Politik | 03. Dezember 2015

Der Richtungsstreit bei Milch geht weiter

Von AgE
Bei einem Symposium zum Milchmarkt am 26. November in Berlin traten die Gegensätze um den künftigen Weg der Milchmarktpolitik erneut zutage. Vor allem um Sinn und Unsinn von Maßnahmen zur Mengenbegrenzung wurde debattiert.
Die Milch steht seit geraumer Zeit ganz vorne als Krisen- und Streitthema in der Landwirtschaft.
Ihre Forderung nach Einführung einer Milchmengenregulierung haben die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike  Höfken  und ihr niedersächsischer Amtskollege Christian  Meyer  bekräftigt. Höfken warnte bei dem Symposium in Berlin davor, dass die anhaltend niedrigen Milchpreise bundesweit rund 76000 Erzeugerbetriebe sowie 30000 Arbeitsplätze bei den Molkereien bedrohten. Für den Erhalt der flächendeckenden bäuerlichen Milchwirtschaft bestehe dringender politischer Handlungsbedarf.
Notwendig sind nach Überzeugung der beiden Minister vor allem die Wiederherstellung des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage auf dem Milchmarkt über eine Begrenzung der Milchmenge sowie die Stärkung der Erzeuger im Markt.
Zu den Auswirkungen einer Milchmengenbegrenzung auf den Markt gingen die Meinungen auf dem Symposium jedoch weit auseinander. Während Ludwig  Börger  vom Deutschen Bauernverband (DBV) vor möglichen negativen Folgen eines solchen Modells warnte und auch der Göttinger Agrarökonom Dr. Markus  Fahlbusch  die Nachhaltigkeit derartiger Markteingriffe bezweifelte, warb der Vorsitzende vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald  Schaber, für eine EU-weite flexible Milchmengensteuerung. Der Erste Vorsitzende der MEG Milch Board, Peter  Guhl, sieht darüber hinaus die Notwendigkeit für eine neu strukturierte Partnerschaft von Erzeugern und Molkereien. Er plädiert für eine vertragsbezogene Milcherzeugung, die das bisherige System von Liefer- und Abnahmeverpflichtung ablösen soll.
Dr. Björn  Börgermann  vom Milchindustrie-Verband (MIV) sieht dagegen in den aktuellen Strukturen bei den Genossenschaftsmolkereien und privaten Milchverarbeitern ausreichend Spielraum für beiderseitig tragfähige Beziehungen.
Maßnahme verpufft
Höfken warf der EU, der Bundesregierung und dem Bauernverband vor, mit der von ihnen verfolgten Exportstrategie die vorwiegend bäuerlichen Strukturen der europäischen Landwirtschaft zu schwächen und gleichzeitig Dumpingpreise auf dem Weltmarkt zu fördern. Sie warb dafür, stattdessen bei der Milchproduktion auf EU-Märkte, Qualität und Regionalität zu setzen. Nach dem Wegfall der Milchquote seien zudem neue Werkzeuge zur Mengenregulierung in Krisenzeiten unerlässlich.
Börger wies darauf hin, dass der Selbstversorgungsgrad bei Milch und Milchprodukten in Deutschland heute bereits bei 116 Prozent liege. Maßnahmen zur Mengensenkung würden daher schnell verpuffen. Ohnehin bezweifle ein Großteil der Fachleute die Wirksamkeit und die Umsetzbarkeit einer entsprechenden Mengenbeschränkung, zumal in einem solchen Fall EU-weit schnell über riesige Mengen geredet werden müsse. Der Milchmarktexperte sieht in einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Milcherzeuger, politischen Anreizen zur Risikovorsorge sowie in der Schaffung eines echten Sicherheitsnetzes nach unten die bessere Alternative.
Fahlbusch befürchtet bei Einführung einer wie auch immer gearteten Mengenbeschränkung Fehlanreize, die den Markt in immer neue Spiralen aus Preisvolatilitäten und Angebotssprüngen treiben könnten. Nach seiner Einschätzung dürfte ein zu früher Einstieg in die Angebotssenkung andere Länder mit ähnlichen oder niedrigeren Produktionskosten zur Ausweitung ihrer Milcherzeugung ermuntern. Fahlbusch  rät zu einer steuerlichen Regelung für eine Risikoausgleichsrücklage.
Krise nicht unterschätzen
Schaber bezeichnete indes den ersatzlosen Wegfall der europäischen Milchquotenregelung als fahrlässig und warnte davor, die aktuelle Krise am Milchmarkt zu unterschätzen. Die derzeit zur Verfügung stehenden Kriseninstrumente reichen nach seiner Einschätzung nicht aus, um eine schnelle Lösung herbeizuführen. Notwendig sei daher eine zeitlich befristete Mengenregulierung auf EU-Ebene, so der BDM-Vorsitzende. Er verwies auf den Vorschlag seines Verbands, nach dem auf Basis eines Marktindexes ein dreistufiger Regulierungsmechanismus ausgelöst wird (die BBZ berichtete). In der ersten Stufe soll dabei mit Absatzförderprogrammen und einer Stärkung der privaten Lagerung der Milchmarkt stabilisiert werden. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, soll in der zweiten Stufe ein freiwilliges Begrenzungssystem greifen, bei dem Abgaben für „Vielerzeuger” und Boni für Betriebe, die weniger produzieren, zur Anwendung kommen. Nur, wenn diese Schritte keine Marktberuhigung mit sich bringen, sollen in der dritten Stufe alle Betriebe zu einer zeitlich befristeten Deckelung ihrer Erzeugung angehalten werden.