Tierhaltung | 25. Mai 2016

Die Ökobetriebe hatten die Nase klar vorn

Von Frank Gräter, LEL Schwäbisch Gmünd
Im Rinderreport 2015 sind die Betriebszweigauswertungen von 418 konventionell sowie 19 ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieben zusammengefasst. Aufgrund der gesunkenen Milchpreise im konventionellen Bereich hatten die Ökobetriebe einen um 540 Euro höheren Deckungsbeitrag.
Das obere Viertel der Betriebe ermolk pro Kuh etwa 2000 kg mehr Milch als das untere – und das bei nahezu gleichem Aufwand.
In Baden-Württemberg gab es Ende 2014 noch etwa  8600 Milchviehbetriebe   mit durchschnittlich jeweils circa 40 Kühen. Die vorliegende Auswertung der Beratungsdienste beruht also auf Daten von rund  fünf Prozent der Milchviehbetriebe beziehungsweise zehn Prozent der Milchkühe in Baden-Württemberg. Die Betriebe sind mit durchschnittlich 86 Kühen je Betrieb gut doppelt so groß wie der Landesdurchschnitt.
 Durch die Anzahl der Betriebe in der vorliegenden Auswertung und aufgrund der Tatsache, dass diese Betriebe  alle  unter intensiver Beratung eines Beratungsdienstes stehen, ist davon auszugehen, dass die produktionstechnischen und die wirtschaftlichen Ergebnisse überdurchschnittlich sind und nicht ohne weiteres auf die gesamte Milchviehhaltung in Baden-Württemberg übertragen werden können.
Nach dem Spitzenjahr 2013/2014 war das Wirtschaftsjahr 2014/15 ökonomisch betrachtet für die Milchviehhaltung ein Durchschnittsjahr. Der Milchpreis (Bruttoauszahlungspreis Molkerei, inklusive aller Zuschläge) lag bei 38,5 Cent/kg Milch. Das ist ein Rückgang um 6,7 Cent gegenüber dem Vorjahr und liegt knapp unter dem fünfjährigen Durchschnitt. Die Erlöse für Schlachtkühe und Kälber (–26 Euro) gingen nochmals leicht zurück.
Die Kosten sind um 53 Euro  gesunken, was im Wesentlichen durch gesunkene Kraftfutterkosten (–45 Euro) bedingt ist. Der Deckungsbeitrag (DB) fiel um 425 Euro auf 1877 Euro je Kuih und Jahr (vgl. Tab. 1).
Die Milchleistung ist nach drei Jahren der Stagnation um gut 100 kg je Kuh und Jahr gestiegen. Die Grundfutterleistung hat sich ebenfalls wieder leicht verbessert.
Was machen die Guten anders?
Einen anderen Blickwinkel bietet der horizontale Vergleich der Betriebe. Dabei werden die Durchschnittsdaten aller Betriebe verglichen mit den entsprechenden Werten des weniger
 erfolgreichen und des  erfolgreichen Viertels (vgl. Tab. 2). Beim Deckungsbeitrag (DB) liegt hier ein Unterschied von rund 930 Euro zwischen unterem und oberen Viertel oder jeweils 460 Euro zum Durchschnitt.
Unter den Ursachen für diese Unterschiede steht die Leistung sicher an erster Stelle. Die erfolgreichen Betriebe melken etwa 2000 kg Milch mehr pro Kuh  als die weniger erfolgreichen Betriebe. Betrachtet man gleichzeitig den Aufwand (variable Kosten), so erkennt man, dass dieser bei den erfolgreichen Betrieben lediglich 35  Euro höher ausfällt als bei den weniger erfolgreichen, also nahezu gleich ist. 2000 kg höhere Leistung mit 35 Euro mehr Aufwand, das scheint der Schlüssel zum Erfolg. Es gibt aber weitere Unterschiede bzw. Vorteile der erfolgreichen Betriebe:
  • Die Grundfutterleistung ist um 1550 kg höher.
