Tierhaltung | 31. Oktober 2019

Wie Rinder, Schafe und Ziegen Ressourcen und Klima schonen

Von Dr. Andreas Steinwidder, Bio-Institut der HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Die Haltung von Wiederkäuern wird in der öffentlichen Diskussion immer wieder hinterfragt. Sie seien im Vergleich zu Schweinen und Geflügel ineffizienter, hinzu komme die klimaschädliche Methanbildung. Nicht bedacht wird dabei oft die Nutzung des Grünlands.
Mehr als 70 Prozent der weltweiten Agrarfläche entfallen auf Grünland.
Die wachsende Weltbevölkerung benötigt immer mehr Lebensmittel und immer mehr nachwachsende Rohstoffe. Derzeit sind etwa 800 Millionen Menschen unterernährt. Der  Bodenverlust und der Klimawandel verschärfen die Situation. Für viele scheint daher eine weitere Intensivierung der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen nötig  – doch diese stößt zunehmend an Grenzen. Dies zeigt sich beispielsweise im alarmierenden Rückgang an fruchtbaren Böden, dem Verlust an Vielfalt (Lebewesen, Pflanzen etc.), Problemen in der Wasser- und Trinkwasserversorgung bis hin zur schwindenden Akzeptanz der intensiven Landwirtschaft beim Konsumenten. Doch was hat das alles mit Wiederkäuern zu tun?
Effizienz weitergedacht
Wie die  Tabelle zeigt, entfallen nur etwa 29 Prozent der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche auf Ackerland und mehr als 70 Prozent auf Grünland. Vom Ackerland dienen nur knapp 20 Prozent direkt der Lebensmittelerzeugung, das entspricht nur etwa zwei Prozent der Landfläche der Erde. Mehr als 70 Prozent der Ackerfläche (8 % der Landfläche) werden für die Erzeugung von Futtermitteln (Nutz- und Heimtiere) verwendet.
Bei knapper werdenden Ressourcen gewinnt deren möglichst effizienter Einsatz an Bedeutung. Wenn Futter- bzw. Lebensmittel an Nutztiere gefüttert werden, dann ist dies immer mit „Umwandlungsverlusten” verbunden. Einen Teil der Nährstoffe braucht das Nutztier – ohne etwas zu produzieren bzw. ohne zu wachsen – rein dafür, um die Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Ein Teil der Nährstoffe geht über Kot, Harn, Abwärme bzw. Gärgase unvermeidlich verloren. Wenn lebensmitteltaugliche Produkte vorhanden sind, dann ist es bei knapp werdenden Ressourcen immer sinnvoller, den Menschen direkt damit zu versorgen und nicht den verlustreicheren Umweg über das Tier zu wählen. Werden durch Nutztiere jedoch für den Menschen schwerverdauliche Futterquellen, wie beispielsweise Grünlandfutter, in wertvolle tierische Lebensmittel umgewandelt, dann leisten Nutztiere einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Weltbevölkerung.
Futter ist nicht gleich Futter
Je mehr Grünlandfutter und je weniger Kraftfutter eine Kuh erhält, umso besser schneidet sie in der Lebensmitteleffizienz ab.
Die Effizienz der Nährstoffumwandlung vom Futter in tierische Produkte hängt entscheidend vom Futtermittel (Futterqualität, Verdaulichkeit) und auch von der Tierart und Nutzungsrichtung ab. Da die ausgewogene Eiweißversorgung (Aminosäuren) häufig der erstbegrenzende Faktor ist, wird im Folgenden vor allem darauf Bezug genommen. Im Mittel werden mehr als 3 kg pflanzliches Protein benötigt, um 1 kg Milchprotein mit Kühen zu produzieren. Zwischen 5 und 10 kg pflanzliches Protein sind erforderlich, um  1 kg Fleisch mit Wiederkäuern zu erzeugen. In der Geflügel- bzw. Schweinemast und Legehennenhaltung liegt dieser Faktor mit etwa 2,2 bzw. 3 kg Futterprotein/kg Protein im Produkt günstiger. Würde man hier in der Betrachtung der Effizienz enden, dann wären Wiederkäuer in jedem Fall nicht effizient und würde Mastgeflügel zu den effizientesten Nutztieren zählen. Doch welches Futter bzw. „welche Flächen” fressen die unterschiedlichen Tierarten?
Lebensmittelkonkurrenz beachten
Der Verdauungstrakt von Hühnern ist beispielsweise sehr kurz und wenig differenziert. Daher selektieren Hühner in freier Natur ihr Futter bzw. benötigt Geflügel hochverdauliche Futtermittel, um auch entsprechende Leistungen zu bringen. Hühnerfutterkomponenten wie Mais, Getreide, Soja etc. könnten teilweise auch direkt vom Menschen konsumiert werden. Geflügel ist daher ein bedeutender Lebensmittelkonkurrent und verbraucht dementsprechend „Ackerflächen”. Wenn Ackerflächen global betrachtet knapp werden, dann kommen Geflügel und Schweine unter Druck, denn auch in der Schweinehaltung werden bedeutende lebensmitteltaugliche Futterkomponenten eingesetzt. Doch wie sieht es bei Rindern, Schafen und Ziegen aus?
Wie bereits dargestellt, muss in der Wiederkäuerfütterung mit relativ hohen Umwandlungsverlusten gerechnet werden – dies gilt auch bei Einsatz von hochwertigen Futtermitteln! Die sehr intensive Rindermast, wie wir sie aus den USA (feedlots) kennen, schneidet daher in der Lebensmitteleffizienz schlecht ab. Diese intensiv gemästeten Tiere erhalten nur wenig Grundfutter. Es werden deutlich mehr lebensmitteltaugliche Produkte verfüttert, als am Ende über das Rindfleisch erzeugt werden – die Lebensmitteleffizienz ist negativ. Dies gilt selbst dann noch, wenn man die höhere Eiweißqualität in tierischen Produkten im Vergleich zu pflanzlichem Eiweiß berücksichtigt.
Die Milchproduktion ist im Vergleich zur Mast von Wiederkäuern in der Futterumwandlung effizienter. Aber auch hier kommt es auf die Futtergrundlage an. Je mehr Dauergrünlandfutter oder faserreiche industrielle Nebenprodukte gefüttert werden und je weniger hochwertiges Kraftfutter benötigt wird, desto besser schneiden Milchtiere in der Lebensmitteleffizienz ab. 
In den letzten Jahrzehnten wurde in den Industriestaaten bei Kühen auch die Milchleistung gesteigert, was auch zu intensiveren Rationen und weniger „Grünlandfütterung” geführt hat. Hochleistende Wiederkäuer brauchen zwar insgesamt weniger Kilogramm Futter pro Kilogramm Milch und produzieren möglicherweise auch etwas weniger klimaschädliches Methan je Kilogramm Milch, doch der Ackerflächenbedarf und globale Futtertransport steigen und die Lebensmitteleffizienz sinkt. Verschärfend kommt hinzu, dass heute teilweise Grünlandflächen weniger gut genutzt werden und gleichzeitig aber die Anzahl an Wiederkäuern steigt und damit noch mehr Nutztiere auf den „Ackerflächentopf” zugreifen.
 
