Waldwirtschaft | 20. Oktober 2016

Es gibt keinen Plenterwald ohne Weißtanne

Von Gernot Raiser
Am 7. Oktober hat bei Oberwolfach der 12. Schwarzwälder Waldbauerntag stattgefunden. Im Zentrum stand der Plenterwald des Hackerhofes. Inhaber des Familienbetriebs mit 150 ha eigenen Forsten, davon 50 ha Plenterwald, ist Martin Echle.
Martin Echle schilderte seine Vorgehensweise beim Baumfällen und zeigte auch bewährte Technik wie diese akkubetriebene Astschere.
Der Land- und Forstwirt stellte mithilfe alter Bilder aus dem Familienalbum Vergangenheit und Gegenwart kritisch, aber auch humorvoll gegenüber und erläuterte die aktuellen Herausforderungen seines Betriebes. Von zentraler Bedeutung ist der knappe Faktor Arbeitskraft. Die Weißtanne spielt in Echles Plenterwäldern eine wichtige Rolle.

„Nach meinem Dafürhalten muss es, unter anderem wegen des Klimawandels, mit dem Weißtannenanteil in unseren Wäldern weiter nach oben gehen”, forderte Meinrad Joos in Oberwolfach. Der Präsident  der Forstdirektion Freiburg nannte als Bedingung für einen solchen wünschenswerten Aufschwung, dass die Baumart genutzt und keineswegs von der Holzernte ausgeklammert werden dürfe. Denn nur durch Nachfrage am Markt erhielten Bäume ihren Wert für die Waldbesitzer und nur das veranlasse diese, mehr davon anzubauen. „Schützen durch Nützen” müsse das Motto lauten.
Im Schwarzwald stehen nach seinen Angaben mit rund 70000 ha und einem Flächenanteil von 38 Prozent mehr als ein Drittel der Weißtannen in Deutschland. Der Forstpräsident hält die Baumart für eine naturnahe Forstwirtschaft für unverzichtbar. Als Vorteile der Weißtanne nannte er:
  • standortheimisch; gehört zur natürlichen Vegetation
  • robust gegen Schäden durch Borkenkäfer und Rotfäule
  • hohe Wurzelkraft und Standort- und Klimastabilität durch tiefreichende Herzwurzel
  • hohe Bodenpfleglichkeit; die Nadeln zersetzen sich gut, wirken der Bodenversauerung entgegen und fördern die Biodiversität
  • Charakterbaumart des Dauerwaldes und der Naturverjüngung, als schattenverträglicher Nadelbaum kommt ihr im Plenterwald eine besondere Bedeutung zu
hohe Leistungsfähigkeit hinsichtlich Holzertrag, was Menge und Qualität betrifft. Die Weißtanne hat in der Hauptnutzung den höchsten Stammholzanteil aller heimischen Baumarten, die geringsten zufälligen Nutzungen und bei der Starkholzproduktion ein sehr günstiges Verhältnis von Erntekosten zu Ertrag. Im Durchschnitt aller Sorten könne mit etwa 80 Euro Erlös je Festmeter kalkuliert werden, rechnete Meinrad Joos in Oberwolfach vor.
Allerdings ist die Weißtanne hochgradig gefährdet durch Verbissschäden, da Rehe, Gemsen und Rotwild die Pflanzen sehr schätzen. „Wald und Wild müssen also im Gleichgewicht gehalten werden – in diesem Sinn sollten Waldbesitzer und Jäger eng und konstruktiv zusammenarbeiten”, appellierte Joos.
Mit Blick auf den vom Bundesumweltministerium vorgelegten Entwurf für den Klimaschutzplan 2050 betonte er: „Die Nutzung von Holz aus heimischen Wäldern ist ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz. Es kann nicht sein, dass wir nach den Plänen des Klimaschutzplanes 2050 in seiner jetzigen Fassung im Wald großflächig Holz verrotten lassen, statt es stofflich oder energetisch zu nutzen.”
Dieser Ansicht ist auch Jerg Hilt, Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg. Er  befürchtet „katastrophale” Konsequenzen für die Waldbewirtschaftung.  Hilt beklagte, dass im Klimaschutzplan der Bundesregierung die positive Wirkung der stofflichen und energetischen Nutzung von Holz keinerlei Berücksichtigung finde. „Allein die  CO2-Minderung durch die Verfeuerung von Holz beträgt 68 Millionen Tonnen pro Jahr und ersetzt eine entsprechende Menge fossiler Brennstoffe. Darüber verliert das Papier kein Wort”, monierte der Forstkammer-Geschäftsführer. „Die Forstkammer ist eindeutig der Ansicht, dass diese Pläne klimaschädlich sind”, lautete sein Fazit. 
