Ein Holzhochhaus in Straßburg setzt Maßstäbe
Keller und Erdgeschoss wurden jeweils konventionell erstellt, überwiegend aus Stahlbeton. Was jetzt darauf aufgebaut wird, besteht aus Brettsperrholz. Einzelhölzer werden zu Lagen verleimt – jede Lage über Kreuz mit den anschließenden. Die fertigen Elemente haben ausgesägte Öffnungen für die Fenster und Balkontüren. Sie können aber auch zu robusten Balken geformt sein. Die Seitenwandelemente haben drei Schichten, die Deckenteile fünf. Deren maximale Länge beträgt bei diesem Bau 6,30 m, die Breite 2,60 m.
Während gebaut wird, werden die Teile je nach Baufortschritt täglich aus der Steiermark von dem Holzverarbeitungsunternehmen KLH Massivholz GmbH (Kreuz-Lagen- Holz) angeliefert. Zusammen mit dem österreichischen Sägewerksbetrieb war 2013 ein französisches Baukonsortium aus der Immobiliengesellschaft Bouygues und der Baufirma Eiffage als Sieger aus einem öffentlichen Wettbewerb hervorgegangen, ausgeschrieben von der Stadt Straßburg als Bauherr.
„In Frankreich ist es derzeit Mode, in Holz zu bauen”, erklärte dazu Thomas Steuerwald, Statiker des Bauleitungsbüros Ingénerie Bois aus Bischheim bei Straßburg. Gemäß einer staatlichen Planungsinitiative wurde festgelegt, dass ein bestimmter Anteil von neuen Häusern in Holzbauweise erstellt werden muss. Eine sinnvolle Verwertung des nachwachsenden Rohstoffes Holz, die damit verbundene CO2-Bindung und die Errichtung eines mehrstöckigen Niedrigenergiehauses sollten Maßstäbe setzen. Für eine Wohnfläche von 9605 m2 werden über 3200 m3 Holz verwendet. Es wurden bewusst neue Wege beschritten. Drei Jahre gingen ins Land, bis jedes einzelne KLH-Element mit seinen Maßen, seiner Formung und seinen Aussparungen elektronisch entworfen war. Die Fertigung ist rechnergesteuert.
Mehr als 70 Prozent von ihnen sind bereits verkauft. Das Einsparpotenzial bei Heizenergie war ein wichtiges Verkaufsargument, ebenso auch die ausgleichende Wirkung des Holzes für das Raumklima. Bei der Gebäudekonstruktion wurde das Thema Schall mit Sorgfalt behandelt. Für dessen Übertragung ist der Baustoff Holz anfällig. Fugenbänder dämpfen zwischen den KLH-Elementen ab. Hinzu kommt die Modulbauweise: Jede Wohnung bildet eine Einheit in sich, mit wenig gemeinsamen Elementen zur Nachbarwohnung. Zusätzlich werden die Innenräume mit einer Schalldämmschicht ausgestattet, die mit Gipskartonplatten abschließt, insgesamt 10 cm stark. Die Stärke der KLH-Holzwände beträgt 14 cm.
Der Brandschutz ist ein weiterer wichtiger Aspekt – insbesondere in der menschlichen Psychologie: Laut Steuerwald zeigen Versuche, dass Holz gegenüber Flammen viel Widerstandskraft aufweist: Es führt die Hitze nicht ab, außerdem brennen die verkohlten Oberflächen nur schwer und kalkulierbar weiter. Zusammen mit den Gipsbetonplatten ist gewährleistet, dass die dreischichtigen KLH-Elemente unter Flammeneinfluss mindestens 60 Minuten ihre Stabilität bewahren können (R 60). Die fünfschichtigen Deckenelemente (26 cm) haben auch ohne Dämmlatten mindestens R-60-Status. Auch dem Einfluss von Feuchtigkeit oder plötzlichem Wassereinbruch musste vorgebeugt werden: Auffangfolien gewährleisten, dass schnell sichtbar wird, wenn etwas undicht ist und Wasser eindringt. Außerdem sind Zwangsableitungen eingerichtet. An der Außenseite werden die KLH-Elemente durch eine Blechhaut mit Dampfsperre vor der Niederschlagseinwirkung geschützt sein.
Viel Beachtung fand bei dem Neubauprojekt die Erdbebensicherheit. Laut Pflichtenheft muss der Bau ein Beben der Stärke 4 bis 5 überstehen. „Die Beanspruchung daraus übersteigt die Windlasten um ein Vielfaches”, so Thomas Steuerwald. Die Stabilität der drei Hochhaustürme wird durch das Zusammenspiel der Brettsperrholzplatten und eines internen Gitterwerks aus senkrechten und waagrechten Balken gewährleistet, die gründlich miteinander verschraubt sind. Für den Statiker wäre es einfacher, wenn jedes der Hochhäuser einen massiven Betonkern hätte. Aber sogar die Schächte für das Treppenhaus und auch die beiden Schächte für die Aufzüge werden aus Holz sein. „Das ist eine Neuheit für ein Haus mit dieser Höhe”, betonte der Ingenieur. Gleichzeitig war das auch ein ausdrücklicher Wunsch des Bauherrn, er wollte die Möglichkeiten des Holzbaus ausreizen. Dadurch werden die Kosten des Hochhauses nach Angaben der Stadt Straßburg 15 bis 20 Prozent über denen eines vergleichbaren Projektes in Stahlbetonbauweise liegen. Dafür wurde technische Pionierleistung erbracht. Wesentlich zukunftsträchtiger ist nach Ansicht von Steuerwald trotzdem der Hybridbau, eine Vermischung verschiedener Baumaterialien, die deren typische Stärken bewusst miteinbezieht.
Nach den bisherigen Erfahrungen an der Baustelle steht dennoch fest: Der Einsatz von Brettsperrhölzern kann wesentlich zur Verkürzung der Bauzeit beitragen. Außerdem ist der Baustoff trocken, die Baustelle ebenso.
Weltweit sind Holzhochhäuser in vielen Städten geplant oder bereits realisiert. 2019 wird im südfranzösischen Bordeaux mit dem Bau von zwei rund 60 m hohen Holzhochhäusern begonnen, die 17 Etagen haben werden. In der gleichen Bauweise wird in Wien schon Ende 2018 ein 24-stöckiges Hochhaus fertig sein, das dann 84 m hoch sein wird.