Auf Grundlage des Eckpunktepapiers haben Umweltministerium (UM) und Landwirtschaftsministerium (MLR) einen Gesetzentwurf zu Änderungen des Naturschutzgesetzes und Anpassungen des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG) erarbeitet. Zu diesem hat der BLHV jetzt umfassend Stellung genommen.
Darüber hinaus hat der BLHV alle Forderungen aus dem Volksantrag, die das Gesetz nicht bereits berücksichtigt, mit konkreten Regelungsvorschlägen vorgetragen. In den Zeiten von Corona ist es unklar, ob und wann sich der Landtag mit dem Volksantrag befassen wird.
Dem Volksantrag Gehör verschaffen
Mit der umfangreichen Stellungnahme zum Gesetzentwurf auf Basis des Eckpunktepapiers will der BLHV auch den Anliegen des Volksantrags zusätzlich Gehör verschaffen. Im Bild: Übergabe
von 90000 Unterschriften für den Volksantrag am 6. März an Landtagspräsidentin Muhterem Aras in Stuttgart.
Deshalb sollte die Stellungnahme zur Sicherheit dem Volksantrag zusätzlich Gehör verschaffen.
Der BLHV stellte zunächst klar, dass der Gesetzentwurf nicht, wie vom
Land behauptet, „gemeinsam mit den Landwirtschafts- und
Naturschutzverbänden erarbeitet”, sondern vom MLR und UM vorgeschlagen
wurde. Wesentliche Vorschläge der Landwirtschaft, zum Beispiel zum Ziel
der Pflanzenschutzmittelreduktion, wurden leider nicht aufgenommen.
Dafür war der Gesetzentwurf des Volksbegehrens „Rettet die Bienen”
Ausgangspunkt des Landesgesetzes, was der BLHV kritisierte.
Äußerst kritisch würdigte der BLHV die finanziellen Auswirkungen des
Gesetzes. Die Mehrkosten für den Landeshaushalt werden jedoch vom Land
nicht berechnet. Es heißt lapidar, dass diese mit vorhandenen Mitteln
bezahlt werden sollen, sprich es werden Mittel dafür umgeschichtet.
Maßnahmen finanziell honorieren
Der BLHV stellte klar, dass die
landwirtschaftlichen Betriebe ihren Beitrag zum Artenschutz nur dann
leisten können, wenn diese Maßnahmen auch finanziell honoriert werden.
Er verlangt von der Politik finanzielle Planungssicherheit, gerade in
Zeiten einer erheblichen Mehrbelastung des Landeshaushaltes durch die
Folgen der Corona- Pandemie. Diese müssten eigentlich dazu führen, dass
ein Gesetz mit erheblichen Mehrausgaben zunächst auf Eis gelegt wird,
bis dessen finanzielle Auswirkungen abschätzbar sind. Auch die Kosten
für Bürger und Betriebe, unter dem Begriff Erfüllungsaufwand
zusammengefasst, werden nur zu einem geringen Bruchteil erfasst. Das
Land stellt zusätzliche Fördermittel für die Landwirtschaft in Aussicht,
wird jedoch dabei nicht konkret. Deshalb hat der BLHV eine umfassende
Vorschlagsliste für verschiedenste Förderprogramme, deren Fortschreibung
und deren Ergänzung erarbeitet und seiner Stellungnahme zum
Gesetzentwurf beigefügt.
Klarstellung verlangt
Der BLHV fordert von der Landesregierung zu berücksichtigen, dass Baden-Württemberg
bereits eine kleinstrukturierte Agrarlandschaft mit vielen Landschaftselementen aufweist.
Der BLHV verlangt eine Klarstellung im Gesetz, dass
aus allen Zielen, die im Rahmen der Eckpunkte gesetzlich verankert
werden, sich keine klagbaren Rechtspositionen herleiten lassen. Die
vielfältigen Ursachen des Artenrückgangs, insbesondere auch die
Verantwortung des Handels, müssen sich im Gesetz wiederfinden. Die
Ökologisierung öffentlicher Grünflächen dürfe nicht zu einem
Schädlingsdruck auf benachbarten landwirtschaftlichen Flächen führen.
Ebenso könne man nicht pauschal behaupten, dass auf ökologisch
bewirtschafteten Flächen deutlich mehr Arten vorkämen als auf
konventionell bewirtschafteten Flächen, sondern müsse den Einzelfall
betrachten.
Die über das Internet einsehbare Dokumentationsplattform für
Kompensationsmaßnahmen muss den betrieblichen Datenschutz gewährleisten.
