Um staatliche Eingriffe in die Lieferbeziehungen von Erzeugern und Molkereien wird in der Branche heftig diskutiert. Der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Raiffeisenverband rufen Finanzminister Christian Lindner auf, das Projekt seines Kollegen Cem Özdemir zu stoppen.
Es geht um die Milch: DBV und DRV sind gemeinsam gegen eine Anwendung des Artikels 148 in Deutschland. Andere Organisationen aus der Landwirtschaft sind dafür.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) bleiben bei ihrer Kritik an einer möglichen nationalen Anwendung von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) der EU und den damit verbundenen staatlichen Eingriffen in die Milchlieferbeziehungen. Die beiden Verbandspräsidenten Joachim Rukwied und Franz-Josef Holzenkamp haben an Bundesfinanzminister Christian Lindner appelliert, sich gegen das Vorhaben seines Kabinettskollegen Cem Özdemir zu stellen.
In einem gemeinsamen Schreiben warnen Rukwied und Holzenkamp vor einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand für Milcherzeuger, Molkereien und Behörden. Sie bestreiten die vom Bundeslandwirtschaftsminister erwartete Signalwirkung zur Stärkung der Milcherzeuger in der Lieferkette und warnen davor, das Prinzip der Andienungs- und Abnahmesicherheit auszuhebeln und damit gravierende Folgen für kleinere Milcherzeuger an molkereifernen Standorten in Kauf zu nehmen. Der DBV- und der DRV-Präsident wehren sich schließlich gegen einen unzulässigen Eingriff in die genossenschaftliche Satzungsautonomie, zumal der gegenwärtige Rechtsrahmen vielfältige Möglichkeiten biete, die Liefer- und Eigentümerbeziehungen gemäß den Erwartungen der Mitglieder zu gestalten.
Preisaufschläge in Mehrwertprogrammen
Anstelle einer Umsetzung von Artikel 148 plädieren
Rukwied und Holzenkamp dafür, die Bündelungsobergrenze für
Erzeugergemeinschaften in Artikel 149 GMO über Vertragsbeziehungen im
Sektor Milch und Milcherzeugnisse anzuheben.
Einen guten Ansatz bilde auch der Artikel 210a GMO, dessen
Möglichkeiten umfassend genutzt werden könnten. Dies gelte für die darin
enthaltenen Ausnahmen vom Kartellrecht, um höhere Nachhaltigkeitsziele
zu erreichen.
Ein Beispiel sei die verbindliche Durchsetzung von Preisaufschlägen in
Mehrwertprogrammen. Eine stärkere kartellrechtliche Privilegierung von
Erzeugergemeinschaften und Genossenschaften biete zudem aus ökonomischer
Sicht wirksame Potenziale, die Branche weiterzuentwickeln und die
Erzeugerposition zu stärken.
Unterdessen begrüßten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
(AbL), der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM),
Land-schafft-Verbindung (LsV) Deutschland sowie MEG Milch Board und
European Milk Board (EMB) die Initiative des
Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Umsetzung von Artikel 148. Sie
forderten zugleich Nachbesserungen in dem Verordnungsentwurf. Darin
müsse beispielsweise eine Vertragspflicht enthalten sein. Im Rahmen
einer obligatorischen vertragsgebundenen Milchvermarktung für alle
müssten Verträge vor der Lieferung verpflichtend abgeschlossen werden.
Die Mindestinhalte müssten dabei Regeln zu Preis, Menge und Laufzeiten
sein. Preis und Mengen müssten konkret und bei Vertragsabschluss
bestimmt oder bestimmbar sein.
Die Verordnung zu nutzen, um lediglich eine Angebotspflicht für nur 80
Prozent der Menge zu etablieren, ist für die Verbände nicht akzeptabel.
Dies gilt auch für die geplante Ausnahmeregelung für Genossenschaften.
Eine Anpassung der genossenschaftlichen Lieferbeziehungen als Ersatz für
abzuschließende vertragliche Vereinbarungen sehen die Verbände
kritisch. Viel zu lang sei die vorgeschlagene Evaluierungszeit der
Verordnung von fünf Jahren.