Verlässlich und stärkend – auch in der Krise
„Kerstin, hilfst du mir?” So klingt es gleich aus zwei Mündern bei Kerstin Rohrwasser, die seit dem 15. Februar bei Familie Seidler/Braun in Bottenau im Einsatz ist. Sandra Seidler erwartet ihr drittes Kind und hat eine Risikoschwangerschaft. Sie ist froh um die Unterstützung der Dorfhelferin. Gerade in Zeiten der Corona-Krise müssen die Kinder zu Hause beschäftigt werden. Tochter Valska, sieben Jahre, und Sohn Mirko, fünf Jahre, genießen die Aufmerksamkeit. Da gibt es für Kerstin Rohrwasser mehr zu tun als nur den Haushalt zu versorgen, da heißt es Hausaufgabenbetreuung, Spielen, mit den Kindern kochen, die sich dafür immer gerne neue Rezepte ausdenken, und im Winzerhof, der auch Ferienwohnungen, Zwetschgen, Kirschen und Schnapsbrennerei umfasst, mithelfen. So steht sie auch mal im Weinberg, aber für sie kein Problem, denn ihre Eltern und ebenso ihr Mann haben Reben.
So macht es ebenfalls Elisabeth Bühler. Die Dorfhelferin ist seit Ende März bei Familie Göppert in Schuttertal-Schweighausen. Auch sie trägt keinen Mundschutz bei der Arbeit, das wünschte sich die Familie so. Der Vater der Familie ist voll berufstätig, und im Nebenerwerb haben sie Hühner, Schafe und Wald. Hund, Pferd und Garten runden die Arbeit auf dem Hof ab. Dies alles alleine zu stemmen und gleichzeitig ihre Kinder, sechs und acht Jahre alt, zu betreuen, wäre in der jetzigen Situation für Angela Göppert schwierig. „Ich bin an meine Grenzen gestoßen”, betont sie. Sie hat Brustkrebs und muss mehrmals zu Chemotherapie. Zwar vertrage sie die Chemo relativ gut, aber es gibt doch Tage mit Schwächen. Jetzt allein zu sein, wäre sehr schwierig für sie. Sie ist sehr erleichtert, dass die Dorfhelferin da ist. „Die Chemie stimmt zwischen uns”, dafür ist sie dankbar. Sie versteht die Familien, die Angst haben, dass eine fremde Frau gerade in Zeiten von Corona nach Hause kommt. Aber, so Angela Göppert, die Helferinnen haben alles im Griff: „Sie sind gut geschult.” Das heißt aber nicht, dass sie den Virus unterschätzt.
Elisabeth Bühler kommt dreimal in der Woche für sechs Stunden. Die Termine werden so gelegt, dass sie da ist, wenn Angela Göppert Chemo hat, und auch am Tag danach. „Ich begleite die Familie ein Stück”, unterstreicht die Helferin. Sie nimmt an deren Leben teil. So kamen erst letzthin Zwillingsschafe auf die Welt, Tomaten wurden im Garten gesetzt, viel gespielt, aber auch Gespräche geführt. Es geht nicht nur darum, den Haushalt zu machen, frau wird Teil der Familie.
Elisabet Bühler bewundert Angela Göppert. „Sie ist so positiv, so fröhlich, so lebendig und stark”, beschreibt sie die Mutter. Von Anfang an hatte sie einen guten Draht zu ihr. Sie haben viele gemeinsame Anknüpfungspunkte, Interessen und lieben die gleichen Dinge. Es passt einfach. Elisabeth Bühler ist froh, hier helfen zu können. Dafür und für das Kennenlernen so vieler unterschiedlicher Familien liebt sie ihren Beruf über alles.
Elisabeth Groß vom Dorfhelferinnenwerk Sölden hört immer wieder Sorgen von Familien: „Corona ist eine große Herausforderung für uns. Viele Einsätze wurden abgesagt, weil Familien keinen ,Fremden‘ mehr im Haus haben wollen. Es wurden einige Einsätze abgesagt, weil Familien durch ihre Erkrankung immungeschwächt sind und so das Risiko, an Corona zu erkranken, deutlich größer ist. Andere Einsätze kamen nicht zustande, da OP-Termine abgesagt wurden beziehungsweise der Reha-Termin sich verschiebt. Auch durch Kurzarbeit von Familienangehörigen gibt es spontan Änderungen oder Absagen, denn wenn die Väter wegen Kurzarbeit zu Hause sind, wird seitens der Krankenkasse kein Einsatz bewilligt.”
Aber auch die eigenen Mitarbeiterinnen des Werks sind teilweise eingeschränkt verfügbar. Eigene Kinder müssen betreut werden. Andere Mitarbeiterinnen zählen zu einer Risikogruppe und können unter Umständen nicht eingesetzt werden. Manche standen oder stehen unter Quarantäne, weil sie selbst oder Familienangehörige Kontakt zu Corona-Infizierten hatten.
Was natürlich schade ist, ist, dass die Dienstbesprechungen im Moment kaum möglich sind. Dabei ist gerade der Austausch untereinander wichtig, betont Groß. Sie sieht den Einsatz der Dorfhelferinnen als besonders systemrelevant. Denn sie sorgen dafür, dass Kinder im gewohnten Umfeld zu Hause bleiben können, dass überlastete familiäre Situationen sich entspannen, dass ein drohender stationärer Aufenthalt vermieden werden kann, und sie dort sind, wo es am meisten brennt, sei es nun bei Risikoschwangerschaften, akuten körperlichen und psychischen Erkrankungen oder Entbindungen.
Leider müsse sich das Dorfhelferinnenwerk immer wieder rechtfertigen, dass sie in der Corona-Krise noch arbeiten. Dazu hat Elisabeth Groß einen Brief an Mitarbeiterinnen und Einsatzleitungen geschrieben: „Gerne möchte ich noch einmal versichern: Wir haben jede Einzelne von Ihnen im Blick. Wir respektieren Ihre so unterschiedlichen Situationen und bemühen uns, Lösungen zu finden, die für Sie und auch für uns passen. Jeder Einzelnen von Ihnen ist abverlangt, dass Sie eine eigene Haltung zu Ihrer Arbeit in dieser Krisenzeit findet. Unsere Haltung als Einrichtung der Caritas kann ich in ein paar unvollständigen Stichworten so umschreiben: in Krisensituationen verlässlich dableiben in Verantwortung für andere und für sich selbst – heilend und stärkend handeln – Hoffnung verbreiten, statt der Angst die Herrschaft zu überlassen – Gottes Liebe zu jedem Menschen in der Liebe und Zuwendung zu anderen spürbar werden lassen.”