Land und Leute | 04. Juni 2020

Verlässlich und stärkend – auch in der Krise

Von Michaela Bross
Mit ganzem Herzen sind die beiden Dorfhelferinnen Elisabeth Bühler und Kerstin Rohrwasser im Einsatz. Doch wie beeinflusst die Corona-Krise ihre Arbeit? Vor welchen Herausforderungen stehen sie und auch die Einsatzfamilien?
Nicht nur den Haushalt müssen in Zeiten von Corona die Dorfhelferinnen meistern. Die Kinder beschäftigen, sei es mit Spielen wie hier Kerstin Rohrwasser mit Mirko und Valska Braun, ist genauso wichtig.
Ein kleines Stück heile Welt inmitten von Corona, inmitten immer größeren Herausforderungen, anderen Krankheiten und Ängsten, so ließe sich die Arbeit von Dorfhelferinnen aktuell bezeichnen. Mit Leidenschaft, Optimismus, Courage und Freude gehen die Frauen ihrer Arbeit nach. Immer ein freundliches Wort, gut gelaunt und mit viel Elan, so kennen die Familien, bei denen sie im Einsatz sind, die Helferinnen. Es ist mehr als nur Hilfe, es ist ein Stück Lebensqualität. Aus manchem Einsatz entstehen Freundschaften, man ist auf der gleichen Wellenlänge und kann sich einfach „gut riechen”.
„Kerstin, hilfst du mir?” So klingt es gleich aus zwei Mündern bei Kerstin Rohrwasser, die seit dem 15. Februar bei Familie Seidler/Braun in Bottenau im Einsatz ist. Sandra Seidler erwartet ihr drittes Kind und hat eine Risikoschwangerschaft. Sie ist froh um die Unterstützung der Dorfhelferin. Gerade in Zeiten der Corona-Krise müssen die Kinder zu Hause beschäftigt werden. Tochter Valska, sieben Jahre,  und Sohn Mirko, fünf Jahre, genießen die Aufmerksamkeit. Da gibt es für Kerstin Rohrwasser mehr zu tun als nur den Haushalt zu versorgen, da heißt es Hausaufgabenbetreuung, Spielen, mit den Kindern kochen, die sich dafür immer gerne neue Rezepte ausdenken, und im Winzerhof, der auch Ferienwohnungen, Zwetschgen, Kirschen und Schnapsbrennerei umfasst, mithelfen. So steht sie auch mal im Weinberg, aber für sie kein Problem, denn ihre Eltern und ebenso ihr Mann haben Reben.

Immer wieder Neues lernen
Erst seit Januar ist sie Dorfhelferin, davor war sie in der Gastronomie tätig, hat aber ursprünglich Hauswirtschafterin gelernt. Sie selbst sagt: „Das Schöne an diesem Beruf ist, dass wir immer flexibel sein müssen und immer wieder etwas Neues lernen. Es ist abwechslungsreich.” Sie schwärmt: „Es ist richtig toll mit den Kolleginnen und auch mit den bisher sehr guten Resonanzen von meinen Einsätzen.” Jetzt hat sie ihren ersten langen Einsatz. Fünf Stunden am Tag ist sie auf dem Hof. So fährt sie jeden Tag von Lauf nach Bottenau bei Oberkirch. Auf den Mundschutz verzichtet sie in der Familie: „Das haben wir so abgesprochen.” Schließlich ist sie schon vor den Beschränkungen in der Familie gewesen. Trotzdem, den Virus nimmt sie nicht auf die leichte Schulter: Händewaschen ist obligatorisch sowie das Einschränken der eigenen sozialen Kontakte.
So macht es ebenfalls Elisabeth Bühler. Die Dorfhelferin ist seit Ende März bei Familie Göppert in Schuttertal-Schweighausen. Auch sie trägt keinen Mundschutz bei der Arbeit, das wünschte sich die Familie so. Der Vater der Familie ist voll berufstätig, und im Nebenerwerb haben sie Hühner, Schafe und Wald. Hund, Pferd und Garten runden die Arbeit auf dem Hof ab. Dies alles alleine zu stemmen und gleichzeitig ihre Kinder, sechs und acht Jahre alt, zu betreuen, wäre in der jetzigen Situation für Angela Göppert schwierig. „Ich bin an meine Grenzen gestoßen”, betont sie. Sie hat Brustkrebs und muss mehrmals zu Chemotherapie. Zwar vertrage sie die Chemo relativ gut, aber es gibt doch Tage mit Schwächen. Jetzt allein zu sein, wäre sehr schwierig für sie. Sie ist sehr erleichtert, dass die Dorfhelferin da ist. „Die Chemie stimmt zwischen uns”, dafür ist sie dankbar. Sie versteht die Familien, die Angst haben, dass eine fremde Frau gerade in Zeiten von Corona nach Hause kommt. Aber, so Angela Göppert, die Helferinnen haben alles im Griff: „Sie sind gut geschult.” Das heißt aber nicht, dass sie den Virus unterschätzt.
Elisabeth Bühler kommt dreimal in der Woche für sechs Stunden. Die Termine werden so gelegt, dass sie da ist, wenn Angela Göppert Chemo hat, und auch am Tag danach. „Ich begleite die Familie ein Stück”, unterstreicht die Helferin. Sie nimmt an deren Leben teil. So kamen erst letzthin Zwillingsschafe auf die Welt, Tomaten wurden im Garten gesetzt, viel gespielt, aber auch Gespräche geführt. Es geht nicht nur darum, den Haushalt zu machen, frau wird Teil der Familie.
Elisabet Bühler bewundert Angela Göppert. „Sie ist so positiv, so fröhlich, so lebendig und stark”, beschreibt sie die Mutter. Von Anfang an hatte sie einen guten Draht zu ihr. Sie haben viele gemeinsame Anknüpfungspunkte, Interessen und lieben die gleichen Dinge. Es passt einfach. Elisabeth Bühler ist froh, hier helfen zu können. Dafür und für das Kennenlernen so vieler unterschiedlicher Familien liebt sie ihren Beruf über alles.
Elisabeth Groß vom Dorfhelferinnenwerk Sölden hört immer wieder Sorgen von Familien: „Corona ist eine große Herausforderung für uns. Viele Einsätze wurden abgesagt, weil Familien keinen ,Fremden‘ mehr im Haus haben wollen. Es wurden einige Einsätze abgesagt, weil Familien durch ihre Erkrankung immungeschwächt sind und so das Risiko, an Corona zu erkranken, deutlich größer ist. Andere Einsätze kamen nicht zustande, da OP-Termine abgesagt wurden beziehungsweise  der Reha-Termin sich verschiebt. Auch durch Kurzarbeit von Familienangehörigen gibt es spontan Änderungen oder Absagen, denn wenn die Väter wegen Kurzarbeit zu Hause sind, wird seitens der Krankenkasse kein Einsatz bewilligt.”
Aber auch die eigenen Mitarbeiterinnen des Werks sind teilweise eingeschränkt verfügbar. Eigene Kinder müssen betreut werden. Andere Mitarbeiterinnen zählen zu einer Risikogruppe und können unter Umständen nicht eingesetzt werden. Manche standen oder stehen unter Quarantäne, weil sie selbst oder Familienangehörige Kontakt zu Corona-Infizierten hatten.
 
