„Drusefreiheit ist ein lohnendes Ziel”
Göhring: Seit 2015 beobachten wir eine deutliche Zunahme der Drusefälle in Europa. Das kam wie eine große Welle. Wir nehmen an, dass die Populationsimmunität der Pferde gegen den Erreger abgenommen hat. Vermutlich konnte die Erkrankung in der Vergangenheit durch antibiotische Behandlungen von Jungpferden mit Fieber und Nasenausfluss eingeschränkt werden. Die betroffenen Tiere konnten dadurch allerdings nur eine geringe Immunität aufbauen. Hotspots der Erkrankung gab es allerdings schon vor 2015. Wahrscheinlich wurden fiebrige Erkrankungen mit Nasenausfluss bei mehreren Pferden im selben Zeitraum nicht immer als Druse erkannt.
Wir haben mittlerweile eine wesentlich verbesserte Diagnostik und können durch die Polymerase-Kettenreaktion (PCR-Diagnostik) auch geringe Mengen des Erregers nachweisen. Das war früher mit der Anzüchtung aus eitrigem Nasenausfluss auf Nährmedien deutlich schwieriger. Meist überwucherte der kleine Bruder des Druse-Erregers, Streptococcus equi spp. zooepidemicus, und Strep. equi spp equi wurde nicht gesehen. Inzwischen haben wir auch einen Test auf Antikörper, der relativ sicher sagen kann, ob eine Infektion mit Strep. equi spp. equi in den letzten Wochen bis Monaten stattgefunden hat.
Die Strategie des Erregers besteht im Rückzug innerhalb einzelner Pferde. Diese werden zu sogenannten Langzeitausscheidern, die auch nach Abklingen der Infektion unerkannt monate- oder seltener jahrelang den Druse-Erreger ausscheiden. In diesen Fällen sind die Luftsäcke, die in Verbindung mit dem Rachenraum des Pferdes stehen, diese Rückzugsgebiete. In diese Kategorie fallen aber nur sehr wenige Pferde. Früher haben wir immer gedacht, der Erreger hält sich irgendwo in der Umgebung in Tränkebecken, im Boden oder in Nischen und überdauert dort, bis die nächste Generation Pferde kommt, um dann aufzuleben. Seit etwa der Jahrhundertwende wissen wir, dass der Hauptübertragungsweg des Erregers in einem Pferdestall über diese Langzeitausscheider läuft. Deswegen ist es so wichtig, die Langzeitausscheider zu finden und gezielt zu behandeln, damit die Infektionsketten unterbrochen werden können.
Es trifft nicht nur Ausbildungsställe, sondern auch Ställe, in denen Pferde aus verschiedenen Beständen zusammengeführt werden. Der Pferdehandel zum Beispiel ist eine Risikokategorie. Pensionsställe mit hohem Durchfluss, wo Pferde aus verschiedenen Gründen von einem Stall zum nächsten ziehen, sind häufiger von ansteckenden Atemwegserkrankungen betroffen als Ställe mit einer soliden Dauerbesetzung. Wenn im neuen Stall ein Langzeitausscheider steht und das eigene Pferd hat noch keine Druse gehabt, dann kann es zu einer Ansteckung kommen.
Innerhalb eines akuten Druse-Ausbruchs kann man nicht sagen, ob dieses oder jenes Pferd ein Langzeitausscheider werden wird. Nach Abklingen der Infektionswelle im Betrieb gilt es, diese Tiere zu identifizieren.
Im Luftsack kann sich eitriges Material verfestigen und sogenannte Luftsacksteine bilden. Aus diesen „Steinen” kann man fast immer Druse-Erreger anzüchten. Es gibt aber auch unauffällige Pferde, die nur ein bisschen Schleim im Luftsack haben und dennoch im Nachweis positiv sind. Hier hat sich dann das Bakterium in die Oberfläche vom Luftsack eingenistet.
