Betrieb und Wirtschaft | 24. Mai 2018

Erdbeer-Erzeuger sind sauer auf den Handel

Von Heinrich von Kobylinski
Mit einer Aufklärungsaktion bei der Netto-Filiale in Ortenberg haben Ortenauer Obstbauern vergangene Woche auf die unbefriedigende Marktsituation aufmerksam gemacht.
Am Mittwoch vor Pfingsten, einen Monat nach Beginn der heimischen Erdbeerernte, platzte  Obsterzeugern in der Ortenau der Kragen: In den Lebensmittelläden und bei den Discountern  führten erhebliche Mengen an  spanischer Ware zu einem hohen  Angebotsdruck.   Den Verbrauchern wurden – so der Eindruck der Landwirte – die Früherzeugnisse überteuert angeboten und die Landwirte mit Dumpingpreisen abgespeist.  Damit ist der verfrühte Anbau in die roten Zahlen gekommen. 
In einer kurzfristig angesetzten und vom BLHV unterstützten Aktion versammelten sich dann am Tag danach über 40 Landwirte in Ortenberg vor der Einfahrt zu einem Discounter-Parkplatz und starteten  eine Aufklärungsaktion: Die  Kunden wurden über die Vorzüge der heimischen Früchte mit der günstigen CO2-Bilanz informiert.    Und auch darüber, dass die Erzeugerpreise mit dem Preisniveau in den Läden nicht viel zu tun haben. Als Dank fürs Zuhören bekamen die Verbraucher je ein Körbchen mit frischen Erdbeeren gratis. „Im Vergleich zu dem Minus, das wir mit den jetzigen Verkaufspreisen machen, ist das hier gut investiert”, fand einer der Oberkircher Landwirte, der verfrühte Ware im Tunnelanbau erzeugt.
Drinnen in dem Netto-Discounter war das spanische Angebot direkt neben dem deutschen aufgestellt. Die spanische Ware kostete pro Körbchen 1,69 Euro und die deutsche – aus Bayern – 2,99 Euro. Zusätzlich zum Preisunterschied kam noch ein Mengenunterschied hinzu: Die Erdbeeren aus dem Inland wurden in 400-g-Packungen angeboten, die spanischen in  500-g-Packungen.
 Die Landwirte waren sauer. „Der LEH betreibt mit seiner Preispolitik  Kundenverwirrung auf Kosten der heimischen Erzeuger. Die bekommen gerade mal 1,10 Euro für 500 Gramm”, schimpfte Franz Josef Müller, Präsident des LVEO  Baden-Württemberg, in Ortenberg. Edeka, der Mutterkonzern
der Netto-Discounterkette, zeige zwar eine Liebe zu Lebensmitteln, aber nicht unbedingt zu heimischen Produkten. Bei Edeka   hatten die Landwirte bei ihren Marktbeobachtungen an diesem Tag einen  Preis von 3,29 Euro für eine  500-g-Schale mit regionaler Ware festgestellt.
  Mit den   individuellen Gebindeanforderungen wird die Erntekampagne für die Erzeuger kompliziert: Oft fallen mehr als  drei Wechsel bei den Gebinden  in der Woche an. Mal geht es  um 400 Gramm, mal um 500 Gramm, mal um Holzschliff, mal um Pappkarton. Als unangemessen im Hinblick auf den hochwertigen Inhalt empfinden die Erzeuger die Verwendung von Plastikschalen, wie bei Kaufland und  Lidl – nicht nur wegen der Umweltbelastung und der globalen Ächtung von Kunststoff, sondern auch wegen der Gesamterscheinung des Erzeugnisses: Im Plastikgebinde können die Früchte nur allzu leicht mit der ausländischen Ware verwechselt werden. 
Restbestände
„Aus unserer Sicht dürften zum jetzigen Zeitpunkt nur noch geringe Restbestände von spanischen Erdbeeren auf dem Markt sein”, erklärte  Martin Baumert von der Landgard Obst- und Gemüseholding auf Anfrage der BBZ am  Donnerstag vergangener Woche. Der  Geschäftsführer der westfälischen  Genossenschaft  ist Importexperte und koordiniert auf dem  deutschen Markt hohe Anteile der spanischen Erdbeeranlieferungen. An seinem Dienstsitz in Kehl erklärte er, dass sein Unternehmen die Einfuhr von spanischen Erdbeeren seit Beginn des Monats Mai beendet habe. „Falls  es trotzdem noch spanische Angebote im LEH gibt, dann stammen die von Direktvereinbarungen zwischen Einzelhändlern und spanischen Vertreibern”, so Baumert. 
Baden wird in die Zange genommen
Die Erdbeersaison läuft für die badischen Märkte bisher unbefriedigend. Auch beim Anblick der Wettervorhersage für die laufende  Woche – Niederschläge im Südwesten, Sonnenschein weiter nördlich – kam am Dienstag  keine Freude auf. „Die badischen Erdbeeren werden in diesem Jahr in die Zange genommen von  den verspäteten spanischen Erdbeeren und den vergleichsweise zeitig auf den Markt drängenden Erdbee-
ren der weiter nördlich gelegenen deutschen Anbaugebiete”, berichtete  Marceli-
no Expósito, Geschäftsführer beim Obstgroßmarkt Mittelbaden (OGM).    Nachdem die Freilandernte vergangene Woche begonnen hat,  hofft er  trotz hoher Anlieferungsmengen auf stabile Preise in dieser Woche.  Die feuchte Witterung sorge für Bedenken wegen der Qualität der Freilandware.  Die Erwartung für die gesamte Erntemenge hat Expósito mittlerweile  von 5500 Tonnen auf 5000 Tonnen korrigiert.
„Wenn es eine große Menge gibt und die denn auch noch so schnell kommt, dann geht es nun einmal nur über den Preis”, sagte Lorenz Boll, Geschäftsführer beim Erzeugermarkt Südbaden (EGRO).     In der laufenden und in der kommenden Woche gehe es bei den erwarteten Spitzen-Anlieferungsmengen in der Saion darum, die Preise stabil zu halten. „Die Preise im Laden sind jetzt so, dass der Verbraucher eigentlich kaufen muss”, so Boll. Erhöhte Spannen beim Handel meint Boll in diesem Jahr nicht festgestellt zu haben.
In Oberkirch und Oberrotweil ist man sich einig, dass die Saison für die Tunnel-Erzeugung schlecht war. Zwei Wochen Überlappung mit der spanischen Ernte sorgten für unbefriedigende Preise.