Künftig müsse die Pflege vorhandener, aber ungepflegter
Ausgleichsflächen, zum Beispiel Streuobstwiesen, als Ausgleich gewertet
werden.
Der BLHV begrüßt es, dass die nachteiligen Auswirkungen künstlicher Lichtquellen berücksichtigt
und vermindert werden sollen. Er fordert dabei Ausnahmen vom
Beleuchtungsverbot in Schutzgebieten für notwendige
Beleuchtungseinrichtungen landwirtschaftlicher Anlagen im Außenbereich.
Durch Ausbau des Biotopverbunds auf mindestens 15 Prozent der
Landesfläche bis 2030 werden mehrere tausend Hektar bislang überwiegend
landwirtschaftlich genutzter Fläche im Offenland der
landwirtschaftlichen Produktion entzogen und einer rein ökologischen
Nutzung, ohne jeden betriebswirtschaftlichen Mehrwert, zugeführt. Dieses
Ziel berücksichtigt nicht, dass Baden-Württemberg bereits eine
kleinstrukturierte Agrarlandschaft mit vielen Landschaftselementen
aufweist.
Der BLHV fordert, dass bei der Erweiterung des Biotopverbunds
vornehmlich auf solche Flächen zurückzugreifen ist, die sich für die
landwirtschaftliche Nutzung weniger eignen oder bereits jetzt mit
naturschutzrechtlichen Auflagen belegt sind. Für die Mitwirkung der
Landwirtschaft gelte die Freiwilligkeit.
Im Gegensatz zu bisher müssen künftig Fließgewässer als Verbundachsen
und Verbindungsflächen im Fachplan Biotopverbund berücksichtigt werden.
Aufgrund der Gewässerrandstreifen eignen sich diese Gebiete nur noch
begrenzt für die landwirtschaftliche Nutzung. Zugleich erneuert der BLHV
seine Forderung nach der Gründung einer Kulturland-schaftsstiftung
unter Beteiligung der Bauernverbände, um produktionsintegrierte
Umweltmaßnahmen umfassend zu sichern und zu fördern.
Streuobstwiesen nicht gesetzlich schützen
Der gesetzliche Schutz der
Streuobstwiesen wird abgelehnt. Deren Erhalt sei nach dem bewährten
Grundsatz „Schützen durch Nützen” durch eine bessere Ausstattung der
Förderprogramme besser zu erreichen als durch Verbote. Kritisiert wird,
dass Streuobstwiesen ab einer Mindestgröße von bereits 1500 m² statt
2500 m² wie in Bayern geschützt werden und auch kein Mindestabstand von
50 m zur nächsten Bebauung vorgeschrieben wird. Dies benachteilige
landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg bei Erweiterungen der
Hofstelle gegenüber Betrieben in Bayern erheblich und ohne Grund.
Pflanzenschutz einer der Hauptstreitpunkte
Klärungsbedarf sieht der BLHV nach wie vor beim Thema Pflanzenschutzmitteleinsatz und Reduktionsziele.
Einer der Hauptstreitpunkte beim Eckpunktepapier
zwischen Landwirtschaft und Naturschutz war das weitgehende Verbot von
Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten nach dem Naturschutzrecht. Das
Gesetz regelt ein absolutes Verbot von Pflanzenschutzmitteln in
Naturschutzgebieten und macht die Zulässigkeit des Einsatzes in allen
anderen Schutzgebieten von der Einhaltung zusätzlicher
landesspezifischer Vorgaben der integrierten Produktion abhängig. Der
BLHV kritisiert diese Verbote und Vorgaben als einen erheblichen
Eingriff in die Produktion der in den Schutzgebieten wirtschaftenden
Betriebe.
Die Aussage des Landes, dass Sonderkulturbetriebe aufgrund eines nur
geringen Flächenanteils in Naturschutzgebieten wenig betroffen sind,
blendet aus, dass Einzelbetriebe sehr stark betroffen sind und dadurch
schnell existenzgefährdet sein können. Diese Betriebe könnten nicht mit
ihrer Produktion auf Flächen außerhalb der Schutzgebiete ausweichen,
zumal das Grünlandumwandlungsverbot in Baden-Württemberg Neuanlagen
zusätzlich unmöglich macht.
Die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmeregelungen kritisiert der BLHV als
unzureichend. Flächige Ausnahmen in Schutzgebieten bei invasiven Arten
müssten schnell und flexibel gehandhabt werden. Dazu müssten sich UM und
MLR zügig auf eine Positivliste zulässiger Mittel verständigen.
