Tierhaltung | 20. Dezember 2018

Emissionen verringert, Kuhkomfort erhöht

Von Kathrin Kortendieck
Im neuen, durch das Projekt EIP-Rind geförderten Kuhstall der Familie Lorenz wurden nicht nur Maßnahmen für mehr Tierwohl, sondern auch zur Verringerung von Emissionen innovativ umgesetzt.
Sohn Andreas und Vater Meinrad Lorenz führen den Betrieb gemeinsam als GbR. Andreas wird ihn einmal übernehmen.
In Hofsgrund bei Oberried und damit mitten im Schwarzwald liegt der Kirchlebauernhof von Familie Lorenz. Der Betrieb ist einer der ersten, der am Projekt EIP-Rind teilnimmt. EIP steht für Europäische Innovationspartnerschaft und das Projekt hat zum Ziel, den Umwelt- und Tierschutz in der Rinderhaltung in Baden-Württemberg durch baulich innovative Lösungen zu verbessern. Die neuen Haltungsverfahren sollen außerdem in der Praxis  verbreitet und etabliert werden.
Bester Zeitpunkt
Dieses Projekt kam für Andreas und Meinrad Lorenz, die den Betrieb gemeinschaftlich in einer GbR bewirtschaften, genau zur richtigen Zeit: Das Tierwohl spielt für sie schon lange eine Rolle, bereits seit 1996 stehen die 35 Milchkühe in einem Laufstall. Als klar wurde, dass der heute 25 Jahre alte Sohn Andreas Lorenz den Betrieb übernehmen will, überlegten er und Vater Meinrad, wie man ihn zukunftsfähig gestalten kann.
„Eine Idee war, eine neue Halle zur Heulagerung  zu bauen, um zukünftig Bio-Heumilch erzeugen zu können. Das wäre aber mit nur 3Cent Aufwandsentschädigung pro Liter nicht wirtschaftlich gewesen”, berichtet Lorenz Senior. „Im Prinzip sind wir seit Ende 2015 auf der Suche nach einer Lösung.” So rückte die Idee eines Um- oder Neubaus in den Fokus. Beschlossen wurde 2016 die Erzeugung von Biomilch, mit der sie schon Anfang dieses Jahres beginnen konnten: „Die genehmigte Übergangsfrist war relativ kurz, da wir bei der Bewirtschaftung unserer Flächen schon seit 2015 komplett auf chemisch-synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel verzichten. So mussten wir nur noch das Kraftfutter für die Kühe umstellen.”
Von der extern begehbaren Besucherterrasse gewinnt man einen guten Einblick in den Stall.
Schließlich brachte Jürgen Ehrenfeuchter, selbstständiger Berater für Agrarinvestitionen, Familie Lorenz auf die Idee zur Teilnahme am Projekt EIP-Rind. Zu ihm besteht schon seit dem Umbau 1996 Kontakt. „Auch Prof. Dr. Barbara Benz von der Hochschule Nürtingen-Geislingen, die das Projekt von wissenschaftlicher Seite aus betreut, war vorab hier. Sie kennt unseren Hof schon, seit sie selbst Studentin war, hat sich noch einmal alles genau angeschaut und uns dann zur Bewerbung ermutigt”, erzählt Meinrad Lorenz. Daraufhin erstellte Andreas die Präsentation, die für eine Bewerbung erforderlich ist.
 „Man kann sich das Projekt wie eine Arbeitsgruppe der potenziellen Teilnehmer und der betreuenden Fachleute vorstellen. Vor dieser Gruppe muss jeder seine geplanten Neu- bzw. Umbaumaßnahmen präsentieren. Diese müssen den Rahmenbedingungen entsprechen, also innovativ, Tierwohl fördernd und öffentlichkeitswirksam sein”, fasst Lorenz Junior zusammen. Danach wird entschieden, welcher Betrieb gefördert wird bzw. welche geplanten Maßnahmen noch einmal überarbeitet und angepasst werden müssen, damit sie im Rahmen des Projektes gefördert werden können.
 
