Pflanzenbau | 03. März 2016

Die Saatmaisvermehrer hoffen und bangen

Von Heinrich von Kobylinski
Bei der Hauptversammlung der baden-württembergischen Saatmaiserzeuger in Breisach drehte sich alles um die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Branche im Vergleich zum Elsass. Das Anbaujahr 2015 war schwierig, der Markt ist übersättigt, und es gibt einen neuen Wettbewerber.
Marco Eberle stellte den Geschäftsbericht des VbwS vor. In erster Linie drehte sich am 23. Februar in Breisach alles um die Rahmenbedingungen in den kommenden Anbauperioden und welchen Einfluss die Verbandsmitglieder darauf nehmen können. Es gibt Hoffnungen, dass 2017 die Nachfrage nach Maissaatgut wieder so stark sein wird, dass die Vermehrungsfläche wächst.
Fachversammlung Mais des Verbandes baden- württembergischer Saatguterzeuger e.V. (VbwS).

Überversorgung
Für 2016 allerdings sagte Florian Gahre vom Saatzuchtunternehmen KWS einen weiteren Rückgang der Vermehrungsfläche voraus. Er begründete das mit den politischen Rahmenbedingungen für den Maisanbau und mit einer fortdauernden Überkapazität beim Saatgut. Zur Ernte 2015 belief sich der Umfang der Maisvermehrungsflächen für Z-Saatgut in Baden-Württemberg auf 3979 ha. Angemeldet gewesen waren 4077 ha. Die durchschnittliche Schlaggröße lag bei 1,8 ha. Gegenüber dem Vorjahr ging der Anbau effektiv um 272 ha zurück.
2007 lag er erst bei 2676 ha. 2014 kann somit als vorläufiger Höhepunkt eines stetigen Flächenzuwachses in der Vermehrung von Mais gelten. Im vergangenen Jahr war das Wetter für die Entwicklung der Bestände oft negativ. Im Zeitraum der Entfahnung herrschten Temperaturen bis über 35 Grad. Die monatelang anhaltende Trockenheit führte zu erheblichen Wasserdefiziten. Wo Beregnung möglich war, mussten 200 bis 250 mm nachgeführt werden, was trotzdem Ertragsausfälle nicht ausschloss, wenn die Blüte beschädigt war. 30,07 ha (129 Partien) mussten aberkannt werden, so viel wie noch nie. Die Rate von 2014 lag bei 14,9 ha. Wo nicht beregnet werden konnte, gab es häufig einen negativen Deckungsbeitrag, teilweise das zweite Jahr in Folge, so Vorstandsmitglied Markus Gräbling.
Trotz allem aber ist es auch 2015 gelungen, Saatgut in hervorragender Qualität zu erzeugen, wie Dr. Andrea Jonitz von der LTZ Augustenberg betonte. Bei den 726 anerkannten Partien wurde eine durchschnittliche Keimfähigkeit von 97,2 Prozent festgestellt, höher als in den beiden Vorjahren, die im Durchschnitt auf 96,4 und 96,7 Prozent kamen. Nur im Kalttest blieb die Keimfähigkeit mit 95 Prozent um eine Nuance niedriger als in den beiden Vorjahren; ebenso auch bei der Tausendkorn-Masse: Der Durchschnitt von 2015 ergab 276 g mit einer Feuchtigkeit von 11,8 Prozent. Die Werte der Vorjahre lagen bei 297 und 287 g mit Feuchtigkeiten über zwölf Prozent. Die Selbst- und Fremdbefruchtungsanteile blieben 2015 im Vergleich zu den übrigen Jahren unauffällig: Von 52 Verdachtsproben ergab der Keimungstest einen Durchschnitt von 2,6 Prozent Fremdbefruchtungen, was etwas geringer war als im Vorjahr. Der Anteil der Selbstbefruchter erreichte einen Wert von 1,5 Prozent, was leicht über dem Vorjahreswert lag. Insgesamt aber bedeuten die ermittelten Testwerte laut Jonitz auch für 2015 „eine sehr gute Saatgutqualität, die dank der Anbauerfahrung und der Einsatzbereitschaft der Vermehrer auch unter erschwerten Bedingungen erzielt werden konnte”.
Vielseitig diskutiert wurde über die Zahl der Sorten und Linien. Sie wird sowohl von Seiten der Vermehrer als auch von der Saatgutindustrie als zu hoch angesehen. 2001 wurden im hiesigen Raum 52 Sorten auf 2476 ha als Z-Saatgut vermehrt. 2015 waren es 86 und im Jahr davor 89. Auch für die Saatgutexpertin Dr. Jonitz ist die Zahl  „enorm groß”. 2015 wurden nur acht Sorten als sterile Sorten vermehrt. Florian Gare von der KWS versprach, diesen Anteil wieder zu steigern. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass in Deutschland 727 Maissorten angeboten werden – 2001 waren es 471. Das große Sortenspektrum sei auch eine Antwort auf die Vielfalt der Anbaubedingungen. Allein KWS hat 2016 neun neue Sortenzulassungen erhalten.
