Tierhaltung | 30. Dezember 2020

Ein Überblick: Weide- und Hoftötung

Von Dr. Andrea Fink-Keßler, Hans-Jürgen Müller, Lea Trampenau
Beim Thema Schlachten bewegt sich derzeit einiges. Welche Möglichkeiten der Hof- und Weidetötung es für Rinder gibt und welche Hürden zu nehmen sind, fasst der folgende Beitrag zusammen.
Das Fixieren des Rindes kann geübt werden, damit die Schlachtung am Tag X möglichst stressarm abläuft.
Es sprechen viele Gründe dafür, gerade Rindern ein stressiges Separieren, Verladen und Transportieren sowie Eintreiben in die Schlachtstätte zu ersparen: Tierschutz, Arbeitssicherheit und die Sicherung der Fleischqualität auch bei diesem letzten Schritt des Tierlebens spielen eine große Rolle. Hinzu kommt, dass gerade für selbst vermarktende Betriebe die Wege zur Schlachtstätte immer weiter werden. Daher sind nach wie vor Landwirte und hier insbesondere die direkt vermarktenden Landwirte die treibenden Kräfte, wenn es darum geht, Weide- oder Hoftötungen durchzuführen. Doch ohne Metzger und ohne die Einwilligung der Zulassungsbehörden geht es nicht.
 
 
 
 
Drei Verfahren
Da es viele Mißverständnisse gibt, soll – in Anlehnung an die Schweiz – künftig von Hoftötung und Weidetötung gesprochen werden und nicht von mobiler Schlachtung. So werden auf dem Hof oder auf der Weide nur die ersten Prozessschritte bis zum Töten vollzogen und die weiteren Schritte des Schlachtens in der stationären Schlachtstätte. Grundsätzlich gibt es drei Verfahren:

