Politik | 20. Juni 2024

EU macht sich daran, Natur wiederherzustellen

Von AgE
Das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) ist im EU-Umweltrat mit knapper Mehrheit beschlossen worden und kann damit in Kraft treten. In mindestens 20 Prozent der gestörten Ökosysteme soll bis 2030 versucht werden, diese wieder in einen guten Zustand zu versetzen.
Zu den Kriterien des NRL für Fortschritte in landwirtschaftlichen Ökosystemen gehört der Anteil von vielfältigen Landschaftselementen.
Nachdem das Europaparlament bereits im Februar der Trilog-Einigung mit der EU-Kommission und dem Rat seinen Segen erteilt hatte, votierte nun auch der Umweltrat am 17. Juni für das NRL. Mit „Ja” stimmten 20 Mitgliedstaaten. Diese repräsentieren 66,1 Prozent der EU-Bevölkerung. Damit fiel das Ergebnis denkbar knapp aus. Mindestens 15 Staaten mit einem Bevölkerungsanteil von wenigstens 65Prozent müssen für das Gesetz stimmen, damit eine qualifizierte Mehrheit erreicht ist.
Österreichische Stimme entscheidend
Für das NRL haben sich unter anderem Deutschland, Frankreich sowie Spanien und die drei baltischen Staaten ausgesprochen. Dass eine Mehrheit der Mitgliedstaaten überraschend erreicht wurde, liegt an Österreich. Dessen Umweltministerin Leonore Gewessler hatte bereits am Wochenende klargestellt, dass sie von ihrer Enthaltung abrückt und dem Gesetz zustimmen werde. Das hat in dem Alpenland eine Koalitionskrise zwischen ÖVP und den Grünen ausgelöst. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kündigte eine Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof an.
Gegen die Verordnung stimmten sechs Mitgliedsländer, unter anderem Italien und Polen sowie Finnland. Enthalten hat sich die belgische Ratspräsidentschaft.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach bereits vor dem Ergebnis von einem „starken Kompromiss”. Angesichts dessen, dass in den letzten Jahren nahezu jeder Mitgliedstaat von schweren Hochwassern betroffen war, sei dieses Gesetz unverzichtbar.
Das NRL sieht vor, dass in der Europäischen Union bis 2030 in mindestens 20 Prozent der gestörten Ökosysteme versucht wird, diese wieder in einen guten Zustand zu versetzen. Bis 2050 sollen in allen geschädigten Biotopen entsprechende Maßnahmen eingeleitet worden sein.
Drei messbare Indikatoren
Auf Ebene der Mitgliedstaaten soll bis 2030 begonnen werden, zunächst 30 Prozent der von den Vorgaben erfassten Habitate von einem schlechten in einen guten Zustand zu überführen. Betroffen sind etwa Wälder, Wiesen, Feuchtgebiete und Flüsse. Priorität sollen zunächst Gebiete im Schutzgebietsnetz Natura 2000 erhalten. Sobald ein Ökosystem einen guten Zustand erreicht hat, gilt ein Verschlechterungsverbot.
Die Fortschritte in landwirtschaftlichen Ökosystemen werden an drei Indikatoren gemessen, wobei Verbesserungen bei zwei davon ausreichend für den jeweiligen Mitgliedstaat sind. Maßgebliche Parameter sind der Grünland-Schmetterlingsindex, der Anteil von vielfältigen Landschaftselementen sowie der Vorrat an organischem Kohlenstoff in mineralischen Ackerböden. Als Indikator für den Gesamtzustand der Artenvielfalt wird zudem das Vorkommen von üblichen Vogelarten der Agrarlandschaft einbezogen.
Zudem wird es eine sogenannte „Notbremse” geben: Unter außergewöhnlichen Umständen können die Vorgaben für Agrarökosysteme ausgesetzt werden, insbesondere wenn die Produktion von Lebensmitteln unter Druck gerät.
In Bezug auf torfreiche Moore müssen die Mitgliedstaaten bis 2030 bei nicht weniger als einem Drittel mit der Renaturierung begonnen haben. Mindestens 25 Prozent der betroffenen Gebiete müssen wiedervernässt werden, wobei dies für Landwirte und Landbesitzer nur auf freiwilliger Basis geschehen soll.
Kritik vom DBV – Umweltverbände erleichtert
Der Deutsche Bauernverband hat die Zustimmung der EU-Länder zum Naturwiederherstellungsgesetz scharf kritisiert. DBV-Präsident Rukwied konstatierte, dass Naturschutz nur gemeinsam mit den Bauern möglich sei. „Mit dieser Entscheidung ignorieren die Umweltminister das Ergebnis der Europawahl”, so DBV-Präsident Joachim Rukwied in einer ersten Reaktion auf das Votum des Umweltrates am Montag. „Man kann uns Bauern nicht par ordre du mufti vorschreiben, wie wir zu wirtschaften haben. Das löst Widerstände aus.” Wer glaube, mit Ordnungsrecht der Natur zu helfen, erreiche das Gegenteil.
Rukwied zeigte sich überzeugt, dass Naturschutz nur gemeinsam mit den Bauern möglich ist: „Wir alle leben in einer Kulturlandschaft, die sich dynamisch entwickelt hat und weiterentwickeln wird.”
Mit Befremden nehmen auch die hiesigen Familienbetriebe Land und Forst die endgültige Zustimmung der Mitgliedstaaten zum Trilog-Ergebnis des NRL zur Kenntnis. Verbandsvorsitzender Max von Elverfeldt moniert, dass damit ein bürokratisches Konstrukt geschaffen worden sei, das dem eigentlichen Ziel des Naturschutzes entgegenwirke.
Ablehnend äußert sich auch der europäische Berufsstand. Die EU-Ausschüsse der Bauernvebände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca) erinnerten daran, dass das NRL von Beginn an vor allem im Europaparlament umstritten gewesen sei. Darüber hinaus bestünden weiterhin offene Fragen bei der Finanzierung für die Wiederherstellung von Ökosystemen in der gesamten EU. Jetzt habe man die letzte Chance verpasst, diesen Text umsetzbar und vor Ort akzeptabel auszugestalten, beklagen die europäischen Dachverbände.
Erleichtert hat eine Reihe von Umweltverbänden auf das positive Votum der Mitgliedstaaten zum Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) reagiert. Als „ein wichtiges Signal an die ganze Welt” hat der Geschäftsführer vom Deutschen Naturschutzring (DNR), Florian Schöne, die Zustimmung der Umweltminister  gewertet. Der Präsident vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), Jörg-Andreas Krüger, bezeichnet das Ergebnis des Luxemburger Rates als „Sieg der Natur”.