Tierhaltung | 21. Juni 2019

Es ist Routine eingekehrt

Von Dr. Annett Walpuski, Euter-/ Rindergesundheitsdienst Freiburg
Die neue Tierärztliche Hausapothekenverordnung, kurz TÄHAV, sorgte vergangenes Jahr für viel Aufsehen und Verunsicherung bei Tierärzten und Landwirten. Ziel der Verordnung ist die Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung. Was wurde erreicht?
Bei der Abgabe von Medikamenten müssen Tierärzte die Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) beachten.
In Deutschland gilt das tierärztliche Dispensierrecht, demzufolge Tierärzte nach Anmeldung eine Tierärztliche Hausapotheke führen dürfen. Somit können sie apotheken- und verschreibungspflichtige Arzneimittel beziehen, herstellen, mischen, lagern und an ihre Patienten abgeben. Hierbei muss die Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) beachtet werden.
Am 28. 2. 2018 wurde die Zweite Verordnung zur Änderung der TÄHAV veröffentlicht und trat ohne Übergangsfrist am 1. 3. 2018 in Kraft. Dies geschah anfangs ohne Auslegungshinweise, was zu erheblicher (rechtlicher) Verunsicherung in der Tierärzteschaft führte. Grund für die Änderung der TÄHAV ist die weltweite Zunahme von Antibiotikaresistenzen bei Tier und Mensch. Fälschlicherweise wird der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung in vielen Medien und von einigen Politikern als Hauptursache für die Resistenzentwicklung beim Menschen angesehen. Mit der Änderung der Verordnung sollte eine Minimierung des Antibiotikaeinsatzes – insbesondere im Bereich der Reserveantibiotika – und somit der Rückgang von Resistenzen erreicht werden. Ob die Verordnung diesem Ziel gerecht wird, ist heftig umstritten.
Wichtige Änderungen
Die wichtigsten Änderungen beziehen sich auf den Gebrauch sogenannter „Reserveantibiotika”, also Antibiotika, die für die Behandlung von Infektionskrankheiten des Menschen besonders bedeutsam sind. Hierbei wird die Erstellung eines Resistenztests als wichtiges Element für die Therapieentscheidung hervorgehoben, ebenso wird das Umwidmen dieser Arzneimittel, also die Anwendung nicht entsprechend der Zulassung, erschwert. Weiterhin wurden die Informations- und Nachweispflichten des Tierarztes erweitert.
Als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Behandlung gilt laut der TÄHAV, dass der Tierarzt einen „unmittelbaren physischen Kontakt” mit dem Tier aufnimmt, dieses also persönlich in Augenschein nimmt. Bei Anwendung eines Antibiotikums ist nun außerdem die Durchführung einer klinischen Untersuchung durch den Tierarzt erforderlich.
Durch diese Vorgaben dürfte es bei der Behandlung nahezu aller Tierarten  zu Änderungen gekommen sein. Dies kann zum Teil als erfreulich eingestuft werden, wenn beispielsweise Mastitispräparate mit dem Wirkstoff Cefquinom nicht mehr als Mittel der ersten Wahl bei milden Erkrankungen angewendet werden. Für so manchen Landwirt hingegen unverständlich ist die Pflicht der klinischen Untersuchung des Tieres vor Abgabe eines antibiotischen Trockenstellers, obwohl hier Daten zum Tier und/oder eine zytobakteriologische Untersuchung der Milch weitaus mehr Aussagekraft hätten. Obwohl diese Argumentation ihre Berechtigung hat, ist der Tierarzt verpflichtet, das Tier in Augenschein zu nehmen.
Die meisten Tierärzte haben den Einsatz von kritischen Antibiotika, nämlich von  Cephalosporinen der dritten und vierten Generation sowie Fluorchinolonen, erheblich  eingeschränkt oder diese gar gänzlich aus ihrem Programm genommen. Deutlich gestiegen ist dagegen die Anzahl von Antibiogrammen, also von Antibiotika-Resistenzbestimmungen. So wurden direkt nach Inkrafttreten der Verordnung 40 Prozent mehr Milchproben am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Freiburg eingesandt als im gleichen Quartal des Vorjahres.
Ausblick
Nachdem die anfängliche Reaktion der Tierärzte und zum Teil auch der Landwirte eher abweisend, unsicher und frustriert war, ist inzwischen eine gewisse Routine eingekehrt. Die Tierärzte wurden mit den Ausführungshinweisen, mit Fortbildungen und vielen Artikeln in Fachzeitschriften unterstützt.
Vielleicht kann ja die neue TÄHAV auch als Anreiz genommen werden, den Antibiotikaeinsatz betriebsindividuell neu zu überdenken. Ein möglicher Ansatz für Milchviehbestände ist beispielsweise das Selektive Trockenstellen. Die Tiergesundheitsdienste beraten Interessenten hierzu gerne.