  • Die Weidetötung – auch „Kugelschuss auf Weide” genannt – kann nur für Rinder angewandt werden, die ganzjährig im Freien leben. Sie ist auf Basis von § 12 Tierische Lebensmittelhygieneverordnung eine Ausnahme von der Regelschlachtung und muss durch die Behörde genehmigt werden. Für die Betäubung/Tötung trägt der Landwirt die Verantworung. Die weiteren Prozessschritte erfolgen in einer EU-zugelassenen Schlachtstätte. Das Transportfahrzeug muss nicht Teil der EU-zugelassenen Schlachtstätte sein.
  • Die Hoftötung – auch teilmobile Schlachtung genannt – erfolgt als gewerbliche Schlachtung unter Einhaltung aller dafür gültigen Rechtsvorschriften. Das Betäuben/Töten wird vom Schlachtunternehmer übernommen. Dieser kommt mit einem Schlachthänger, der Teil seiner EU-zugelassenen Schlachtstätte ist, auf den Hof. Im Gegensatz zur Weidetötung muss das Rind zur Betäubung fixiert werden. Das Töten durch Blutentzug findet im Schlachtanhänger statt. Die weiteren Prozessschritte erfolgen, wie bei der Weidetötung, in der stationären und EU-zugelassenen Schlachtstätte. 
  • Die vollmobile Schlachtung: Der Schlachtunternehmer kommt auf den Hof mit einem eigenständig EU-zugelassenen Schlachthänger. Dort findet der gesamte Schlachtprozess statt bis zur Zerlegung in Hälften und Kühlung. 
Weidetötung
Obwohl es in Deutschland seit 2011 eine Rechtsgrundlage für die Weidetötung gibt, ist die Genehmigung dieses Verfahrens immer noch keine Selbstverständlichkeit. Je nach Bundesland, Region und Behördenmitarbeiter werden Anträge zur Weidetötung mit diversen Auflagen, Bedenken und grundsätzlicher Ablehnung erschwert bis vereitelt. Das Verfahren ist meist gebunden an eine konkrete betriebsbezogene Fläche/ein Flurstück und erfordert nicht nur die waffenrechtliche Genehmigung, sondern auch die der zuständigen Veterinärbehörde. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) empfiehlt in ihrem Merkblatt, eine erhöhte Schussposition in einem eingezäunten Bereich (Korreal). Das kann für einige Betriebe Sinn machen, insbesondere für jene, die auf weit verteilten Flächen Rinder in der Landschaftspflege halten. Dennoch ist dies bei vielen Betrieben weder notwendig noch sinnvoll: In kleinen Herden kann sich der Landwirt oder die Landwirtin frei bewegen und aus einer geringen Distanz von null bis fünf Metern schießen. Dadurch werden die Tiere im Vorfeld nicht gestört und prämortale Belastungen können ganz ausgeschlossen werden. Dies ist aus Tierschutzsicht herausragend und dient dem Erhalt der Fleischqualität in besonderem Maße.
Hoftötung
Der Weg für eine Hoftötung von Rindern, die auch aus Stallhaltung kommen können, wurde durch die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „mobile Schlachtung von Rindern” der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (AFFL) geebnet. Im Mai 2018 hat sie unter anderem zu Protokoll gegeben, dass ein EU-zugelassener Schlachthof um eine mobile Schlachteinheit erweitert werden könne und eine Einrichtung zur Fixierung der Schlachttiere nicht zwingend Bestandteil der mobilen Einheit sein müsse, jedoch alle tierschutzrechtlichen und hygienischen Auflagen erfüllt und auch geprüft werden müssten. Die Betäubung könne daher in Ausnahmen auch außerhalb des eigentlichen Schlachtraums erfolgen.
Technische Lösungen
Innenansicht der MSB-AC-Box von Uria.
Im Rahmen der bereits seit 2011 zugelassenen Weidetötung haben sich einige bewährte Modelle weiterentwickelt, die ebenfalls die Tötung durch Blutentzug und den Transport des getöteten Tieres zur Schlachtstätte erlauben – jetzt aber zusätzlich im „geschlossenen Raum”, entsprechend den Empfehlungen der AFFL. Der Verein Uria von Ernst Hermann Maier mit Sitz im Zollernalbkreis hat ergänzend zur seit vielen Jahren bewährten MSBII-Box nun ein weiteres Schlachtmobil MSB-AC entwickelt. Nach der Betäubung durch Bolzenschuss in einem Fixierstand wird das Rind nun über eine Seilwinde und Kranschiene seitlich hängend in die Box eingebracht. Diese wird dann zur Tötung durch Blutentzug geschlossen. So kann die Entblutung vom Personal in der Box stehend durchgeführt werden.
Die Firma Innovative Schlachtsysteme (ISS) hat den T-Trailer auf dem Markt, der kostengünstig überwiegend Betriebe mit Weidetötung bedient. Das Rind wird nach dem Schuss per Seilwinde in den Anhänger gezogen oder per Frontlader über die herausnehmbare Seitenbordwand auf den Schragen gelegt, mit dem es am Schlachtbetrieb einfach entladen werden kann.
Innenansicht des T-Trailers von ISS.
Nun ist auch ein geschlossener Trailer für die Hoftötung mit Bolzenschussbetäubung in der letzten Phase der Fertigstellung, sodass auch hier das Entbluten im Stehen ermöglicht wird.