  • Der Kraftfutteraufwand je Kilo  Milch ist 50 g niedriger.
  • Sie haben eine um 3 % geringere Bestandsergänzung.
  • Die kalkulierte Lebensleistung ist um 10000 kg höher.
  • Die Kälberverluste liegen um 3 % niedriger.
  • Der Anteil verendeter Kühe ist um 1,5 % niedriger.
Rechnet man die Differenz beim Deckungsbeitrag zwischen oberem und unterem Viertel (960 Euro) auf den Durchschnittsbetrieb mit 86 Kühen hoch, dann ergibt sich ein Unterschied von 82000 Euro pro Betrieb und Jahr (letztes Jahr 80000 Euro). Diese Zahl macht eindrucksvoll deutlich, welches Potenzial die einen Betriebe verwirklichen, welche Reserven andere Betriebe gleichzeitig noch haben. Dieser Unterschied ist seit Jahren zu beobachten. Diese Situation erklärt auch teilweise, warum in ökonomisch schwierigen Zeiten, wie wir sie derzeit durchlaufen, die einen Betriebe früher in finanzielle Schieflage geraten und andere Betriebe länger durchhalten bzw. diese  leichter überstehen.
Die Auswertungen im vorliegenden Rinderreport bieten weiterhin eine Vielzahl an Möglichkeiten, die hier nicht alle im Detail dargestellt werden können. Wichtig scheinen aber noch folgende Ergebnisse:
  • Je höher die Grundfutterleistungen, desto höher auch die Deckungsbeiträge – hier besteht ein deutlicher Zusammenhang.
  • Je älter die Kühe werden  (= Höhe der Lebensleistung), desto höher der DB.
  • Beim Vergleich der Melksysteme (konventionell – Melkroboter) ließ sich kein nennenswerter Unterschied erkennen. Es waren insgesamt 69 Betriebe mit Melkroboter in der Auswertung.
  • Von den 418 ausgewerteten konventionellen Betrieben hatten nur noch 14  einen Anbindestall. Diese 14 Betriebe hielten im Durchschnitt 38 Kühe.
  • Das bevorzugte Fütterungssystem ist die aufgewertete Mischration (85 %).
So schnitten die Ökobetriebe ab
In Tabelle 3 sind die Ergebnisse der Ökobetriebe im Vergleich zu den konventionellen Betrieben dargestellt. Trotz deutlich geringerer Leistung liegt der DB der 19 Ökobetriebe (2014: 25 Betriebe) um 540 Euro höher als der der konventionellen Betriebe. Im letzten Jahr lag der Vorsprung lediglich bei 50 Euro. Sie erreichen dies durch einen deutlich höheren Milchpreis  (+14,3 Cent/kg Milch) und durch  einen deutlich geringeren Aufwand (–350 Euro  je Kuh variable Kosten). In folgenden Punkten  unterscheiden sich die Ökobetriebe weiterhin:
  • Höhere Grundfutterleistung (+500 kg – trotz geringerer Gesamtleistung)
  • Niedrigerer Kraftfutteraufwand je Kilo Milch (–100 g)
  • Niedrigere Bestandsergänzung (–125 Euro)
Vergleicht man die aktuelle Situation am Milchmarkt mit der vorliegenden Auswertung, so wird deutlich, dass der konventionelle Milchpreis deutlich abgestürzt ist und dass auch die Differenz beim Milchpreis zwischen konventioneller und ökologischer Erzeugung noch weiter auseinandergeht. Dies wird sich in der Auswertung 2015/16 deutlich wiederspiegeln.
