Politik | 11. April 2024

Diskussionen um Artikel 148

Von AgE
Um staatliche Eingriffe in die Lieferbeziehungen von Erzeugern und Molkereien wird in der Branche heftig diskutiert. Der Deutsche Bauernverband und der Deutsche Raiffeisenverband rufen Finanzminister Christian Lindner auf, das Projekt seines Kollegen Cem Özdemir zu stoppen.
Es geht um die Milch: DBV und DRV sind gemeinsam gegen eine Anwendung des Artikels 148 in Deutschland. Andere Organisationen aus der Landwirtschaft sind dafür.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) bleiben bei ihrer Kritik an einer möglichen nationalen Anwendung von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) der EU und den damit verbundenen staatlichen Eingriffen in die Milchlieferbeziehungen. Die beiden Verbandspräsidenten Joachim Rukwied und Franz-Josef Holzenkamp haben an Bundesfinanzminister Christian Lindner appelliert, sich gegen das Vorhaben seines Kabinettskollegen Cem Özdemir zu stellen.
In einem gemeinsamen Schreiben warnen Rukwied und Holzenkamp vor einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand für Milcherzeuger, Molkereien und Behörden. Sie bestreiten die vom Bundeslandwirtschaftsminister erwartete Signalwirkung zur Stärkung der Milcherzeuger in der Lieferkette und warnen davor, das Prinzip der Andienungs- und Abnahmesicherheit auszuhebeln und damit gravierende Folgen für kleinere Milcherzeuger an molkereifernen Standorten in Kauf zu nehmen. Der DBV- und der DRV-Präsident wehren sich schließlich gegen einen unzulässigen Eingriff in die genossenschaftliche Satzungsautonomie, zumal der gegenwärtige Rechtsrahmen vielfältige Möglichkeiten biete, die Liefer- und Eigentümerbeziehungen gemäß den Erwartungen der Mitglieder zu gestalten.
Preisaufschläge in Mehrwertprogrammen
Anstelle einer Umsetzung von Artikel 148 plädieren Rukwied und Holzenkamp dafür, die Bündelungsobergrenze für Erzeugergemeinschaften in Artikel 149 GMO über Vertragsbeziehungen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse anzuheben.
Einen guten Ansatz bilde auch der Artikel 210a GMO, dessen Möglichkeiten umfassend genutzt werden könnten. Dies gelte für die darin enthaltenen Ausnahmen vom Kartellrecht, um höhere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Ein Beispiel sei die verbindliche Durchsetzung von Preisaufschlägen in Mehrwertprogrammen. Eine stärkere kartellrechtliche Privilegierung von Erzeugergemeinschaften und Genossenschaften biete zudem aus ökonomischer Sicht wirksame Potenziale, die Branche weiterzuentwickeln und die Erzeugerposition zu stärken.
Unterdessen begrüßten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), Land-schafft-Verbindung (LsV) Deutschland sowie MEG Milch Board und European Milk Board (EMB) die Initiative des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Umsetzung von Artikel 148. Sie forderten zugleich Nachbesserungen in dem Verordnungsentwurf.  Darin müsse beispielsweise eine Vertragspflicht enthalten sein. Im Rahmen einer obligatorischen vertragsgebundenen Milchvermarktung für alle müssten Verträge vor der Lieferung verpflichtend abgeschlossen werden. Die Mindestinhalte müssten dabei Regeln zu Preis, Menge und Laufzeiten sein. Preis und Mengen müssten konkret und bei Vertragsabschluss bestimmt oder bestimmbar sein.
Die Verordnung zu nutzen, um lediglich eine Angebotspflicht für nur 80 Prozent der Menge zu etablieren, ist für die Verbände nicht akzeptabel. Dies gilt auch für die geplante Ausnahmeregelung für Genossenschaften. Eine Anpassung der genossenschaftlichen Lieferbeziehungen als Ersatz für abzuschließende vertragliche Vereinbarungen sehen die Verbände kritisch. Viel zu lang sei die vorgeschlagene Evaluierungszeit der Verordnung von fünf Jahren.