Pflanzenbau | 16. Juli 2015

Der Mais ist ökologisch besser als sein Ruf

Von Heinrich von Kobylinski
Der Anbau von Energiepflanzen und Naturschutz – passt das zusammen? Beim Biodiversitätstag des LTZ in Forchheim stellte Professor Martin Dieterich der Maiskultur ein überraschend gutes Zeugnis aus. Besser sind nur Blühmischungen.
Zur Förderung der Biodiversität eignen sich am besten Blühstreifen. Aber auch der Mais bietet Tieren Lebensraum und Nahrung.
Der Hohenheimer Professor stellte sechs Energiepflanzen-Kulturen in einen naturschutzbezogenen Vergleich. Dabei erreicht der Mais den zweiten Platz.
Besser hinsichtlich Biodiversität ist nur noch eine überjährige Blühpflanzenmischung. Der vielgeschmähte Energiemais ist nach den Ergebnissen dieser Untersuchung hochwertiger als Zuckerrüben, die wiederum waren besser als Raps und eine GPS-Mischung aus Gerste und Grünroggen. Ganz abgeschlagen aus ökologischer Sicht landet schließlich Miscanthus auf dem letzten Platz.
Messmethoden und Maßstab
Diese zunächst überraschende Reihenfolge wirft die Frage auf, wozu man die Biodiversität (biologische Vielfalt) überhaupt braucht und welche Messmethoden und welcher Maßstab zur Feststellung von Biodiversität herangezogen werden. Laut Professor Dieterich wird die biologische Vielfalt in Zukunft noch mehr an Bedeutung bekommen, weil sich damit die ökologischen Systeme besser an Veränderungen anpassen können, insbesondere an den Klimawandel. Der Hohenheimer Wissenschaftler warnte deshalb auch vor einem „Schlaganfall für den Naturhaushalt”, wenn die biologische Vielfalt verlorenginge.
Die Bewertung von Biodiversität ist aber gar nicht so einach, wie es zunächst scheint.  So hat man auf einem Acker 27 verschiedene Laufkäfer festgestellt, in einem  Wald aber nur 18. In Wirklichkeit aber war der Naturhaushalt auf dem Acker weit mehr
gestört als im Wald. Der Hohenheimer Biologe wertet das Aufeinandertreffen einer großen Zahl verschiedener „Allerweltsarten” geradezu als ein Kennzeichen von gestörten Lebensräumen.
Also müssen zum Vergleichen, Beschreiben und Messen von Biodiversität mehrere Indikatoren berücksichtigt werden. Es muss dasjenige Artenspektrum berücksichtigt werden, das für den spezifischen Naturraum typisch ist. Um zuverlässige Informationen zu erhalten, müssen verschiedene Bodenfallen aufgestellt werden (Laufkäfer) und Kescherfänge für Spinnen und Blattkäfer durchgeführt werden. Hinzu kommen Grabungen für Bodenuntersuchungen, gezielte Beobachtungen (Wildbienen, Vögel) und Vegetationsaufnahmen. 
Genau hinschauen
Bei der Abschlussbewertung wiederum genügt es nicht, allein auf die Tier- und Pflanzenarten zu achten, die zur Roten Liste gehören. Regenwürmer beispielsweise sind keineswegs selten, trotzdem ist ihre Anzahl wichtig, weil sie störungsempfindlich sind. Beim naturschutzbezogenen Vergleich der Energiepflanzen-Kulturen und der vorgefundenen Artenverteilung fällt auf, dass die Blühmischungen ihren Vorsprung im Wesentlichen durch ihre Vielfalt in der Vegetation und durch die Anzahl der Bienen erzielen. Es ist die einzige Kultur, die nicht als Monokultur angelegt wurde. So gesehen ist der geringe Abstand im Säulendiagramm zur Monokultur Mais besonders erwähnenswert. Bei der Anzahl der Spinnenarten erreicht die Maiskultur sogar den Spitzenplatz und schneidet auch bei der Anzahl der Laufkäferarten und der Vogelarten noch passabel ab. Demgegenüber hat nach Dieterichs Darstellung die Energiepflanzenkultur Miscanthus hinsichtlich Biodiversität nur wenig zu bieten. Auf Nachfrage räumte er ein, dass der Miscanthus-Aufwuchs im Winter insbesondere für das Niederwild viel Deckung und Schutz bietet im Vergleich zu anderen Ackerflächen.
