Ein Überblick: Weide- und Hoftötung
- Die Weidetötung – auch „Kugelschuss auf Weide” genannt – kann nur für Rinder angewandt werden, die ganzjährig im Freien leben. Sie ist auf Basis von § 12 Tierische Lebensmittelhygieneverordnung eine Ausnahme von der Regelschlachtung und muss durch die Behörde genehmigt werden. Für die Betäubung/Tötung trägt der Landwirt die Verantworung. Die weiteren Prozessschritte erfolgen in einer EU-zugelassenen Schlachtstätte. Das Transportfahrzeug muss nicht Teil der EU-zugelassenen Schlachtstätte sein.
- Die Hoftötung – auch teilmobile Schlachtung genannt – erfolgt als gewerbliche Schlachtung unter Einhaltung aller dafür gültigen Rechtsvorschriften. Das Betäuben/Töten wird vom Schlachtunternehmer übernommen. Dieser kommt mit einem Schlachthänger, der Teil seiner EU-zugelassenen Schlachtstätte ist, auf den Hof. Im Gegensatz zur Weidetötung muss das Rind zur Betäubung fixiert werden. Das Töten durch Blutentzug findet im Schlachtanhänger statt. Die weiteren Prozessschritte erfolgen, wie bei der Weidetötung, in der stationären und EU-zugelassenen Schlachtstätte.
- Die vollmobile Schlachtung: Der Schlachtunternehmer kommt auf den Hof mit einem eigenständig EU-zugelassenen Schlachthänger. Dort findet der gesamte Schlachtprozess statt bis zur Zerlegung in Hälften und Kühlung.
Die Firma Innovative Schlachtsysteme (ISS) hat den T-Trailer auf dem Markt, der kostengünstig überwiegend Betriebe mit Weidetötung bedient. Das Rind wird nach dem Schuss per Seilwinde in den Anhänger gezogen oder per Frontlader über die herausnehmbare Seitenbordwand auf den Schragen gelegt, mit dem es am Schlachtbetrieb einfach entladen werden kann. Nun ist auch ein geschlossener Trailer für die Hoftötung mit Bolzenschussbetäubung in der letzten Phase der Fertigstellung, sodass auch hier das Entbluten im Stehen ermöglicht wird.
Die Operationelle Gruppe „Extrawurst” hat in Hessen im Rahmen eines Projektes der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) eine andere Variante teilmobiler Schlachtung entwickelt – siehe Fotozyklus. Schwerpunkt war die möglichst stressarme Separierung des Rindes von der Herde. Dazu wurde eine Fixiereinrichtung der Firma Patura verwendet, die auch Behandlungen der Tiere ermöglicht. Die Fixierung ist den Rindern daher bereits vertraut. Zudem bleibt der Blickkontakt zur Herde durch die seitliche Aufstellung erhalten. Nach dem Betäuben fällt das Tier aus dem Fixierstand und wird mit einem hängerseitigen Kettenzug in den Anhänger gezogen. Dort wird entblutet. Am Schlachtbetrieb angekommen, wird der Kettenzug benutzt, um das getötete Tier anzuheben und auf einen fahrbaren Schragen zu befördern. Damit kann der Schlachtkörper auch unter räumlich beengten Bedingungen in den eigentlichen Schlachtraum transportiert werden.
Die IG Schlachtung mit Achtung aus Baden-Württemberg hat eine mobile Schlachteinheit gebaut, die es ebenfalls ermöglicht, die Tötung in einem geschlossenen Raum vorzunehmen. Das Rind wird separiert und mit Futter an eine Fixiereinheit gelockt. Diese steht auf einer Metallplatte und ist mit dem Hänger verbunden. Sofort nach dem Betäubung durch Bolzenschuss wird das Rind in der Fixiereinheit liegend durch Blutentzug getötet. Auch hier ist das Schlachtmobil zum Zeitpunkt der Tötung geschlossen.
Die Investition in Schlachtanhänger und Fixiereinrichtung können je nach Verfahren zwischen 18000 und 100000 Euro liegen. Das lohnt sich für Einzelbetriebe nur, wenn diese mindestens ein bis zwei Rinder pro Woche schlachten. Betriebe mit nur wenigen Schlachtungen pro Jahr benötigen eine überbetriebliche Lösung.
Obwohl in Hessen ein abgestimmter und auch juristisch überprüfter Weg für die Genehmigung einer teilmobilen Schlachtung gegangen wurde, steht die Vermutung im Raum, dass bei vielen Zulassungsbehörden wenig Bereitschaft besteht, dieses Verfahren auch praxisnah zu ermöglichen. Insellösungen gibt es dort, wo die Entscheidungsstrukturen für die EU-Zulassung kleiner Schlachtbetriebe noch auf kommunaler Ebene geblieben sind – also die Kreisveterinäre zuständig sind. Das ist zum Beispiel in Baden-Württemberg der Fall. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass bundesweite Regeln festgelegt werden, wie es zum Beispiel die Schweiz im Juli 2020 getan hat.
Bayern hat im Februar 2020 einen ersten Vorstoß gewagt, und der Bundesrat hat im Juni 2020 durch Beschluss eine Erweiterung der tierschutzgerechten Weidetötung gefordert. Darin wird betont, dass mobile und teilmobile Schlachteinheiten Unterstützung finden sollen, dass die Ausnahme nach § 12 der Tier-LMHV sowohl auf Schweine hin erweitert werden solle als auch auf Rinder und Schweine, die nur saisonal im Freien gehalten werden. Denn bisher gilt der §12 nur für Rinder, die ganzjährig im Freien leben.
Weiterführende Forderungen waren als Reaktion auf den Vorstoß aus Bayern relativ schnell zu hören. So sollte die Hof- und Weidetötung mit geregelten Vorgaben langfristig – wie bei unseren Schweizer Nachbarn – in die Regelschlachtung überführt werden. Ob diese Bundesratsempfehlung allerdings in eine Veränderung der Gesetzgebung münden kann, das wird wesentlich vom Engagement der an der Hof- und Weidetötung interessierten Verbände und Gruppen abhängen.
Erst kürzlich hat sich auch die EU-Kommission bewegt und mit einer Delegierten Akte erstmals einen Entwurf für einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Weide- und Hoftötung vorgelegt. Künftig sollen bis zu drei Rinder, sechs Schweine und drei Einhufer im Haltungsbetrieb geschlachtet werden dürfen. Für die Genehmigung legt sie fest,
dass die Schlachtung in einer mobilen Einheit erfolgen muss, die Teil eines EU-zugelassenen Schlachthofes ist,
- dass der amtliche Tierarzt anwesend sein muss,
- dass die Transportzeit bis zu zwei Stunden betragen darf und
- dass die Tiere auch in der Schlachteinheit ausgenommen werden dürfen.