Betrieb und Wirtschaft | 14. Juni 2018

Durchschnittliche Getreideeernte im Südwesten erwartet

Von Donat Singler
Die anstehende Getreideernte im Südwesten stellt jeden Krimi in den Schatten: Allein das Wetter der letzten drei Monate bot Spannung satt. Hinzu kommen politische Umbrüche in der EU, im transatlantischen Verhältnis und der schwankende Eurokurs. All dies zusammen stabilisiert die Getreidepreise.
Ex Ernte soll vertragsfreie Ware mindestens genauso viel kosten wie zur gleichen Zeit 2017, ergab die BBZ-Umfrage bei Getreideerfassern im Land.
In der Flächenstatistik von Bund und Land gab es zur anstehenden Ernte einige deutliche Veränderungen (siehe Tabelle). Den stärksten Zuwachs verbucht die Sommergerste. Ihre Anbaufläche stieg bundesweit um mehr als ein Viertel. Selbst in Baden-Württemberg scheint der jahrelange Rückgang gestoppt, bestätigt der Handel. Der bundesweit zweistellige Flächengewinn geht auf das Konto Norddeutschlands. Dort war die Sommergerste eine Verlegenheitskultur. Die Saat der Winterfuttergerste war im Herbst 2017 nässebedingt ins Wasser gefallen.
Ab Mitte der kommenden Woche dürften im Rheintal die ersten Mähdrescher rollen.
 Ob das zu einer Braugerstenschwemme im Sommer führt, darüber sind sich die Erfasser nicht einig. Bleibt der Preisabstand zwischen Futter- und Braugerste groß, könnte das Angebot durchaus wachsen, weil norddeutsche Sommergerste auch als Brauware vermarktet wird.
Aufnahmefähig
Für die Sommergerste gilt der Markt im Südwesten als gut aufnahmefähig. Bereits die Vorvertragspreise signalisierten das Interesse der Mälzer. Die (Sommer-)Braugerste ist deshalb die einzige Kultur mit einem nennenswerten Umfang an Vorvertragsabschlüssen. Die Vorvertragspreise lagen großteils in einer Spanne von 170 bis 190 Euro je Tonne (Euro/t), netto, frei Gosse Landhandel. Die Preise unterscheiden sich je nach Vertragszeitpunkt, Erfasser und Anlieferungsort. Für vertragsfreie Ware in der Ernte wird das Preisniveau im Vergleich zum Vorjahr als stabil oder leicht höher gesehen.
Die Wintergerstenfläche verbucht im Land einen leichten Rückgang. Dass der Rückgang gemessen an der rückläufigen Schweinehaltung nicht stärker ausfällt, dürfte daran liegen, dass der Handel teilweise den Landwirten empfahl, auch Winterbraugerste anzubauen. Von den ordentlichen Vorvertragspreisen für Sommerbraugerste hat auch  die Winterform profitiert. Bei der Winterfuttergerste wurden teilweise Vorvertragspreise um die 130 Euro/t genannt.
Über die möglichen Qualitäten der Getreideernte insgesamt äußert sich der Agrarhandel vorsichtig. Da wird dem Wetter bis zur Ernte noch ein wesentlicher Einfluss zugesprochen. Zwar kam das Wintergetreide gut durch die kalte Jahreszeit, doch die beiden warmen und trockenen Monate April und Mai bleiben nicht folgenlos. Vor allem beim Sommergetreide und auf den leichten Standorten wird das zu spüren sein.
So erwarten die Erfasser in Hohenlohe, Nordbaden und am Bodensee teils trockenheitsgeschädigte Bestände. Im Rheingraben dagegen stehe das Getreide „gut bis sehr gut”. In den mittleren und späteren Gebieten litt die Bestockung des Wintergetreides unter der beschleunigten Entwicklung. Die Zahl ährentragender Halme ist begrenzt. Deshalb rechnete der Handel zum Stand Mitte vergangener Woche insgesamt mit einer durchschnittlichen Getreideernte in Baden-Württemberg. International sei der Marktdruck geringer als in anderen Jahren. Deshalb werden in der Ernte keine niedrigeren Preise für Getreide erwartet als im vergangenen Jahr.