Umgesetzte Maßnahmen
Die automatisch gesteuerte Bewässerungsanlage in der Boxenkante verringert die stark emittierende Schmierschicht auf den Laufgängen.
Die Bewerbung wurde schließlich im Sommer 2017 abgeschickt, kurz darauf folgte die Präsentation in der Arbeitsgruppe. Geplant und umgesetzt wurden im Rahmen eines Stallneubaus auf dem Kirchlebauernhof von Familie Lorenz folgende Maßnahmen:
  • Es entstanden Laufgänge mit Quergefälle und Harnrinne, kombiniert mit einer Wasserbefeuchtung in der Boxenkante, um so die stark emittierende Schmierschicht auf den Laufgängen zu vermeiden. Außerdem wurde eine Abdeckung über den Abwurfschächten vorgesehen. Diese genannten Maßnahmen sollen potenziell emissionsmindernd wirken.
  • Für mehr Tierwohl wurde der Fressplatz mithilfe eines Antritts erhöht, so stehen die Kühe während der Futteraufnahme nicht im eigenen Kot. Zudem wurden nach jedem zweiten Fressplatz Trennbügel installiert, um auch rangniederen Tieren ungestörtes Fressen zu ermöglichen. Für den Sommer gibt es eine Dusche, die die Kühe bei der Regulation ihrer Körpertemperatur unterstützt und gleichzeitig neben der Laufgangbefeuchtung potenziell emissionsmindernd wirkt. Nicht fehlen darf auch in diesem Stall die Bürste, die ganztägig gern von den Kühen genutzt wird.
  • Innovativ und ebenfalls gut fürs Tierwohl ist die Gummimatte profiKura P der Fa. Kraiburg, mit der alle Laufflächen im Stall ausgelegt sind. Sie enthält das Metall Korund, das für den nötigen Klauenabrieb während der Wintermonate sorgen soll.
„Da wir sehr wenig arrondierte Flächen haben, laufen unsere Kühe während der Weidesaison zweimal täglich über Teerstraßen, da müssen wir uns über den Abrieb keine Gedanken machen. Mit diesen speziellen Gummimatten hoffen wir auf ein ähnliches Ergebnis, auch außerhalb der Weidesaison”, zeigt sich Andreas Lorenz optimistisch. Um die Wirksamkeit aller Maßnahmen künftig belegen zu können, wird der Betrieb Lorenz in regelmäßigen Abständen von Mitarbeitern der Hochschule Nürtingen besucht und entsprechende Messungen werden durchgeführt.
Ein weiteres Kriterium war, dass der Stall erweiterbar sein muss. Das wird unter anderem mit der erweiterbaren Güllegrube erfüllt, die ein Viertel der Stallfläche unterkellert: „Sie ist so erweiterbar, dass wir einen Laufhof nachträglich anbauen können”, erläutert Meinrad. 
Viel Licht und Luft
Von der extern begehbaren Besucherterrasse gewinnt man einen guten Einblick in den Stall.
Außerdem verfügt der neue Stall über  einen Lichtfirst mit Hubfenstern, die mithilfe temperatur- und witterungsempfindlicher Sensoren automatisch gesteuert werden: Sinkt beispielsweise die Außentemperatur unter 8°C, schließen sie sich von alleine. Zusätzlich sorgen die LED-Strahler über den Laufgängen für eine gute Ausleuchtung des Stalles, den unter anderem die Feriengäste jederzeit über die von außen begehbare Terrasse besuchen können. So dient sie gleichzeitig der Biosicherheit. „Wir haben sie direkt über die Abkalbebox gebaut. Von dort aus hat man den besten Blick und sie ist mittig unter dem Stalldach  platziert, sodass wir keine zusätzliche Gaube bauen mussten”, erklären Vater und Sohn. Außerdem werden so die hochtragenden Kühe vor und während des Abkalbens möglichst wenig gestört.  Auch der Kälberbereich ist im neuen Stall integriert, das Jungvieh steht jetzt im Altgebäude. Gefördert wurde der Neubau mit 30 Prozent durch das Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg und mit 20 Prozent vom Projekt EIP-Rind.  
Ruhe im Stall
Bei meinem Besuch auf dem Kirchlebauernhof stehen die 32 schwarzbunten Holstein- und die drei Braunviehkühe gerade einmal gute 14 Tage im neuen Stall. Die Ruhe beeindruckt mich schon in dem Moment, als wir durch die Stalltür treten. „In der ersten Woche war ich noch sehr angespannt, da sind unsere Kühe nur im Kreis gelaufen und kamen gar nicht richtig zur Ruhe. Das ist aber jetzt  zum Glück vorbei”, erinnert sich Andreas.
 Bemerkenswert ist die durchschnittliche Herdenabgangsleistung von 46000 Litern, die die Herde vom Kirchlebauernhof 2017 erreichte. Damit landete der Betrieb von Familie Lorenz auf  Platz neun der zehn besten Betriebe in Baden-Württemberg. Die  Milchleistung liegt momentan bei durchschnittlich 8700 Litern pro Kuh und Jahr. 
Die Milchkühe bekommen eine Ration aus Grassilage, Heu und Kraftfutter. Andreas  ist überzeugt: „Eine höhere Leistung geht meist zu Lasten der Tiergesundheit. Wir versuchen Kühe zu züchten, die dem neuseeländischen Typ entsprechen: Sie sind kleiner und kompakter, kommen aber mit unseren Bedingungen hier oben auf 1068 Höhenmetern gut zurecht. Das bedeutet, dass sie eine hohe Grundfutteraufnahme und gute Fundamente haben, aber trotzdem wirtschaftlich sind.”
Entscheidung fiel gegen den Roboter
Gemolken werden die Kühe zweimal täglich im Doppel-5er-Fischgrätenmelkstand. Warum die Entscheidung für das Melken und gegen den Roboter fiel? Vater und Sohn sind sich einig: „Melken ist eine schöne Arbeit, gleichzeitig sehen wir unsere Tiere zweimal täglich. Mit einem Roboter lässt sich zudem der Weidegang nur schwer vereinbaren.”