Betrieb und Wirtschaft | 28. Januar 2021

Ein Markt unter Schock

Von René Bossert
Auf die Bedrohung des Streuobstanbaus durch den Preiseinbruch bei Bio-Mostobst wurde vergangene Woche bei einer Pressekonferenz hingewiesen.
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Martin Hahn hatte zu der virtuellen Veranstaltung eingeladen. Er wollte auf  das Problem aufmerksam machen und die  Beteiligten der Wertschöpfungskette wachrütteln. Keltereien und der Lebensmittel-Einzelhandel  hätten eine Verantwortung und sollten nach Hahns Ansicht eine faire Vergütung ermöglichen. 
Landwirt Hubert Einholz aus Salem-Neufrach berichtete, wie sein bisheriger Mostobst-Abnehmer mit ihm umspringt. Die Kelterei Widemann in Bermatingen-Ahausen habe für die Ernte 2020 den vertraglich fixierten Abnahmepreis   nicht bezahlt und ihm nun einen  Vertrag für die Ernte 2021 unterbreitet. „Die Kelterei kann mit uns machen, was sie will”, so fasste Einholz den Inhalt des neuen Vertrages zusammen. Es gebe  nun keine Preisgarantie mehr, 14 Euro/dt werden in Aussicht gestellt.  Einholz weiß noch nicht, ob er  unterschreibt. 
40 Prozent der deutschen Bio-Streuobstbestände stehen im Südwesten.

Klaus Widemann, Geschäftsführer der gleichnamigen Kelterei, erinnerte an die Absatzgarantie und  attraktive Preise, die  jahrelang  galten. Die Marktsituation im Herbst 2020 beschrieb er als einen Schock, weil erhebliche zusätzliche Mengen Bio-Mostobst aus Polen und Südtirol den Markt belastet hätten. So habe er sich gezwungen gesehen,  sämtliche Verträge mit seinen Bauern zu kündigen. Konventioneller Apfelsaft lasse sich im Moment besser verkaufen als Bio-Saft.

Lidl macht Druck
Erhebliche Kritik an der Kündigung der Verträge übte Markus Rösler, Vorsitzender des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst und Grünen-Landtagsabgeordneter. Er sagte, dass nur  Widemann und die Kelterei Dreher in Stockach  gekündigt hätten, keine anderen Keltereien im Land. „Aber wenn Dreher und Widemann als die zwei größten Abnehmer im Land sich einig sind, dann folgen die anderen mit den Preisen nach”, sagte Rösler.
Nach Kenntnis von Rösler  versucht derzeit Lidl mit erheblichem Druck, die Preise für Bio-Säfte nach unten zu bringen.  Rösler wies  darauf hin, dass das wachsende Bio-Plantagenobst dem Absatz von Bio-Streuobst zu schaffen mache. Am Bodensee seien neue Bio-Plantagenflächen dazugekommen. Aus Naturschutzsicht seien Streuobst-Hochstämme die eigentlich interessanten Bestände, egal ob sie konventionell oder ökologisch bewirtschaftet würden.
Das Land müsse eine Imagekampagne für Hochstämme machen und in den Bio-Musterregionen stärker auf das Thema Hochstämme setzen, so Rösler. Und man müsse mit dem LEH sprechen, „natürlich eher mit Edeka und Rewe als mit den Discountern.”