Bei einem Symposium zum Milchmarkt am 26. November in Berlin traten die Gegensätze um den künftigen Weg der Milchmarktpolitik erneut zutage. Vor allem um Sinn und Unsinn von Maßnahmen zur Mengenbegrenzung wurde debattiert.
Die Milch steht seit geraumer Zeit ganz vorne als Krisen- und Streitthema in der Landwirtschaft.
Ihre Forderung nach Einführung einer Milchmengenregulierung haben die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken und ihr niedersächsischer Amtskollege Christian Meyer bekräftigt. Höfken warnte bei dem Symposium in Berlin davor, dass die anhaltend niedrigen Milchpreise bundesweit rund 76000 Erzeugerbetriebe sowie 30000 Arbeitsplätze bei den Molkereien bedrohten. Für den Erhalt der flächendeckenden bäuerlichen Milchwirtschaft bestehe dringender politischer Handlungsbedarf.
Notwendig sind nach Überzeugung der beiden Minister vor allem die Wiederherstellung des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage auf dem Milchmarkt über eine Begrenzung der Milchmenge sowie die Stärkung der Erzeuger im Markt.
Zu den Auswirkungen einer Milchmengenbegrenzung auf den Markt gingen die Meinungen auf dem Symposium jedoch weit auseinander. Während Ludwig Börger vom Deutschen Bauernverband (DBV) vor möglichen negativen Folgen eines solchen Modells warnte und auch der Göttinger Agrarökonom Dr. Markus Fahlbusch die Nachhaltigkeit derartiger Markteingriffe bezweifelte, warb der Vorsitzende vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, für eine EU-weite flexible Milchmengensteuerung. Der Erste Vorsitzende der MEG Milch Board, Peter Guhl, sieht darüber hinaus die Notwendigkeit für eine neu strukturierte Partnerschaft von Erzeugern und Molkereien. Er plädiert für eine vertragsbezogene Milcherzeugung, die das bisherige System von Liefer- und Abnahmeverpflichtung ablösen soll.
Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband (MIV) sieht dagegen in den aktuellen Strukturen bei den Genossenschaftsmolkereien und privaten Milchverarbeitern ausreichend Spielraum für beiderseitig tragfähige Beziehungen.
Maßnahme verpufft
Höfken warf der EU, der Bundesregierung und dem
Bauernverband vor, mit der von ihnen verfolgten Exportstrategie die
vorwiegend bäuerlichen Strukturen der europäischen Landwirtschaft zu
schwächen und gleichzeitig Dumpingpreise auf dem Weltmarkt zu fördern.
Sie warb dafür, stattdessen bei der Milchproduktion auf EU-Märkte,
Qualität und Regionalität zu setzen. Nach dem Wegfall der Milchquote
seien zudem neue Werkzeuge zur Mengenregulierung in Krisenzeiten
unerlässlich.
Börger wies darauf hin, dass der Selbstversorgungsgrad bei Milch und
Milchprodukten in Deutschland heute bereits bei 116 Prozent liege.
Maßnahmen zur Mengensenkung würden daher schnell verpuffen. Ohnehin
bezweifle ein Großteil der Fachleute die Wirksamkeit und die
Umsetzbarkeit einer entsprechenden Mengenbeschränkung, zumal in einem
solchen Fall EU-weit schnell über riesige Mengen geredet werden müsse.
Der Milchmarktexperte sieht in einer Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit der Milcherzeuger, politischen Anreizen zur
Risikovorsorge sowie in der Schaffung eines echten Sicherheitsnetzes
nach unten die bessere Alternative.
Fahlbusch befürchtet bei Einführung einer wie auch immer gearteten
Mengenbeschränkung Fehlanreize, die den Markt in immer neue Spiralen aus
Preisvolatilitäten und Angebotssprüngen treiben könnten. Nach seiner
Einschätzung dürfte ein zu früher Einstieg in die Angebotssenkung andere
Länder mit ähnlichen oder niedrigeren Produktionskosten zur Ausweitung
ihrer Milcherzeugung ermuntern. Fahlbusch rät zu einer steuerlichen
Regelung für eine Risikoausgleichsrücklage.
Krise nicht unterschätzen
Schaber bezeichnete indes den ersatzlosen Wegfall der
europäischen Milchquotenregelung als fahrlässig und warnte davor, die
aktuelle Krise am Milchmarkt zu unterschätzen. Die derzeit zur Verfügung
stehenden Kriseninstrumente reichen nach seiner Einschätzung nicht aus,
um eine schnelle Lösung herbeizuführen. Notwendig sei daher eine
zeitlich befristete Mengenregulierung auf EU-Ebene, so der
BDM-Vorsitzende. Er verwies auf den Vorschlag seines Verbands, nach dem
auf Basis eines Marktindexes ein dreistufiger Regulierungsmechanismus
ausgelöst wird (die BBZ berichtete). In der ersten Stufe soll dabei mit
Absatzförderprogrammen und einer Stärkung der privaten Lagerung der
Milchmarkt stabilisiert werden. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, soll
in der zweiten Stufe ein freiwilliges Begrenzungssystem greifen, bei dem
Abgaben für „Vielerzeuger” und Boni für Betriebe, die weniger
produzieren, zur Anwendung kommen. Nur, wenn diese Schritte keine
Marktberuhigung mit sich bringen, sollen in der dritten Stufe alle
Betriebe zu einer zeitlich befristeten Deckelung ihrer Erzeugung
angehalten werden.