Nach Ansicht des Wissenschaftlers können Energiepflanzen kein Ersatz sein für Landschaftselemente mit hohem
naturschutzfachlichem Wert (HNV-Elemente = high natural value) oder artenreiches Grünland sowie Brachen. Aber sie könnten ökologisch aufgewertet werden. Für Mais schlug der Hohenheimer das Anlegen von Untersaaten vor. Alle Kulturen könnten weiter extensiviert werden, wozu er auch einen erweiterten Abstand der Drillreihen empfahl. Außerdem sollten die Fruchtfolgen erweitert und Zwischenfrüchte angebaut werden.   
Auch Blühmischungen sind keine Selbstläufer
Die von Professor Dieterich eingesetzte Blühmischung ist überjährig und wurde 2012 als Veitshöchheimer Bienenweide bezeichnet. Ihr Saatgut besteht aus 43 Pflanzenarten. Der Anteil der sechs Leguminosen beträgt 35 Prozent, fast die Hälfte davon ist Esparsette. Weitere anteilsmäßig wichtige Pflanzenarten sind: Buchweizen (7 %), Borretsch (5 %), Sonnenblume (5 %), Mariendistel und Malve (je 4 %).
Dr. Erich Unterseher vom  LTZ Augustenberg berichtete in Forchheim von seinen Versuchen mit den Blühmischungen und betonte, dass wegen der Folgefrucht bei einzelnen Komponenten Beschränkungen beachtet werden müssen: Bei Malven beispielsweise ist es die Neigung zur Nesterbildung. Bei der Sonnenblume besteht die Gefahr der Übertragung der Sklerotinia (Weißstängeligkeit) auf Zuckerrüben oder Tabak. Auch Buchweizen gilt als Überträger von Infektionskrankheiten auf Zuckerrüben. Bei Ölrettich und Senf besteht bisweilen Lagergefahr und die Möglichkeit der Übertragung des Rapsglanzkäfers. Bei hohen Leguminosenanteilen schließlich muss die Gefahr der Nitratbelastung in Wasserschutzgebieten beachtet werden.
Unabhängig davon nimmt im Zuge von FAKT die Aussaat von einjährigen Blühmischungen stark zu. Seit diesem Jahr gibt es dafür eine Prämie von 710 Euro/ha (ohne Anrechnung). Mit Anrechnung liegt der Betrag bei 330 Euro/ha. Im MLR rechnet man jetzt bei FAKT mit einer Verdreifachung des Flächenumfanges. Klaus Mastel vom  LTZ Forchheim appellierte an die Landwirte, die Mischungen sollten bevorzugt auf Brachflächen und entlang von Gewässerrandstreifen eingesetzt werden.
BUND und NABU sprechen sich für die Einsaat von überjährigen Mischungen aus, vor allem weil damit den Bienen schon früh im Jahr Nahrung geboten wird.
Nach den Versuchserfahrungen von Unterseher bietet aber der Aufwuchs von überjährigen Mischungen in den Folgejahren häufig Überraschungen: Je nach Standort und Klima können sich im Frühjahr offene Stellen zeigen (Auswinterungen) und/oder die unerwartete Dominanz von bestimmten Einzelkomponenten auftreten. In diesem Jahr war es beispielsweise die Phacelia.
Unterseher empfahl daher den Anbauern von mehrjährigen Mischungen eine gewisse Geduld, weil manch eine Pflanzenart im weiteren Jahresverlauf noch aufholen könne. Insbesondere die Sonnenblume könne von Jahr zu Jahr unterschiedlich stark auftreten.  Er setzte hinzu: „Die Landwirte und auch die Verbraucher müssen sich bei überjährigen Mischungen daran gewöhnen, dass sich der Aufwuchs im Lauf der Zeit verändert.”