Die Winterweizenfläche im Land schrumpft weiter. Allerdings ist der Rückgang im bundesweiten Vergleich geringer. Der Agrarhandel im Land bestätigt die vorläufigen Zahlen des Statistischen Landesamts teilweise. Eine gewisse Unsicherheit in der Flächenentwicklung sehen die Kaufleute in Verbindung mit der Begrünung beziehungsweise mit dem teils gut gelaufenen Verkauf von Blühmischungen. Die Flächenverluste des Weizens kamen unter anderem den Zuckerrüben, der Sommergerste und dem Raps zugute.
Die Winterweizenbestände machten Mitte vergangener Woche landesweit noch einen überwiegend guten Eindruck, vor allem auf tiefgründigen Böden. „Die Feldbestände sind besser als im letzten Jahr”, sagte ein Getreidekäufer aus dem Badischen. Die Vorvertragspreise reichten beim A-Weizen von 150 bis 160 Euro/t, netto, ex Ernte, frei Gosse Landhandel. Bei Erfassern mit „Wasseranschluss” gilt der untere Wert für das Landlager, der obere für den Wasserplatz.
Allerdings sind Vorverträge für Winterweizen zur Ernte 2018 nicht zahlreich. Dazu waren den Landwirten die Angebote ihrer Handelspartner nicht interessant genug. Das ist kein Wunder. Der Markt war lange Zeit vom Überfluss geprägt.
Bei  Hafer und Roggen gibt es durchaus einen Markt für südwestdeutsche Qualitätsware, aber gerade die Qualität ist der Knackpunkt im Verkauf. Denn immer mal wieder macht das Wetter kurz vor oder während der Ernte den Produzenten einen Strich durch die Rechnung. Für Hafer wurden vereinzelt Vorvertragspreise von 140 bis 150 Euro/t, netto, genannt. Die Aussichten für die Preise vertragsfreier Ware in der Ernte waren nicht einheitlich: entweder stabil oder leicht höher.
Roggen auf dem Niveau von B-Weizen
Beim Roggen gab es keine Angaben zu Vorvertragspreisen. Bei dem Brotgetreide gilt die Aufmerksamkeit dem möglichen Besatz mit Mutterkorn. Preislich sollte Roggen auf dem Niveau von B-Weizen liegen, erklärt der Handel. Das entsprach Mitte vergangener Woche am Oberrhein einem Erzeugerpreis von 150 Euro/t. Der Wert sei im Verkauf der Ernte 2018 bisher nicht zu erzielen, hieß es.
Die rote Laterne  trägt der Raps:  Zwar stieg die Fläche landesweit, doch die Ölsaat macht häufig einen schlechten Eindruck. Als Problem im Anbau gilt dieses Jahr die Raps-Stängel-Lähme. Die Krankheit hemmt den Schotenansatz und die Bestockung. „Dem Raps fehlt die Neonicotinoid-Beize”, erklärten die Befragten übereinstimmend. Weniger Schoten bedeuten weniger Ertrag.
Der Deutsche Raiffeisenverband erwartete Anfang Juni in Deutschland nur noch 4,0 (2017: 4,3) Mio. Tonnen. Im März hatte der Verband noch mit 4,7 Mio. Tonnen gerechnet. Auch in der EU  sinken die Ertragserwartungen. In der jüngsten Schätzung von Ende Mai nahm die EU-Kommission ihre Schätzung um rund 0,9 Mio. Tonnen auf 21,7 Mio. Tonnen zurück.
Die Vorvertragspreise für Raps waren in den vergangenen Monaten im Land alles andere als berauschend mit 330 bis 350 Euro/t, netto, frei Gosse Landhandel. Der obere Wert wurde bereits zur Saat im Sommer letzten Jahres erzielt. Seither standen die Notierungen unter Druck, ausgelöst durch Biodiesel-Billigeinfuhren aus Argentinien und Indonesien. Die EU hat jüngst ihre Zölle für Import- Biodiesel angehoben. Das hat die Preise befestigt. Gleichzeitig ist der Markt von attraktiven Erzeugerpreisen noch weit entfernt.