Risikoabschätzung
Wichtig, so Elisabeth Groß, sei das Einschätzen des Risikos vor jedem Einsatz. Das muss von beiden Seiten erfolgen. Die Einsatzfamilie muss das Dorfhelferinnenwerk unverzüglich informieren, wenn sie selbst oder jemand in ihrem Umfeld an Corona erkrankt ist. Doppeleinsätze der Mitarbeiterinnen werden grundsätzlich vermieden. Die Mitarbeiterinnen sind geschult auf die angeordneten Sicherheitsvorkehrungen und Hygienevorschriften. Mund-Nase-Schutzmasken hat jede Einsatzkraft. Doch Abstand halten ist leider gerade bei Babys und kleinen Kindern nicht möglich. Es sei herausragend, so Elisabeth Groß, was die Mitarbeiterinnen in der jetzigen Situation in vielen Familien seit Wochen leisten und auffangen. Denn schließlich ist dies zurzeit kein „normaler” Einsatzalltag. Vielmehr müssten die Frauen kreativ sein und sich immer wieder neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die Kinder einfallen lassen. Manche mutiere zur Lehrerin angesichts „Homeschooling”. Aber auch Spazierengehen und draußen spielen ist angesagt, dafür haben die Mitarbeiterinnen eine Arbeitsbescheinigung, wie Groß berichtet.
Was natürlich schade ist, ist, dass die Dienstbesprechungen im Moment kaum möglich sind. Dabei ist gerade der Austausch untereinander wichtig, betont  Groß. Sie sieht den Einsatz der Dorfhelferinnen als besonders systemrelevant. Denn sie sorgen dafür, dass Kinder im gewohnten Umfeld zu Hause bleiben können, dass überlastete familiäre Situationen sich entspannen, dass ein drohender stationärer Aufenthalt vermieden werden kann, und sie dort sind, wo es am meisten brennt, sei es nun bei Risikoschwangerschaften, akuten körperlichen und psychischen Erkrankungen oder Entbindungen.
Leider müsse sich das Dorfhelferinnenwerk immer wieder rechtfertigen, dass sie in der Corona-Krise noch arbeiten. Dazu hat Elisabeth Groß einen Brief an Mitarbeiterinnen und Einsatzleitungen geschrieben: „Gerne möchte ich noch einmal versichern: Wir haben jede Einzelne von Ihnen im Blick. Wir res­pektieren Ihre so unterschiedlichen Situationen und bemühen uns, Lösungen zu finden, die für Sie und auch für uns passen. Jeder Einzelnen von Ihnen ist abverlangt, dass Sie eine eigene Haltung zu Ihrer Arbeit in dieser Krisenzeit findet.  Unsere Haltung als Einrichtung der Caritas kann ich in ein paar unvollständigen Stichworten so umschreiben: in Krisensituationen verlässlich dableiben in Verantwortung für andere und für sich selbst – heilend und stärkend handeln – Hoffnung verbreiten, statt der Angst die Herrschaft zu überlassen – Gottes Liebe zu jedem Menschen in der Liebe und Zuwendung zu anderen spürbar werden lassen.”