Waldwirtschaft | 06. September 2018

Borkenkäfer nehmen auch Weißtannen ins Visier

Von Reinhold John, Forstliche Versuchsanstalt FVA
In einigen Landesteilen Baden-Württembergs häufen sich aktuell Meldungen über den Borkenkäferbefall an Weißtannen. Es handelt sich vor allem um den Krummzähnigen Tannenborkenkäfer (Pityokteines curvidens).
So sehen von Tannenborkenkäfern befallene Alttannen aus.
Auch die nahen Verwandten des Krummzähnigen Tannenborkenkäfers, Pityokteines spinidens und Pityokteines vorontzovi, sind an diesem Geschehen beteiligt. Es gibt auch Hinweise auf das Auftreten des Kleinen Tannenborkenkäfers (Cryphalus piceae).
Der Krummzähnige Tannenborkenkäfer
Der Krummzähnige Tannenborkenkäfer erlebt nach den trockenen Sommern und Herbsten 2015 und 2016 und dem milden Frühwinter 2016 sowie dem heißem Sommer 2018 eine Renaissance. Sein Ruf ist nicht viel besser als der des Buchdruckers. In der Schweiz hat er einmal nach einem Trockenjahr 236000 fm Tannenholz zu Fall gebracht. Ein Jahr nach dem Trockenjahr 2003 waren auch in Baden-Württemberg beachtliche Weißtannenausfälle auf Befall mit dem Tannenborkenkäfer zurückzuführen – 4500 fm. Der Krummzähnige Tannenborkenkäfer befällt bevorzugt die astfreien Stammpartien geschwächter und absterbender, älterer Tannen. Er hat es augenscheinlich auf stärkere Dimensionen abgesehen und wird in Stämmen mit einem Durchmesser unter 16 cm in der Regel nicht gefunden.
Brutbild des Krummzähnigen Tannenborkenkäfers im Detail
Die Art tritt oft alleine auf und ist die häufigste der Pityokteines-Arten. Die Rammelkammer des Käfers liegt oft in der Rinde verborgen und ist nicht deutlich sichtbar. Die Weibchen legen ein für die Art typisches, quer zur Faserrichtung verlaufendes Fraßbild an. Muttergänge werden in einer doppelarmig quer zur Stammachse stehenden H-Form angelegt. Dieses Brutbild wird auch als „Doppelkammer” bezeichnet. Die Puppenwiegen liegen im Splintholz.
Zu den Befallsmerkmalen zählen zahlreiche Harztröpfchen im Stammbereich, braunes Bohrmehl und Puppenwiegen im Splintholz. Der Käfer ist schwarzbraun und zwischen 2,5 und 3 mm lang. Sein erster Absturzzahn zeigt senkrecht nach oben, der zweite Zahn ist hakenförmig nach innen gebogen und damit namensgebend.
Die Flugzeit der Käfer ist von April bis August, dabei sind April und Juli Hauptflugzeiten. Bei warmer Witterung werden zwei Generation im Jahr ausgebildet, in Ausnahmejahren auch drei. Die Überwinterung erfolgt meist in der Rinde oder im Splint von Brutstämmen oder an sogenannten Überwinterungsbäumen in kurzen Gängen, die an perlschnurförmigen Harztropfen zu erkennen sind. Neben den Tannenarten werden in seltenen Fällen auch die Baumarten Fichte, Lärche, Douglasie und Kiefer besiedelt.
Begleitende Schadkäfer
Puppenwiegen des Weißtannenrüsselkäfers
Der Krummzähnige Tannenborkenkäfer wird häufig von zwei Arten der Gattung Pityokteines mit ähnlicher Lebensweise begleitet – P. spinidens und P. vorontzovi. Der Spinidens-Weißtannenborkenkäfer ist häufig mit dem Krummzähnigen im selben Stamm vergesellschaftet, aber selten dominant; er hat ein sternförmiges Brutbild. Allerdings kann auch der Krummzähnige bei Geschwisterbruten ein sternförmiges Brutbild anlegen. Der Mittlere Weißtannenborkenkäfer (Pityokteines vorontzovi) besiedelt vor allem Wipfelstücke und dickere Äste.
Weiterhin weisen befallene Tannen im dickeren Stammbereich neben Borkenkäfern häufig auch einen zusätzlichen Befall durch den Weißtannenrüssler (Pissodes piceae) auf.
