Betrieb und Wirtschaft | 06. Juni 2024

Erntegut-Bescheinigung per Online-Portal

Von AgE/bos
Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) haben den Vorschlag zur Umsetzung des Erntegut-Urteils konkretisiert.
Das Erntegut-Urteil und seine Folgen sorgen für erhebliche Diskussionen in der Branche.
Demnach können Landwirte ab dem 15. Juli auf einer kostenfreien Online-Plattform  eine „Erntegut-Bescheinigung” beantragen. Mit dieser sollen die Betriebe gegenüber ihren Abnehmern rechtssicher dokumentieren, dass ihr Erntegut unter Einhaltung aller sortenrechtlichen Bestimmungen erzeugt wurde.
Erste Variante
Die Vorsitzende des BDP und des STV-Verwaltungsrats, Stephanie Franck, sprach  vor Journalisten am Montag  von einem „weitgehend unbürokratischen” System. Dabei loggt man sich  auf der STV-Website ein und übermittelt die Angaben zur  Ackerfläche je Fruchtart, der verwendeten Menge Z-Saatgut je Sorte und/oder der verwendeten Menge an Nachbausaatgut. Die Angaben können anschließend belegt werden, indem das Flächenverzeichnis aus dem GAP-Antrag, die Kaufbelege des Z-Saatguts und/oder die Nachbauerklärung auf der Website hochgeladen werden.
Später soll es Stichproben geben
In einer zweiten Variante der Antragsstellung könne zunächst auf ein Hochladen der Nachweise verzichtet werden. Voraussetzung dafür sei aber, dass man einer stichprobenartigen Überprüfung zu einem späteren Zeitpunkt zustimmt, bei der dann die entsprechenden Dokumente kontrolliert würden.
BDP und STV reagieren mit ihrem vorgeschlagenen System auf das „Erntegut-Urteil” des Bundesgerichtshofs vom November 2023. Danach  müssen Agrarhändler sicherstellen,  dass das von ihnen gehandelte Erntegut rechtmäßig erzeugt wurde. Dabei gelte für die Handelsunternehmen  eine „verschuldensunabhängige Haftung”, erklärten BDP und STV. Eine einfache Selbsterklärung durch den Landwirt sei daher für den Agrarhändler nicht ausreichend.
Was den Züchtern pro Jahr entgeht
Franck  wies den Vorwurf zurück, mit dem neuen System Daten sammeln zu wollen:  „Wir wollen ganz einfach die Nachbaugebühren haben”, sagte sie. Diese Forderung entspreche schlicht der bestehenden Gesetzeslage. Jährlich entgingen den von der STV vertretenen Züchtungsunternehmen rund 13 Mio.  Euro an Nachbaugebühren, schätzt Franck: 32 Mio. Euro müssten fließen, aber nur 19 Mio. Euro gingen ein.
Zuversichtlich, dass das  System kartellrechtlichen Einwänden standhält, zeigte sich BDP-Anwalt Dr. Moritz von Köckritz. Man habe  Rechtsgutachten  eingeholt.   Angaben der Landwirte würden nicht an die Züchter weitergegeben.
Pflanzenzüchter erhalten viel Kritik
Der Vorschlag  der Pflanzenzüchter ziele auf eine unverhältnismäßige und überdimensionierte Sammlung von einzelbetrieblichen Daten,  kritisierte  der Deutsche Bauernverband am Dienstag. Die Frage der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit bleibe völlig ausgeblendet. Auch den Startzeitpunkt  15. Juli – mitten in der Ernte – sieht DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken skeptisch. „Diesen Zeitdruck halten wir für nicht sinnvoll, Aktionismus ist bei der Lösung eines juristisch komplexen Problems nicht zielführend. Daher empfehlen wir unseren Mitgliedern, bis zur Erarbeitung einer brauchbaren Lösung nur das zu tun, was das Urteil verlangt: Dem Abnehmer der Ware zu bestätigen, dass sie unter Einhaltung der sortenschutzrechtlichen Verpflichtungen erzeugt wurde.”
Die IG Nachbau und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sehen in dem Vorschlag den Versuch, die Landwirte in eine Datenerfassungsfalle zu locken, und rufen dazu auf, sich nicht voreilig auf diese Lösung einzulassen.
Zwischen allen Stühlen sieht sich der Handel, wie der Verband Der Agrarhandel und der Deutsche Raiffeisenverband in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten. Um den Aufwand für  Landwirte möglichst gering zu halten, empfehlen DRV und DAH ihren Mitgliedern  die „Textbaustein-Lösung”. Dabei sichert der Landwirt zu, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Die im Textbaustein ebenfalls enthaltene Vertragsstrafe greife nur dann, wenn ein Anbauer sowohl bei der STV als auch seinem Agrarhändler falsche Angaben gemacht hat.
Der Agrarhandel trage ein hohes Risiko, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein Landwirt Ware unter Verletzung von Sortenschutzvorschriften angeliefert hat. Wenn dies bei der STV „auffliegt”, müsse der Händler eine Unterlassungserklärung unterzeichnen. Im Wiederholungsfall droht ihm dann eine  Vertragsstrafe. Allein für diese Situation könne  die Vertragsstrafe geltend gemacht werden, sodass der Händler den Anspruch habe, sich seinen Schaden vom unredlichen Anbauer ersetzen zu lassen.
Wer behaupte, die Vertragsstrafe würde alle Landwirte unter Generalverdacht stellen, habe die Funktion dieses Instrumentes nicht verstanden. Diese Argumentation schütze die Landwirte, die zulasten ihrer Berufskollegen Sortenschutzverletzungen begehen.
Die STV sei  bislang nicht begeistert von der  Textbaustein-Lösung. Ein weiteres Gerichtsverfahren zur Klärung, ob der Händler seiner Pflicht mit der entsprechenden Verbindlichkeit nachgekommen ist, könne daher nicht ausgeschlossen werden. Somit sollten Händler und Landwirt jetzt eine Vereinbarung treffen, die die Konsequenzen in Form einer Vertragsstrafe gegenüber dem Landwirt regelt, der falsche Angaben macht. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass ein Gericht diese Erklärung als unzureichend ansehe und noch strengere Maßnahmen einfordere.