Die Operationelle Gruppe „Extrawurst” hat in Hessen im Rahmen eines Projektes der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) eine andere Variante teilmobiler Schlachtung entwickelt – siehe Fotozyklus. Schwerpunkt war die möglichst stressarme Separierung des Rindes von der Herde. Dazu wurde eine Fixiereinrichtung der Firma Patura verwendet, die auch Behandlungen der Tiere ermöglicht. Die Fixierung ist den Rindern daher bereits vertraut. Zudem bleibt der Blickkontakt zur Herde durch die seitliche Aufstellung erhalten. Nach dem Betäuben fällt das Tier aus dem Fixierstand und wird mit einem hängerseitigen Kettenzug in den Anhänger gezogen. Dort wird entblutet. Am Schlachtbetrieb angekommen, wird der Kettenzug benutzt, um das getötete Tier anzuheben und auf einen fahrbaren Schragen zu befördern. Damit kann der Schlachtkörper auch unter räumlich beengten Bedingungen in den eigentlichen Schlachtraum transportiert werden.
Die IG Schlachtung mit Achtung aus Baden-Württemberg hat eine mobile Schlachteinheit gebaut, die es ebenfalls ermöglicht, die Tötung in einem geschlossenen Raum vorzunehmen. Das Rind wird separiert und mit Futter an eine Fixiereinheit gelockt. Diese steht auf einer Metallplatte und ist mit dem Hänger verbunden. Sofort nach dem Betäubung durch Bolzenschuss wird das Rind in der Fixiereinheit liegend durch Blutentzug getötet. Auch hier ist das Schlachtmobil zum Zeitpunkt der Tötung geschlossen.
Die Investition in Schlachtanhänger und Fixiereinrichtung können je nach  Verfahren zwischen 18000 und 100000 Euro liegen. Das lohnt sich für Einzelbetriebe nur, wenn diese mindestens ein bis zwei Rinder pro Woche schlachten. Betriebe mit nur wenigen Schlachtungen pro Jahr benötigen eine überbetriebliche Lösung.
Die Hürden
Bei der Genehmigung der Hoftötung treten immer wieder Probleme auf. Um dies zu erleichtern, hat die Gruppe „Extrawurst” einen mit allen behördlichen Ebenen Hessens abgestimmten Leitfaden entwickelt. Dieser enthält die Prozessbeschreibung, ohne eine bestimmte Technik vorzugeben, regelt Verantwortlichkeiten an der Schnittstelle zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Schlachtunternehmern. Der Leitfaden kann als Standardarbeitsanweisung und damit für den Antrag auf eine Erweiterungszulassung des Schlachtunternehmens um eine mobile Einheit genutzt werden. Er kann auf der Internetseite des Verbandes für Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung (Vlhf) heruntergeladen werden: www.biofleischhandwerk.de.
Obwohl in Hessen ein abgestimmter und auch juristisch überprüfter Weg für die Genehmigung einer teilmobilen Schlachtung gegangen wurde, steht die Vermutung im Raum, dass bei vielen Zulassungsbehörden wenig Bereitschaft besteht, dieses Verfahren auch praxisnah zu ermöglichen. Insellösungen gibt es dort, wo die Entscheidungsstrukturen für die EU-Zulassung kleiner Schlachtbetriebe noch auf kommunaler Ebene geblieben sind – also die Kreisveterinäre zuständig sind. Das ist zum Beispiel in Baden-Württemberg der Fall. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass bundesweite Regeln festgelegt werden, wie es zum Beispiel die Schweiz im Juli 2020 getan hat.
Bayern hat im Februar 2020 einen ersten Vorstoß gewagt, und der Bundesrat hat im Juni 2020 durch Beschluss eine Erweiterung der tierschutzgerechten Weidetötung gefordert. Darin wird betont, dass mobile und teilmobile Schlachteinheiten Unterstützung finden sollen, dass die Ausnahme nach § 12 der Tier-LMHV sowohl auf Schweine hin erweitert werden solle als auch auf Rinder und Schweine, die nur saisonal im Freien gehalten werden. Denn bisher gilt der §12 nur für Rinder, die ganzjährig im Freien leben.
Weiterführende Forderungen waren als Reaktion auf den Vorstoß aus Bayern relativ schnell zu hören. So sollte die Hof- und Weidetötung mit geregelten Vorgaben langfristig – wie bei unseren Schweizer Nachbarn – in die Regelschlachtung überführt werden. Ob diese Bundesratsempfehlung allerdings in eine Veränderung der Gesetzgebung münden kann, das wird wesentlich vom Engagement der an der Hof- und Weidetötung interessierten Verbände und Gruppen abhängen.
Erst kürzlich hat sich auch die EU-Kommission bewegt und mit einer Delegierten Akte erstmals einen Entwurf für einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Weide- und Hoftötung vorgelegt. Künftig sollen bis zu drei Rinder, sechs Schweine und drei Einhufer im Haltungsbetrieb geschlachtet werden dürfen. Für die Genehmigung legt sie fest,
dass die Schlachtung in einer mobilen Einheit  erfolgen muss, die Teil eines EU-zugelassenen Schlachthofes ist,
  • dass der amtliche Tierarzt anwesend sein muss,
  • dass die Transportzeit bis zu zwei Stunden betragen darf und
  • dass die Tiere auch in der Schlachteinheit ausgenommen werden dürfen. 
Dieser Ansatz ist zu begrüßen, jedoch sollte bei der Umsetzung in Deutschland darauf geachtet werden, dass wirklich mehr Tiere auf diese stressarme Weise geschlachtet werden können. Mit dem Inkrafttreten der Delegierten Akte im April 2021 werden die bisherigen in Deutschland geltenden Regeln für die Weideschlachtung und die teilmobile Schlachtung außer Kraft treten.

Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen im Magazin Fleischwirtschaft.

 
Facebook-Gruppe
Im Juni 2020 hat die BBZ gemeinsam mit dem BLHV die Facebook-Gruppe „Mobile Schlachtung” gegründet. Dort können sich Landwirtinnen und Landwirte zur Hof- und Weidetötung austauschen. Zudem werden immer wieder interessante Beiträge zum Thema verlinkt.