Ganzheitliche Argumentation wichtig
In der öffentlichen Diskussion ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Milch und Fleisch aus Grünlandfutter wesentlich zur Sicherung der globalen Lebensmittelversorgung beitragen, denn etwa 70 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sind Grünland! Eine schonende Grünlandnutzung liefert darüber hinaus aber auch viele wertvolle Zusatzleistungen wie Trinkwasserbereitstellung, Kohlenstoffbindung, Biodiversität und auch den Erhalt der vielfältigen Kulturlandschaft und die Besiedlung der ländlichen Regionen.
Wiederkäuer, welche sehr intensiv mit Ackerkulturen gefüttert werden, können zwar höhere Einzeltierleistungen und geringere Methanausstöße je Kilo Produkt produzieren. Es muss aber auch bedacht werden, dass sich gleichzeitig die Lebensmitteleffizienz deutlich verringert und auch der Verdauungstrakt in der Evolution der Tiere nicht darauf abgestimmt ist. Wiederkäuer kommen in der Kraftfuttereffizienz daher nicht an Geflügel und Schwein heran!
Der Umwelt, dem Klima und der Menschheit wäre hinsichtlich Nutztierhaltung, Landwirtschaft und Ernährung wohl vor allem dann gedient, wenn im Schnitt weniger Milch und Fleisch aus sehr intensiven Systemen auf den Tisch kämen und gleichzeitig der Konsum von unterschiedlichen Ackerkulturen sowie Gemüse und Obst aus nachhaltiger Produktion steigen würde. Sicherlich haben dabei auch die Produkte aus einer standortangepassten Wiederkäuerhaltung im Grünland einen besonderen Stellenwert.