Einzelausnahmen sind aktuell möglich, wenn eine Gefährdung des
Schutzzwecks nicht zu befürchten ist. Künftig nur noch bei unbilligen
Härten, und selbst dann auch nicht, wenn naturschutzfachliche Interessen
überwiegen. Der BLHV kritisiert deutlich diese massive Benachteiligung
und fordert eine Ausnahmeregelung, die sich am aktuellen Wortlaut
orientiert. Ausnahmen müssten auch ohne Härtefall und wirtschaftliche
Existenzgefährdung des Betriebes möglich sein. Sammelanträge müssten
zugelassen werden.
Sind Ausnahmen nicht möglich, müssen finanzielle Nachteile vollumfänglich entschä-
digt werden. Außerdem benötigten die Betriebe in den Schutzgebieten
längere Übergangsfristen, um sich auf die neue Situation einzustellen.
Dies gilt umso mehr angesichts der sehr weichen und unverbindlichen
Regelungen zum Pflanzenschutzmitteleinsatz in Privatgärten.
Zweiter Teil: Änderungen des LLG
Zweiter Teil des Gesetzespaketes sind Änderungen des
Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG). Der BLHV unterstützt
es, dass die Themen Artenvielfalt und der ökologische Landbau im Bereich
der Bildung mehr Bedeutung erhalten sollen. Eine vorrangige Stellung
dieser Themen als Bildungsziel per Gesetz sei nicht angebracht, da
übergeordnete Themen wie beispielsweise Betriebswirtschaft oder
Unternehmensführung für den zukünftigen Betriebserfolg eine
herausragende Bedeutung haben. Ebenso sei es dringend erforderlich, dass
auch in der Allgemeinbildung Themen wie regional-saisonale Ernährung,
landwirtschaftliche Erzeugung und Artenvielfalt noch stärker
berücksichtigt werden. Dies fehlt noch.
Flächenverbrauch verringern
Aufgegriffen wird in der Stellungnahme die Forderung aus dem
Volksantrag nach einer Verringerung des Flächenverbrauchs. Hierzu
schlägt der BLHV vor, dass die oberste Landwirtschaftsbehörde alle drei
Jahre im Rahmen einer Bodenbilanz feststellt, in welchem Umfang
landwirtschaftliche Flächen der Produktion entzogen wurden, und dann
Fachbehörden, Naturschutzbehörden sowie kommunale und andere öffentliche
Planungsträger unterrichtet und auf bereits bestehende gesetzliche
Vorgaben zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen hinweist.
Bei der Förderung des ökologischen Landbaus begrüßt es der BLHV, dass
das Land den Ausbau des Ökolandbaus im Einklang mit der Marktnachfrage
umsetzen möchte. Das Gesetz müsse dazu die Landesregierung verpflichten,
bis zum 1. Juli 2021 ein schlüssiges Konzept vorzulegen, aus dem
ersichtlich wird, wie sie den Ausbau des Ökolandbaus und die
Marktnachfrage nach Ökoprodukten in Einklang bringen will.
Staatliche Flächen müssen Landwirte auch dann pachten können, wenn sie
auf den Flächen keinen Ökolandbau betreiben, sondern Maßnahmen
umsetzen, die die Biodiversität fördern. Zu den Vorschlägen des BLHV,
den Ökolandbau zu fördern, gehört unter anderem, dass absatzfördernde
Maßnahmen auch auf sogenannte „Umstellerware” ausgeweitet werden und die
Umstellung auf Ökolandbau als Ausgleichsmaßnahme berücksichtigt wird.
Kritischer Blick auf Reduktionsziele
Die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bis zum
Jahr 2030 landesweit um 40 bis 50 Prozent der heutigen Menge gehört zu
den Kernzielen der Eckpunkte und des Gesetzentwurfes. Zu begrüßen sei,
dass nach der Begründung des Gesetzes sich aus den Reduktionszielen des
Landes keine einzelbetrieblichen Reduktionsverpflichtungen ergeben. Dem
widerspricht aber, so kritisiert der BLHV, der Wortlaut des Gesetzes,
wonach der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert „wird”. Der BLHV
legt Wert darauf, dass aus dem Gesetz sich in keiner Weise eine
Verpflichtung zur Zielerreichung andeutet, zumal die
landwirtschaftlichen Verbände bereits beim Eckpunktepapier darauf
hingewiesen haben, dass ein ausgewiesenes Prozent-Ziel fachlich nicht
machbar sei. Deshalb muss das Gesetz auch von „soll” und nicht von
„wird” sprechen.