Das Sortenkarussell dreht sich schneller
Gleichzeitig räumte der Saatgutmanager ein, dass durch die Markteinflüsse rund ein Viertel der Hybridsorten nur ein Jahr in Produktion sei und die Hälfte der Sorten nicht länger als drei Jahre. Diese Schnelllebigkeit wertete er als große Herausforderung für die Saatgutindustrie, insbesondere bei der voraussichtlichen Bedarfsermittlung. Bei der baden-württembergischen Maissaatenvermehrung werden 44 Prozent der Fläche von nur zehn Sorten belegt. Den Spitzenplatz hielt 2015 laut LTZ Simpatico (S250/K260) mit 407 ha. Weitere Sorteninformationen gibt die Abbildung auf Seite 32.
Auf neun Prozent der Vermehrungsfläche werden Sorten des Saatgutkonzerns DOW Agrosemences angebaut, weitere 21 Prozent dienen der Sortenvermehrung des bayerischen Unternehmens Freiherr von Moreau. Mit 69 Prozent entfällt der Löwenanteil der Vermehrung auf die KWS. Der anteilige Flächenumfang des Einbecker Unternehmens bot dann in Breisach den Anlass für weitere Fragen. Zunächst wurde die europaweite Wachstumsquote der KWS-Vermehrungsflächen präsentiert, die von 2005 bis 2014 wegen der steigenden Saatgutnachfrage pro Jahr durchschnittlich um neun Prozent gewachsen ist – auf rund 26000 ha.
Eine andere KWS-Grafik zeigte den Umfang der Vermehrungsflächen des Unternehmens in Südbaden, deren Umfang seit 2011 konstant bei rund 3000 ha blieb. Gahre widersprach Mutmaßungen, wonach der KWS-Vermehrungsumfang in Baden wegen des gleichzeitigen Konzernengagements im Elsass nicht mehr zur weiteren Ausdehnung kommen konnte. Tatsächlich hat die CAH (Comptoir Agricole Hochfelden bei Saverne) nach französischen Presseangaben seit 2014 rund 20 Millionen Euro in eine zentrale Saatgutaufbereitungsanlage investiert, einem Bereich, in dem die Getreidegenossenschaft zuvor noch nicht aktiv war. Neben Mais sollen noch weitere Getreidearten zur Vermehrung kommen. Die CAH will daher neben der KWS auch mit anderen Saatgutfirmen zusammenarbeiten. 2015 betrug dort die KWS-Maisvermehrungsfläche 1500 ha. Bis 2019 werden 3000 ha angestrebt.
Gahre stellte in seinem Breisacher Vortrag indes klar, dass der Maissaatgutmarkt in Europa derzeit übersättigt ist. In Frankreich, wo die Hälfte der gesamteuropäischen Saatmaisfläche steht, wurde der Umfang um 30 Prozent eingeschränkt, in Rumänien um 50 Prozent. 2016 wird KWS seinen bisherigen Vermehrungsumfang weiter zurückfahren, sowohl im Elsass als auch in Baden. Gahre sagte aber auch, dass sein Unternehmen den hohen Saatgutbedarf in Deutschland nur durch Importe aus Frankreich und Slowenien decken könne. Deutschland ist mit seinen zwei Millionen Hektar Silomais EU-weit das bedeutendste Silomaisland.
KWS-Bekenntnis zum Standort Baden
Die KWS will laut Gahre bei der Vermehrung am Produktionsstandort Baden-Württemberg festhalten. Er lobte die hiesigen Produktionsbedingungen und die Erfahrung sowie das Fachwissen der Saatguterzeuger ebenso wie deren Kooperationsbereitschaft. „Wir wissen, was wir an Süddeutschland haben, deshalb wird es keine Flächenkonkurrenz zum Elsass geben”, fuhr er fort. Er bat aber um Verständnis für die Wechselhaftigkeit des europäischen Marktes, der auch durch das russische Embargo beeinflusst sei. Die Vielfalt der Sorten erhöhe die Gefahr der fehlenden Lieferfähigkeit. „Für den Konzern ist das teuerste Saatgut dasjenige, das er nicht hat”, fuhr der KWS-Verantwortliche fort. Auch Überkapazitäten sind unerwünscht.
Die Saatgutvermehrer bekommen das indirekt zu spüren. Markus Gräbling hält deshalb trotzdem nichts von der Investition in eine Ernteversicherung, auch nicht wegen des Klimawandels. Wesentlich sinnvoller sei eine Investition in die Bewässerungstechnik. Gefragt nach dem sichersten Mittel, um KWS am heimischen Standort zu halten, antwortete Gahre: „Geben Sie uns keine Chance, dass wir an Ihnen vorbeikommen, liefern Sie uns ein gutes Produkt!”