Standortbestimmung
Die vorliegende DB-Auswertung dient in erster Linie der Standortbestimmung des Betriebs. Sie zeigt auf, wo sich der Betrieb produktionstechnisch im Vergleich zu seinen Berufskollegen einordnen kann. Außerdem zeigt sie die betriebliche Entwicklung über die Jahre. Die Auswertung deckt entsprechende Ansatzpunkte auf, sowohl für den Landwirt als auch für den Berater. Sie ist ein wichtiges Hilfsinstrument für eine zielgerichtete Beratung. Der Vorteil dieser DB-Auswertung ist zum einen eine sehr zeitnahe Auswertung im Vergleich zu Auswertungen auf Basis Buchführungsabschluss, und zum anderen sind die Auswertungsparameter sehr einfach nachzuvollziehen. Ist beispielsweise der Kraftfutteraufwand zu hoch, können die Ansatzpunkte schnell und konkret benannt werden und oft sehr zeitnah Verbesserungen erreicht werden.
Vom Deckungsbeitrag zu den Vollkosten
 Für eine Betrachtung des Gesamtbetriebs wird im Rinderreport in einem zweiten Schritt bis zu den Vollkosten weitergerechnet. Dazu werden ausgehend vom DB Grundfutter-, Gebäude- sowie Lohnkosten bzw. Lohnansatz kalkulatorisch hinzugerechnet (vgl. Tab. 1). Kalkulatorisch bedeutet, es werden keine tatsächlichen Kosten auf den Betrieben erfasst, sondern es wird mit Durchschnittswerten gerechnet. Dies erlaubt, ausgehend von einzelbetrieblich  ermittelten Deckungsbeiträgen, bis zu den Vollkosten je Kilo  Milch weiter zu rechnen. Hieraus lässt sich dann auch ein kostendeckender Milcherlös aufzeigen, der im letzten Jahr zwischen oberem und unterem Viertel der Betriebe um rund 9 Cent auseinander liegt  (vgl. Grafik).
Ausblick
Im vorliegenden Rinderreport wird noch ein durchschnittliches Wirtschaftsjahr für die Milchviehhalter abgebildet. Die aktuelle Situation sieht dagegen ganz anders aus. Der Milchpreis liegt derzeit etwa 10 bis 12 Cent unter dem Durchschnitt von 2014/15. Diese Feststellung mussten wir bereits letztes Jahr treffen und zeigt, dass der Milchpreis bezogen auf die Spitze im Jahr 2013/14 in einem Zeitraum von etwa einem Jahr um nahezu 20 Cent/kg abgestürzt ist.
Was den Betrieben am meisten zusetzt, ist die Unsicherheit, wie lange diese Phase noch anhält, bzw. wann es wieder aufwärts geht. Inzwischen haben auch die guten Betriebe ihre Reserven aufgebraucht, und immer mehr Betriebe kommen in Zahlungsschwierigkeiten. Neben entsprechenden finanztechnischen Maßnahmen und Gesprächen insbesondere mit der Hausbank gilt es, die betrieblichen Reserven, soweit noch nicht geschehen, zu mobilisieren.
Kein Betrieb kann langfristig mit einem Milchpreis, wie wir ihn derzeit haben, wirtschaftlich Milch erzeugen. Die Frage ist aber, wie und mit welchen Verlusten überstehe ich als Milcherzeuger die derzeitige Tiefpreisphase. Auf den ersten Blick scheint der Umstieg auf ökologische Milcherzeugung die Lösung. Ein Zuschlag von derzeit etwa 20 Cent/kg Milch ist auch zu verlockend. Jede Familie, die diesen Schritt überlegt, sollte sich umfassend beraten lassen. Es muss geprüft werden, ob die betrieblichen Voraussetzungen passen (z. B. Flächenverfügbarkeit, Kosten für notwendige Umbaumaßnahen) und die Vermarktung gesichert ist. Und dann bleibt immer noch die Unsicherheit, wie sich das Preisgefüge darstellt, wenn der Betrieb in 1 bis 1,5 Jahren  Biomilch  verkaufen kann. 
Komplettversion
Der vollständige Rinderreport 2015 (45 S.) kann bei der LEL (Tel. 07171/917-100) zum Preis von 10 Euro angefordert werden.