Pflanzenbau | 30. September 2020

EU-Behörde will Kalkstickstoff verbieten

Von AgE
Die europäische Chemikalienagentur (ECHA) wird sich voraussichtlich gegen die Verwendung von Kalkstickstoff als Düngemittel aussprechen.
Kalkstickstoff
Wie ein Sprecher der in Helsinki ansässigen Behörde kürzlich erklärte, könnte es allerdings eine Ausnahme für die Verwendung als Granulat in einem geschlossenen System geben.
Eventuelle Anwendungsbeschränkungen sollen nach Empfehlung der Wissenschaftler außerdem zunächst nur für einen Zeitraum von 36 Monaten nach Inkrafttreten gelten. Laut dem ECHA-Sprecher handelt es sich indes noch um eine vorläufige Einschätzung.
Abschließende Ergebnisse würden gegen Ende des Jahres erwartet und sollten dann der EU-Kommission zur Entscheidung übermittelt werden. Bei Kalkstickstoff handelt es sich um einen granulierten Stickstoffdünger mit langsamer Freisetzung, der in einer Reihe von Staaten der Europäischen Union zum Einsatz kommt. Dem Mittel werden allerdings auch eine Reihe von sekundären Wirkungen zugeschrieben. Bekannt ist unter anderem eine Bekämpfung von bestimmten Pflanzenkrankheiten sowie Schädlingen – beispielsweise des Kartoffeldrahtwurms. Auch zur Bekämpfung des Wurmbefalls von Weidetieren durch die Düngung von Grünland kann Kalkstickstoff erfolgreich verwendet werden. Überdies gibt es Hinweise auf herbizide Eigenschaften gegen bestimmte Kräuter. Unter anderem darin werde allerdings ein Problem gesehen, da Kalkstickstoff nicht für die Verwendung als Pflanzenschutzmittel zugelassen sei, so der ECHA-Sprecher. Zudem sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verwendung als Dünger sowohl für Oberflächengewässer als auch für den Boden nicht ausreichend kontrolliert werde.
Ein Risiko für die menschliche Gesundheit durch mit Kalkstickstoff kontaminiertem Grundwasser besteht der ECHA zufolge jedoch offenbar nicht; nichtsdestoweniger werde die Qualität des Grundwassers beeinträchtigt. Überdies würden jüngste Erkenntnisse auf eine Wirkung als endokriner Disruptor beim Menschen hindeuten, was eine entsprechende Neubewertung erforderlich machen könnte. Laut ECHA werden in der EU jährlich rund 130000 Tonnen Kalkstickstoff hergestellt, von denen etwa 53000 Tonnen als Düngemittel verwendet werden. Diese werden demnach hauptsächlich an Landwirte geliefert und schätzungsweise auf etwa 230000 ha ausgebracht; das entspricht etwa 0,2 % des Ackerlandes in der Europäischen Union.
Kritisch bewertet die EU-Agrarpolitikerin Marlene Mortler die Einschätzungen der Behörde in Helsinki. So würden die Landwirte Kalkstickstoff bereits „seit 100 Jahren” anwenden und seine Eigenschaften kennen. „Wenn Politik und Wissenschaft nun auch noch die gute fachliche Praxis infrage stellen, verlieren unsere Praktiker immer mehr den Glauben an diese Institutionen”, warnte die CSU-Europaabgeordnete.