Im Luftsack befinden sich einige sehr wichtige Strukturen wie Gefäße und Nervenbahnen, die nicht beschädigt werden dürfen. Allerdings sind Eiter oder Luftsacksteine auch sehr irritierend für das Gewebe. Um den Verlauf der Infektion zu verkürzen und um Komplikationen zu verringern, sollten im Verlauf einer Stallinfektion bei Pferden mit Fieber oder Nasenausfluss beide Luftsäcke „gespiegelt” werden. Man kann gleichzeitig eine Probe entnehmen, falls der Luftsack unauffällig ist. Bei Eiter oder Steinen muss erst gespült werden. Sind die Luftsäcke dann soweit sauber oder unauffällig, können weitere Beprobungen auch über eine Rachenspülprobe stattfinden.
Es ist sicherlich kein einfach zu erreichendes Ziel, aber es ist ein wichtiges, sinnvolles und lohnendes Ziel. Das Ziel wird durch systematisches Beproben, gezieltes Behandeln und gezielte Beprobung von Neuzugängen in den Bestand erreicht. Die Populationsimmunität hat sich zwar durch die große Zahl der Fälle sicher in der letzten Zeit wieder deutlich verbessert, aber damit werden Stallinfektionen „auf kleiner Flamme” immer wieder vorkommen, solange nicht flächendeckend geimpft wird und solange nicht konsequent nach Langzeitausscheidern Ausschau gehalten wird.
Immunität ist nicht ein Ja oder Nein, ein Schwarz oder Weiß. Immunität ist hoch während der ersten Wochen nach einer akuten Infektion und schwindet dann in den kommenden Wochen, Monaten, Jahren. Die Qualität und der Umfang einer Immunität sind abhängig vom individuellen Tier und von der Art des Erregers. Dazu kommt ein ganz wichtiger Aspekt bei der Druse sowie bei allen anderen Atemwegserkrankungen: eine geringe Immunität kann wenig Erreger effektiv entgegenhalten. Wird dieses Pferd sehr viel Erreger ausgesetzt, dann wird die Immunität überlastet, bricht ein, und es kann zur aktiven Infektion kommen.
Das ist abhängig von der Herde. Hat eine Herde Antikörper und der Neueinsteller nicht, dann ist es der kleinere Aufwand, das neue Pferd zu impfen. Hat das neue Pferd, das in den Bestand soll Antikörper, und der Bestand ist Druse-frei, dann muss das neue Pferd dreimalig negativ beprobt werden (Luftsack/Rachenraum), bevor es in die Herde darf. Eine Impfung darf nicht bei unbekanntem Antikörper-Titer verabreicht werden. Testen vor der Eingliederung ist immer sinnvoll.
Zurzeit haben wir nur einen zugelassen Impfstoff (Equilis StrepE von MSD Tiergesundheit), dessen Einsatz von der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) nur unter gewissen Umständen angeraten wird. Es wird im Moment an weiteren Impfstoffen geforscht und gearbeitet. Da aber Pferde, Ponys und Esel nur dann geimpft werden sollen, wenn sie sich nicht mit dem Erreger auseinandersetzen, muss man immer noch den Status eines Pferdes vor der Impfung kennen.
In einer idealen Welt hätten wir ein Druse-freies Europa. Dann brauchen wir keine Herdenimmunisierung. Eine flächendeckende Impfung mit einem Impfstoff, wo man die Antikörper geimpfter Pferde von natürlich-infizierten Pferden unterscheiden kann, wäre ein Meilenstein für ein Druse-freies Europa. Die jetzige Druse-Welle seit 2015 ist ein kontinentaleuropäisches Problem einschließlich Großbritannien. Die Pharmaunternehmen sind sich des Problems bewusst und sind bereits mit der Entwicklung von Impfstoffen beschäftigt. Ein Problem bei der Impfung gegen den Druse-Erreger: Grundsätzlich impfen wir erfolgreich gegen ein Virus, aber nur mit mäßiger Effizienz gegen Bakterien.