Der Kleine Tannenborkenkäfer (Cryphalus piceae) brütet vorzugsweise in dünner Rinde der Kronenregion, gelegentlich befällt er auch Jungwüchse (Kulturen, Naturverjüngungen). Beim Brutbild gehen von platzförmigen Muttergängen die Larvengänge strahlenförmig auseinander. Der dunkelbraune bis schwarze Käfer ist mit einem bis zwei Millimetern Größe sehr klein, er fliegt von März bis August. Die Hauptflugzeiten sind März/April und Juni/Juli. In warmen Jahren werden zwei Generationen ausgebildet. Die Insekten überwintern meist in kurzen Gängen der Rinde von Ästen und Zweigen alter Tannen. Neben der Tanne werden selten auch Kiefer oder Lärche besiedelt. Zunehmend wird die Art auch an Astquirlen der Douglasie gefunden. Starker Harzfluss im Kronenbereich und durch den Reifungsfraß der adulten Käfer verursachte, krebsartige Wucherungen an den Ästen oder Stämmchen von jungen Bäumen sind die typischen Befallsmerkmale.
Tannen jetzt kontrollieren
Die Borkenkäfergefahr an Tannen wird in den nächsten Wochen vermutlich weiter steigen. Dann sinken aufgrund mangelnder Wasserversorgung die Abwehrkräfte stehender Tannen, so dass auch diese von Borkenkäfern und eventuell Tannenrüsselkäfern befallen werden können.
Ab sofort sollten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer ihre Bestände mit Tannenanteilen auf frischen Befall hin kontrollieren. Bei trockener Witterung müssen die Kontrollen in wöchentlichem Abstand erfolgen. Es empfiehlt sich besonders für größere Betriebe, die Käferherde zur Dokumentation in Betriebskarten und Kontrollbücher einzutragen, so dass auch unter Umständen revierfremde Personen im Falle von Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen die Überwachung fortführen und gegebenenfalls Maßnahmen durchführen können.
Für den Umgang mit dem Weißtannenborkenkäfer (Pityokteines-Gruppe) gelten im Grunde dieselben Regeln, nach denen das Buchdrucker-Management abläuft: entdecken, fällen, entrinden oder rasch abfahren. Entrinden sollte man vor der Verpuppung . Auf das frische Ast- und Wipfelmaterial ist zu achten, denn dieses kann durchaus von den beiden Arten Mittlerer und Kleiner Tannenborkenkäfer zu einer erfolgreichen Brut genutzt werden. Im Zweifelsfall muss gehackt werden. Einbohrungen der Pityokteines-Vertreter können am Stamm entdeckt werden. Wie beim Buchdrucker geben Harztropfen und Bohrmehl und Spechteinschläge Hinweise auf einen Befall. Allerdings wird meist deutlich weniger Bohrmehl als beim Buchdrucker produziert.
Schwieriger ist ein Befall mit dem Kleinen Tannenborkenkäfer festzustellen. Dass der Schädling sein Unwesen treibt, wird meist erst entdeckt, wenn die Nadeln im Kronenbereich fahl oder bereits rot werden. Dann ist es, ähnlich wie bei einem Kupferstecherbefall, meist schon zu spät.
Brutmaterial konsequent unschädlich machen
Zu kontrollieren sind:
  • alle stehenden Tannenbestände,
  • nach Schadereignissen, Hiebsmaßnahmen und Pflegeeingriffen liegengebliebenes, bruttaugliches Material und
  • aufgearbeitetes, in der Nähe gefährdeter Bestände lagerndes Nadelholz.
Der Brut- und Brutraumentzug im Rahmen einer sauberen Waldwirtschaft ist die bewährte und effektive Methode zur Vermeidung einer Massenvermehrung. Hier wirken Prophylaxe – der potenzielle Brutraum wird vor der Besiedlung entfernt – und kuratives Handeln – die Brut wird vor Weiterentwicklung oder dem Schlupf vernichtet – eng zusammen. Käferbäume sollen rasch aufgearbeitet und, falls noch keine Käfer vorhanden sind, entrindet oder mindestens 500, besser aber 1000 Meter aus dem Wald herausgebracht werden. Waldresthölzer mit einem Durchmesser von mehr als sieben Zentimetern sollte beispielsweise durch Zerhacken unschädlich gemacht werden. Dies gilt aber nur, wenn sicher ist, dass nur der Krummzähnige Tannenborkenkäfer den Baum befallen hat. In allen anderen Fällen sollte das gesamte Kronenmaterial gehackt werden. Eine Zwischenlagerung eingeschlagener Nadelbäume in reinen Laubbaumbeständen ist möglich. Dort herrschen in der Regel ungünstigere klimatische Bedingungen für eine Entwicklung der Tannenborkenkäfer und die Laubbäume sind durch die reinen Nadelholzschädlinge nicht gefährdet.