens, der Slowakei und
Tschechiens pochten im Vorfeld der Abstimmung darauf, dass der
Verbraucher Bioprodukte erwarte, die völlig frei von nicht erlaubten
Rückständen seien. Dabei spiele die Herkunft des Eintrags zunächst
einmal keine Rolle.
Im Bundeslandwirtschaftsministerium hätte man sich noch stärkere
Formulierungen gewünscht, die auf eine EU-weite Harmonisierung der
Kontrollen abzielen. Sowohl der Umgang mit auffälligen Importen aus
Drittstaaten als auch mit Rückstandsfunden in europäischer Ware sollte
aus deutscher Sicht möglichst einheitlich erfolgen. Schmidt hatte in
diesem Zusammenhang bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine europäische
Clearing-Stelle angeregt.
Vor Verhandlungen mit dem EU-Parlament
Der Minister blickt den voraussichtlich im Herbst
beginnenden Verhandlungen mit dem Europaparlament gelassen entgegen.
Dort ist der federführende Abgeordnete Martin Häusling von den Grünen,
der unter anderem die Einrichtung einer EU-Ökobehörde fordert. Schmidt
betonte, er stehe sowohl mit Häusling als auch mit dem
Schattenberichterstatter der Christdemokraten, Norbert Lins, in einem
engen Austausch. Mit den Ökoverbänden will er den Dialog ebenfalls
fortführen.
Unterschiedliche Bewertungen
Erste Reaktionen auf die Position der EU-Agrarminister zur Ökoreform, die bis Redaktionsschluss bei der BBZ ankamen, fallen recht unterschiedlich aus – und das selbst im ökologischen Lager. Der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fndet zwar kritische Aspekte und betont in einer Pressemitteilung, dass das Ergebnis weit hinter den Erwartungen geblieben sei. Gleichzeitig stellt der BÖLW lobenswerte Aspekte heraus und anerkennt insbesondere den Einsatz von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. „Die Entscheidung der EU-Agrarminister verhindert, dass Bio-Bauern für die Pestizidanwendung ihrer Nachbarn haften müssen. Das ist eine gute Nachricht für die Bio-Bewegung und die Verbraucher”, wird beispielsweise Jan Plagge, BÖLW-Vorstand, zitiert.
Deutlich kritischer fällt die Reaktion auf den Agrarrat aus der Bundestagsfraktion der Grünen aus. „Agrarminister Schmidt möchte uns kosmetische Korrekturen als erfolgreiche Operation verkaufen”, heißt es beispielsweise in deren Pressemitteilung. Eine Neuregelung auf der Basis dieses Kompromisses dürfe es nicht geben. red