Das Landgericht Magdeburg hat drei Tierschützer der Organisation Animal Rights Watch (ARIWA) freigesprochen, die 2013 in eine Schweinezuchtanlage in Sachsen-Anhalt eingebrochen waren, um dort Missstände in der Tierhaltung zu filmen. Die Staatsanwaltschaft geht in Revision.
Deutliche Kritik am Gerichtsurteil: Stalleinbruch ist Hausfriedensbruch, erklären Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und der DBV.
Das Landgericht bestätigte am 11. Oktober ein Urteil des Amtsgerichts Haldensleben aus dem vergangenen Jahr, gegen das die Staatsanwaltschaft Magdeburg Berufung eingelegt hatte. Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag dieser Woche Revision eingelegt. Der Fall landet jetzt vor dem Oberlandesgericht Naumburg.
Zur Historie des Falls: Die Richter des Amtsgerichts stellten damals zwar einen Hausfriedensbruch fest, wollten aber keine Strafe aussprechen, „da das Handeln der Angeklagten wegen Notstandes nach § 34 Strafgesetzbuch (StGB) gerechtfertigt gewesen ist”. Es habe Verstöße gegen Regelungen der Tierschutznutztierverordnung gegeben, insbesondere, weil die Kastenstände zu klein gewesen seien. Bei vorherigen Kontrollen der zuständigen Behörden seien die Missstände nicht moniert worden, und eine Anzeige bei den zuständigen Behörden habe sich nach den Erfahrungen der Angeklagten nicht als erfolgversprechend erwiesen, argumentierte das Amtsgericht.
Dieser Auffassung schloss sich laut Presseberichten der Vorsitzende Richter des Landgerichts, Ulf Majstrak, im Berufungsverfahren an. Er erklärte, dass die Angeklagten zwar Hausfriedensbruch begangen hätten, solche Taten aber gerechtfertigt seien, wenn staatliche Kontrollen versagten. Ziel sei das Tierwohl gewesen, das in Gefahr gewesen sei. „Sie haben genau das getan, was nötig war und was als mildestes Mittel zur Verfügung stand”, erklärte der Richter.
Unverständnis
Kritisch nahm Bundeslandwirtschaftsminister Christian
Schmidt das Urteil auf. Am Rande der Verleihung des diesjährigen Ceres
Avards in Berlin sagte er: „Bei allem Respekt vor den richterlichen
Entscheidungen, Eigentum bleibt Eigentum und Hausfriedensbruch bleibt
Hausfriedensbruch.” Mit Unverständnis reagierte der Deutsche
Bauernverband (DBV). „Es darf nicht sein, dass Stalleinbrüche, die den
Straftatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllen, toleriert werden”, so
der Bauernverband.
Das Landgericht in Magdeburg hat eine Revision beim Oberlandesgericht
zugelassen. Der Professor für Strafrecht an der
Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, Joachim Renzikowski, hält
laut MDR die Entscheidung des Gerichts für problematisch, weil dadurch
in letzter Konsequenz das staatliche Gewaltmonopol ausgehöhlt werden
könnte, wenn Bürger eigenmächtig Staatsaufgaben im Falle des
behördlichen Versagens übernehmen dürften. Die Staatsanwaltschaft hatte
für die Tierschützer wegen Hausfriedensbruchs Geldstrafen gefordert.
Einen Notstand erkannte die Anklage nicht und verwies darauf, dass erst
Monate nach dem Eindringen in den Stall Anzeige erstattet worden sei.
Zudem habe die Aktion keine unmittelbare Auswirkung auf das Tierwohl
gehabt, weil kein Tierarzt gerufen oder die Missstände sofort abgestellt
worden seien.
DBV: Kontrolle obliegt den Behörden
Neben der Revision dieses Falles erwartet der DBV eine
grundsätzliche Entscheidung von einem demnächst stattfindenden Verfahren
am Oberlandesgericht Stuttgart. Dort wird ein Urteil des Landgerichts
Heilbronn verhandelt, das einen Stalleinbruch eindeutig als
Hausfriedensbruch beurteilt und geahndet hatte.
Der DBV stellte mit Blick auf das Urteil in Magdeburg klar, dass er
Recherchen zu vermeintlichen Missständen unter Begehung von Straftaten
verurteile. „Das Strafrecht darf nicht dem medialen Verwertungsinteresse
einzelner Gruppen untergeordnet werden.” Die Kontrolle der Einhaltung
von Tierschutzbestimmungen obliege den zuständigen staatlichen Behörden
und dürfe nicht der Überwachung von Bürgern unter Begehung von
Straftaten eingeräumt werden.
Bei einem hinreichenden Verdacht könnten
jederzeit und zeitnah die zuständigen Behörden informiert werden.
Erfolge dies nicht, müsse davon ausgegangen werden, dass kein originäres
Tierschutzinteresse vorliege. In jedem Fall müssten die
Persönlichkeitsrechte und das Eigentum der Landwirte respektiert werden.