Land und Leute | 30. März 2017

Der Bauernhof macht Demente zufrieden

Von René Bossert
Auf ihrem Hof im Kanton Luzern betreut Luzia Hafner demente Menschen. Der Bauernhof ist ein guter Ort für die Dementen, so ihre Erfahrung. Ihr Angebot trifft auf eine große Nachfrage.
Seit elf Jahren kommen Menschen mit Demenz zu Luzia Hafner nach  Ruswil. Bis zu neun Personen  werden betreut: „Fünf Plätze gibt es für Übernachtungsgäste und vier weitere für Tagesgäste”, erzählt die Bäuerin und Pflegefachfrau. Sie spricht von „Gästen” oder „Menschen mit Demenz”, nicht aber von Dementen. „Der Mensch kommt zu uns, nicht die Demenz”, betont sie.
Der Hof Obergrüt liegt in Ruswil im Kanton Luzern.

Die Angehörigen der Dementen können in einem separaten Gebäude auch auf der Hofstelle übernachten, sie müssen es aber nicht. Für sie bedeutet der Aufenthalt eine Auszeit in der Pflegesituation. Das ist eine willkommene Entlastung von der sich oft über längere Zeit erstreckenden Pflege eines an Demenz erkrankten Angehörigen. „Oft sind die Angehörigen durch die Pflege selber am Anschlag”, beobachtet Luzia Hafner.  
Auf dem 23 Hektar großen Milchviehbetrieb können die Dementen ihrer Fähigkeiten entsprechend bei der Arbeit mithelfen, sei es im Stall, in der Küche oder an anderen Plätzen. Mit einer Schaufel Hackschnitzel auf einen Anhänger werfen, ist so ein Beispiel für eine Arbeit, die einem dementen Mann große Zufriedenheit bereiten kann. Natürlich brauchen Luzia Hafners demente Gäste bei der Arbeit Betreuung, schließlich können sie Gefahren nicht mehr selbst einschätzen.
Die körperliche Arbeit und das Gefühl, gebraucht zu werden, macht den dementen Menschen Freude, ist die Erfahrung von Luzia Hafner. Sie seien zufrieden und weniger unruhig, damit reduziere sich auch der Betreuungsaufwand.   
Luzia Hafner hat bis zu neun Menschen mit Demenz zu Gast.

Der Hof Obergrüt  ist der einzige Hof in der Schweiz, der auf diese Weise mit Dementen arbeitet. Für Luzia Hafner war es ein steiniger Weg durch die Amtsstuben, bis ihr Modell Anerkennung bei Krankenkassen und Behörden fand. In anderen Ländern sei man schon weiter als in der Schweiz, berichtet Luzia Hafner. Bestärkt wird sie in ihrer Arbeit nicht zuletzt durch die positiven Rückmeldungen der Angehörigen. 
Die Nachfrage sei groß, stellt Hafner fest. Nicht zuletzt deshalb hat sie Erweiterungspläne. Aber auch deshalb, weil sie durch eine Erweiterung ihre Einnahmen verbessern könnte. Durch die aufwendige Betreuung und die wenigen Plätze sei die Betreuung kostenintensiv  –  und deshalb immer noch defizitär und werde durch eine Stiftung unterstützt. Insgesamt arbeiten 21 Betreuungspersonen und neun Freiwillige im Schichtbetrieb. Für einen Tag bekommt sie bei Gästen, die übernachten, im Durchschnitt insgesamt 250 Franken bezahlt. Rund 150 Franken davon müssen die Gäste selbst bezahlen, gut 50 Franken bezahlt die Krankenkasse und weitere knapp 50 Franken die Gemeinde, in der die dementen Menschen ihren Wohnsitz haben. 
Wie es in anderen Ländern aussieht
In Österreich und den Niederlanden ist die Betreuung von Menschen mit Demenz auf Bauernhöfen längst nichts Neues mehr. Die meisten Erfahrungen europaweit gibt es in den Niederlanden, wo eine Tagesbetreuung von Dementen mittlerweile auf über 200 Bauernhöfen angeboten wird. Bereits in den 1990er-Jahren haben sich  dort diese Betriebe zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. In Deutschland steckt das Thema  dagegen noch in den Kinderschuhen. In Bayern gibt es einen Betrieb, der eine dreistündige Tagesbetreuung für Demente bei gleichzeitigem Zusatzangebot für ihre Angehörigen macht (www.sonnenhof-regler.de). Am weitesten ist man in Schleswig-Holstein gediehen, wie Heiderose Schiller von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein berichtet. Vier Bauernhöfe wurden dort 2016 als Anbieter eines niedrigschwelligen Beteuungsangebotes gemäß § 45b SGB XI durch das Landesamt für soziale Dienste anerkannt. So können die Gäste ihre Aufwendungen für den Hofbesuch mit der Pflegekasse abrechnen. Die Höfe bieten eine dreistündige Betreuung am Nachmittag an. Die Kammer arbeitet in einem Projekt mit dem Kompetenzzentrum Demenz des Landes Schleswig-Holstein zusammen, um das Thema voranzubringen. Auch ein Arbeitskreis „Bauernhof als Ort für Menschen mit Demenz” wurde gegründet. Schiller sieht Möglichkeiten in der Tagesbetreuung, aber beispielsweise auch für Hofcafés, die speziell Menschen mit Demenz als Gäste empfangen.
Nähere Informationen zum Thema gibt es per Mail. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Website www.greencare-oe.at.