Tierhaltung | 25. Februar 2022

Digitales Weidetagebuch

Von Dr. Jonas Weber
Die Weidehaltung als naturnahe Haltungsform steht bisher wenig im Fokus der Digitalisierung. Dabei bietet sie besonders im Zusammenspiel zwischen Tier, Mensch und Umwelt Vorteile und Nutzungspotenziale. Am LAZBW wird gerade ein digitales Weidetagebuch entwickelt.
Wie viele Tiere waren wann auf welcher Weide? Das soll sich mit dem digitalen Weidetagebuch einfach dokumentieren lassen.
Je komplexer ein System aufgebaut ist, desto schwieriger ist es, aufgrund von Erfahrungswerten die richtigen Managemententscheidungen zu treffen. Die Digitalisierung auf der Weide bietet die Chance, ein solch komplexes System wie die Bewirtschaftung von Grünlandflächen zu erfassen sowie das Weidemanagement zu optimieren. Dementsprechend dienen digitale Systeme als Werkzeug für eine umweltschonende und nachhaltige Produktion, bei der das Wohl des Tieres im Mittelpunkt steht.
Das Landwirtschaftliche Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW) in Aulendorf startete 2019 speziell für die Region Baden-Württemberg mit einem digitalen Weidetagebuch, dem sogenannten Weideinformationssystem (WIS), als Webanwendung für den PC. Damit erhalten Landwirtinnen und Landwirte  Unterstützung bei der Dokumentation der Beweidung für die Sommerweideprämie (FAKT) und auch für die Aufzeichnung des Nährstoffanfalls auf der Weide im Rahmen der Düngeverordnung (DüV). Mit einer mobilen App kann zudem die Anwendung erleichtert werden.
So funktioniert es
Das digitale Weidetagebuch ist aktuell noch in der Testphase und soll daher ab nächstem Jahr für alle interessierten Landwirtinnen und Landwirte nutzbar sein. Die Anmeldung erfolgt unter www.weide-bw.de mit den gleichen Daten wie beim Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HIT). Um mit der Anwendung arbeiten zu können, müssen zunächst die Weideflächen aus dem Programm FIONA importiert werden. Die schlagbezogenen Flächendaten sind die Grundlage für die späteren Aufzeichnungen. Danach kann mit der Dokumentation gestartet werden.
Das WIS funktioniert wie ein Kalender. Die Nutzerinnen und Nutzer können die Weidegänge für jeden Tag eintragen: Welche Tiere haben wie lange auf welcher Fläche geweidet? Zum Beispiel werden 25 Milchkühe für acht Stunden auf der Fläche „Obere Weide” eingegeben. Aus diesen Informationen erstellt das WIS jeweils eine PDF-Datei für die Beantragung der Sommerweideprämie und für die Dokumentation im Rahmen der DüV.
Die Aufzeichnung des Anfalls der Nährstoffe  kann ganzjährig und für sämtliche Weidetiere berechnet werden. Dafür wählt man im WIS die entsprechende Tiergruppe aus, die einen mittleren jährlichen Nährstoffwert ausscheidet. Hinterlegt sind unter anderem die Tierarten wie Rinder, Pferde, Lamas oder Schweine. Diese Nährstoffwerte werden durch eine Schnittstelle zu DüngungBW stets aktualisiert.
Wer zusätzlich im Zeitraum von Juni bis September die Sommerweideprämie beantragt, muss für diesen Zeitraum die Einzeltiere den Herden zuordnen, zum Beispiel Milchkühe oder Rinder. Der Import der Tiere erfolgt über eine HIT-Schnittstelle mit einem Klick. Die Tiere müssen dann den entsprechenden Herden zugeordnet und ein Nährstoffwert angegeben werden. Die Landwirtinnen und Landwirte tragen während der Phase der Sommerweideprämie also keine Tiergruppe, sondern eine Herde ein. Die gebuchte Herde wird automatisch für das Sommerweideprämien-Weidetagebuch und für die Aufzeichnung für den Anfall der Nährstoffe verwendet. Ein Eintrag erfüllt also zwei Dokumentationspflichten gleichzeitig, ein großer Vorteil für die Nutzerinnen und Nutzer.
Um die täglichen Einträge der Weidegänge schnell und einfach zu gestalten, lassen sich diese künftig auch mobil auf dem Smartphone mit der WeideBW-App erledigen. Die App gibt es bereits im Playstore und wird erstmals für die Weidesaison 2022 der Testgruppe zur Verfügung gestellt. Der beschriebene Ablauf ist hier in einer Grafik vereinfacht dargestellt.
Vom Tagebuch zum Managementsystem
Das digitale Weidetagebuch ist aktuell in der Testphase und soll zukünftig auch zu einem Weidemanagementsystem weiterentwickelt werden. Dafür sollen die bereits täglich eingegebenen Daten zu den genutzten Weideflächen und den Weidetieren mit weiteren Daten ergänzt werden, zum Beispiel der Höhe des Bestands, Zuwachskurven oder dem Tierbesatz. Diese zusätzlichen Daten können manuell eingegeben werden oder über regionale Durchschnittswerte sowie Sensoren erfasst werden. Daraus kann dann eine Weidebilanz erstellt werden. Das digitale Weidetagebuch hat zwei Ziele: Zum einen soll es die Landwirtinnen und Landwirte bei der Dokumentationspflicht unterstützen, zum Beispiel bei Forderungen aus Agrarumweltprogrammen oder der DüV. Zum anderen soll es eine Planungshilfe für das Weidemanagement sein.