Zudem werde der Erfüllungsaufwand für die Betriebe aus der Reduktion im
Gesetz nicht berücksichtigt. Dies sei ebenso zu ergänzen, wie dass bei
den Evaluierungen in 2023 und 2027 nicht nur Zieldefinition und -entwicklung, sondern auch die Höhe der Mengenreduktion von 40 bis 50 Prozent evaluiert und gegebenenfalls angepasst wird.
Der BLHV vermisst darüber hinaus konkrete Maßnahmen zur Reduktion des
Pflanzenschutzmitteleinsatzes für nicht-landwirtschaftliche Bereiche im
Gesetz. Zu ergänzen sind auch die unverzichtbaren Beiträge der
Forschungseinrichtungen zur Reduktion, wie auch der Pflanzenzüchtung.
Der BLHV stellt klar, dass auch bei einem reduzierten Einsatz von
Pflanzenschutzmitteln das Land gewährleisten muss, dass die Erzeugung
qualitativ hochwertiger Lebensmittel aus Baden-Württemberg entsprechend
den Standards des Lebensmittelhandels und des gesetzlichen
Verbraucherschutzes für jeden landwirtschaftlichen Betrieb weiterhin
wirtschaftlich möglich sein muss.
In Schutzgebieten außerhalb von Naturschutzgebieten soll bekanntlich der
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nur bei Beachtung zusätzlicher
landesspezifischer Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes zulässig
sein.
Kapitulieren kleinere Nebenerwerbsbetriebe?
Der BLHV kritisiert den damit verbundenen hohen
Zusatzaufwand für die Betriebe. Er sieht die Gefahr von
Produktionseinstellungen oder der Kapitulation kleinerer
Nebenerwerbsbetriebe vor den neuen Dokumentationspflichten. Dem müsse zwingend begegnet werden.
Bei der Dokumentation muss auf vorhandene Dokumentationen im Rahmen des
landwirtschaftlichen Fachrechtes oder Dokumentationen, die von
Vermarktungseinrichtungen vorgegeben werden, zurückgegriffen werden. Die
landesspezifischen Vorgaben dürften kein Verbot von
Pflanzenschutzmitteln nach sich ziehen. Die Auswahl von Mitteln muss
unbürokratisch veränderbar gestaltet sein. Spritzfenster sollten nicht
für jeden Betrieb oder gar auf jeder Fläche angelegt werden.
Eine Umsetzung der Vorgaben im Bauernwald in Natura-2000-Gebieten sei nicht möglich und deshalb vom Gesetz auszunehmen.
Bei den vom Land neu vorgesehenen sogenannten Refugial-flächen sollen
auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche des Landes durch
Fördermaßnahmen Lebens- und Rückzugsräume für Wildarten geschaffen
werden. Voraussetzung für eine Unterstützung durch die Landwirtschaft
sei, so der BLHV, dass die Umsetzung freiwillig erfolgt und vorhandene
geeignete Flächen bei der Zielerreichung berücksichtigt werden.
In der überwiegend kleinräumig strukturierten Agrarlandschaft
Baden-Württembergs sind bereits viele solcher Flächen vorhanden. Diese
müssen zunächst erhoben und dann primär zu diesem Zweck eingerechnet
werden; ebenso Flächen mit nur eingeschränkter landwirtschaftlicher
Nutzbarkeit wie Gewässerrandstreifen. Eine zusätzliche Verpflichtung des
Einzelbetriebs, auf fünf Prozent seiner Flächen ökologisch wirksame
Maßnahmen umzusetzen, wird abgelehnt und eine rein freiwillige Umsetzung
gefordert. Die Fördermaßnahmen müssen dabei einen finanziellen Anreiz
für die Teilhabe enthalten. Die Betriebe sollten frei in ihrer
Entscheidung sein, wie sie die gewünschte Fünf-Prozent-Quote erfüllen.
Erheblicher Änderungsbedarf
Insgesamt sieht der BLHV noch erheblichen
Nachbesserungs- und Änderungsbedarf bei dem vorgeschlagenen
Gesetzentwurf. Die wiederholt vom Land ausgedrückte Wertschätzung der
landwirtschaftlichen Produktion dürfe kein Lippenbekenntnis bleiben,
sondern müsse sich im Gesetzentwurf tatsächlich widerspiegeln. Dies sei
bislang noch nicht der Fall, urteilt der BLHV.