Politik | 18. Juni 2015

EU-Minister finden gemeinsame Position zur Ökoreform

Von AgE
Die europäischen Agrarminister haben sich am Dienstag in Luxemburg auf eine gemeinsame Linie zur Reform der EU-Ökoverordnung geeinigt. So soll es keine speziellen Rückstandsschwellenwerte für Bioprodukte auf EU-Ebene geben. Nationale Regelungen sollen 2020 auslaufen.
Den praktizierenden Ökobauern entgegengekommen: Die EU-Agrarminister haben sich auf Eckpunkte zur EU-Ökoreform verständigt. Als nächstes stehen Verhandlungen mit dem Europaparlament an.
„Wir haben eine allgemeine Ausrichtung beschlossen, die ganz wesentliche Punkte aufnimmt, die Deutschland, der Bundestag, der Bundesrat und auch die Verbände als Eckpunkte gesetzt hatten”, erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Christian  Schmidt  am Dienstag vor Journalisten. Spezielle Rückstandsschwellenwerte für Bioprodukte werde es auf EU-Ebene nicht geben, betonte der Minister. Mitgliedstaaten, die entsprechende nationale Regelungen getroffen hätten, müssten diese bis 2020 auslaufen lassen und dürften sie nicht auf Importe aus anderen EU-Staaten oder Drittländern anwenden.
Trennung nach Betriebszweig bleibt
Wie aus dem Kompromisstext hervorgeht, soll die Europäische Kommission bis spätestens Ende 2020 einen Bericht über die Erfahrungen mit Rückstandsfunden verfassen und  weiteren Regelungsbedarf prüfen. Ungeachtet des Verzichts auf besondere Grenzwerte zur automatischen Dezertifizierung von Bioprodukten sollen Behörden bei auffälligen Rückstandsfunden unerlaubter Substanzen Ermittlungen einleiten – wie bisher auch. Dabei sollen auch die Erzeuger zur Aufklärung der Kontaminationsquelle herangezogen werden. Ferner bleibt es Landwirten erlaubt, nur bestimmte Betriebszweige, beispielsweise den Gemüsebau, ökologisch zu bewirtschaften, andere Bereiche hingegen konventionell.
Kontrollen nach Maß
Vor-Ort-Kontrollen auf Ökobetrieben sollen nach dem Willen der Minister grundsätzlich weiter jährlich stattfinden. Einzelne Mitgliedstaaten können jedoch davon abweichend beschließen, Erzeuger in begründeten Fällen weniger oft zu inspizieren, aber wenigstens alle 30 Monate. Dazu dürfen die Betriebe innerhalb von drei Jahren nicht gegen die Vorschriften verstoßen haben.  Eine Lockerung der Kontrollhäufigkeit war Staaten wie Finnland wichtig, wo Biobetriebe oft weit verstreut auseinander liegen.
Einigung mit Gegenstimmen
Bei den Einfuhren aus Drittstaaten werde es noch mehr Sorgfalt als heute geben, betonte Schmidt. Laut dem Kompromiss ist vorgesehen, dass die EU beim Außenhandel mit Entwicklungsländern einem Wildwuchs unterschiedlicher Standards von Zertifizierern Einhalt gebietet. Ab 2018 sollen Erzeuger, die in Staaten ohne eigene Ökovorschriften wirtschaften, grundsätzlich die EU-Auflagen einhalten. Um ihnen jedoch keine unangemessenen Belastungen aufzubürden, soll die Kommission regional und klimatisch angepasste Standards schaffen.
Die Einigung erfolgte nicht einstimmig: Belgien, Bulgarien, Dänemark, die Slowakei und Tschechien stimmten gegen den Kompromiss, während Zypern sich enthielt. Vor allem die Minister Belgiens, der Slowakei und Tschechiens pochten im Vorfeld der Abstimmung darauf, dass der Verbraucher Bioprodukte erwarte, die völlig frei von nicht erlaubten Rückständen seien. Dabei spiele die Herkunft des Eintrags zunächst einmal keine Rolle.
Im Bundeslandwirtschaftsministerium hätte man sich noch stärkere Formulierungen gewünscht, die auf eine EU-weite Harmonisierung der Kontrollen abzielen. Sowohl der Umgang mit auffälligen Importen aus Drittstaaten als auch mit Rückstandsfunden in europäischer Ware sollte aus deutscher Sicht möglichst einheitlich erfolgen. Schmidt hatte in diesem Zusammenhang bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine europäische Clearing-Stelle angeregt.
Vor Verhandlungen mit dem EU-Parlament
Der Minister blickt den voraussichtlich im Herbst beginnenden Verhandlungen mit dem Europaparlament gelassen entgegen. Dort ist der federführende Abgeordnete Martin  Häusling  von den Grünen, der unter anderem die Einrichtung einer EU-Ökobehörde fordert. Schmidt betonte, er stehe sowohl mit Häusling als auch mit dem Schattenberichterstatter der Christdemokraten, Norbert  Lins, in einem engen Austausch. Mit den Ökoverbänden will er den Dialog ebenfalls fortführen. 
Unterschiedliche Bewertungen
Erste Reaktionen auf die Position der EU-Agrarminister zur Ökoreform, die bis Redaktionsschluss bei der BBZ ankamen,  fallen recht unterschiedlich aus – und das selbst im ökologischen Lager. Der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fndet zwar kritische Aspekte und betont in einer Pressemitteilung, dass das Ergebnis weit hinter den Erwartungen geblieben sei. Gleichzeitig stellt der BÖLW lobenswerte Aspekte heraus und anerkennt insbesondere den Einsatz von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt.  „Die Entscheidung der EU-Agrarminister verhindert, dass Bio-Bauern für die Pestizidanwendung ihrer Nachbarn haften müssen. Das ist eine gute Nachricht für die Bio-Bewegung und die Verbraucher”, wird beispielsweise Jan Plagge, BÖLW-Vorstand, zitiert. Deutlich kritischer fällt die Reaktion auf den Agrarrat aus der Bundestagsfraktion der Grünen aus. „Agrarminister Schmidt möchte uns kosmetische Korrekturen als erfolgreiche Operation verkaufen”, heißt es beispielsweise in deren Pressemitteilung. Eine Neuregelung auf der Basis dieses Kompromisses dürfe es nicht geben.  red