Das kommende große Thema im Wald ist aus Sicht der Forstkammer die Freizeitnutzung. „Das ist nicht neu, aber in den letzten Jahren hat das eine bedrohliche Entwicklung genommen”, beklagt Hilt. Die Forstkammer setzt sich damit auseinander und bietet in Baiersbronn für ihre Mitglieder am 18. November einen Workshop zu dem Thema an.
Als letztes kam Hilt auf die Frage zu sprechen, was durch die Forderungen des Kartellamtes aus den Forstbetriebsgemeinschaften (FBG) wird, wenn das Angebot der öffentlichen Beförsterung wegfällt. „Alle Forstbetriebsgemeinschaften im Land haben mehr als 100 ha, deshalb würden die Kartellbestimmungen voll durchschlagen”, warnte der Geschäftsführer. Dann gebe es im Grunde nur zwei Möglichkeiten, nämlich wachsen oder weichen:
  • Entweder professionalisieren sich die FBGs und übernehmen die Betreuung ihrer kleinen und mittleren Mitglieder selber. Das ist aber alles andere als einfach, gab Hilt zu bedenken.
  • Oder die FBGs nehmen Abstand von den wirtschaftlichen Tätigkeiten wie dem Holzverkauf und konzentrieren sich auf ideelle Aktivitäten.
 „Wir müssen verhindern, dass die Zusammenschlüsse in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die Zeichen gehen jedoch in diese Richtung”, lautete seine düstere Prognose.
Dr. Silke Lanninger, Leiterin des Forstbezirks Wolfach, pflichtete ihm in Oberwolfach bei. Wenn die vom Kartellamt forcierten Restriktionen bei der Vermarktung von Stammholz Realität werden, „würde das hier vor Ort sehr gut funktionierende Strukturen mit elf Forstbetriebsgemeinschaften sprengen. Die Forst- und Holzwirtschaft, die in dieser Region noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, würde Schaden nehmen”, ist Lanninger überzeugt. 
Das Amt für Waldwirtschaft Ortenaukreis betreut rund 1800 Waldbesitzer. Im Forstbezirk Wolfach wächst die Weißtanne auf 31 % der Fläche und 15 % sind Plenterwälder. „Hier  schlägt das Herz des Plenterwaldes in Baden-Württemberg.” Viele Hofgüter im Ortenaukreis haben 40 bis 70 ha Wald und sind damit deutlich größer als der Landesdurchschnitt. Trotz dieser guten Ausgangsposition sieht die Leiterin die Waldwirtschaft vor mehreren Herausforderungen.
Strukturwandel
So nehme der Anteil der Nebenerwerbsbetriebe immer mehr zu: „Vor 40 Jahren hat ein 40-ha-Betrieb mit Milchvieh und Wald noch drei Generationen ernährt. Heute reicht das nicht mal mehr für eine.” Die Schere zwischen Holzpreisen einerseits und den Kosten für Betriebsmittel und Lebenshaltungskosten andererseits gehe – im Gegensatz zu früheren Zeiten – heutzutage einfach zu weit auseinander. In der Folge müssten die Hofbesitzer ihren Lebensunterhalt oft außerhalb der Land- und Forstwirtschaft verdienen und seien oft auch keine ausgebildeten Land- und Forstwirte mehr. „Wenn jemand heute nur noch nach der Arbeit, am Wochenende und im Urlaub Zeit für seinen Wald hat, kann die Realisierung der meist hohen Ansprüche der Betriebsleiter an sich selbst nicht funktionieren”, ist Lanninger überzeugt.
Umso wichtiger sei in dieser Lage, die eigenen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen, betont die Bezirksleiterin. Dazu gehöre auch eine kritische Einstellung zur Eigenmechanisierung, wenn die Geräte  schon etwas älter und für die hohen Leistungsanforderungen moderner Forstwirtschaft nicht mehr recht geeignet seien. Lanninger äußerte Verständnis für die psychologische Hemmschwelle vieler Nebenerwerbler, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen. Dennoch sei es oft effektiver, das professionelle Dienstleistungsangebot eines Forstunternehmers in Anspruch zu nehmen, als bei begrenzter eigener Arbeits- und Maschinenausstattung alles selber machen zu wollen, gab die Forstfachfrau zu bedenken.