Tierhaltung | 28. Februar 2019

Den Stress beim Absetzen verringern

Von Martin Piecha, LAZBW Aulendorf
Jahr für Jahr gibt es in der Mutterkuhhaltung ein für Mensch und Tier gravierendes Ereignis: die Trennung der Kälber von ihren Müttern. Das LAZBW Aulendorf hat Saugverhinderer getestet, mit deren Hilfe das Abtränken und das Separieren von der Kuh zeitlich getrennt werden.
Die Saugverhinderer sind elastisch und werden in die Nase geklemmt. Am besten geschieht dies im Fangstand. Die Kälber können damit normal fressen und trinken. Auch an kleinen Tränkebecken mit Ventil hat dies funktioniert, es sollte jedoch beobachtet werden. Im Zweifelsfall sollte Wasser in Becken im Kälberschlupf bereitgestellt werden.
Nachdem die Kälber bis zu zehn Monate bei den Müttern waren und sich eine enge Kuh-Kalb-Beziehung aufgebaut hat, müssen die Absetzer von den Müttern getrennt werden. Dies  ist notwendig, damit die Absetzer zur weiteren Vermarktung oder  nachfolgenden Mast getrennt aufgestallt werden können. Zudem benötigen auch Mutterkühe eine Trockenstehphase zur Erholung. Je nach den betrieblichen Gegebenheiten setzen die Mutterkuhhalter auf unterschiedliche Weise ab. Verbreitet ist das Absetzen nach dem oder beim Weideabtrieb im Herbst.
Die gängigen Methoden
Beim Absetzen im Stall bleiben die Kälber im Nachbarabteil zu den Kühen, wobei noch ein Sicht- und Berührungskontakt, aber kein Säugen mehr möglich ist. Im Englischen ist diese Methode als „Fence line weaning” bekannt. Die Erfahrungen sind unterschiedlich: Grundsätzlich positiv, es wird aber auch berichtet, dass in Einzelfällen Kälber versuchen, sich durch die Gitter zur Mutter zu zwängen, was zu Verletzungen führen kann.
Wird auf der Weide abgesetzt, ist es möglich, zuerst die Kühe abzutreiben und die Kälber je nach Witterung ein bis zwei Wochen später in den Stall zu holen. So bleiben die Kälber in der gewohnten Umgebung und müssen nur die Trennung von der Mutter verkraften. Eine Futter- und Haltungsumstellung findet zunächst nicht statt. Hierbei ist es ratsam, eine Altkuh als „Gouvernante” bzw. Leittier auf der Weide zu lassen. Bei den männlichen Kälbern kann diese Aufgabe auch der Deckbulle übernehmen.
Wirksam gegen den Trennungsstress ist ein Verfahren, das bereits bis 2005 von Derek Haley und Joseph M. Stookey von der University of Sasketchewan entwickelt wurde, jedoch bisher in der deutschen Praxis keinen Anklang gefunden hat. Daher sollte am LAZBW Aulendorf Erfahrung mit dem Verfahren gesammelt werden, um es einschätzen und gegebenenfalls empfehlen zu können.
Zweistufiges Verfahren
Bei ihrem zweistufigen Absetzverfahren werden das Abtränken und das Separieren von der Kuh zeitlich getrennt. Dazu werden den Kälbern sogenannte „Nose-flaps”  eingezogen. Diese Saugverhinderer aus Kunststoff schieben die Zitze der Mutter beim Versuch, am Euter zu saugen, zur Seite und verhindern so die weitere Milchaufnahme. Das Kalb bleibt so noch etwa eine Woche bei der Mutter, ohne jedoch weiter Milch zu erhalten. Das heißt, die gleichzeitige Belastung durch Milchentzug und Trennung entfällt. Die Kälber sind in der Folgewoche nach dem Absetzen wesentlich ruhiger, bewegen sich weniger und haben längere Fresszeiten.
Am LAZBW in Aulendorf wurde die Methode erstmals im Herbst 2017 in der Mutterkuhherde mit der Rasse Fleckvieh-Fleisch angewendet und im Herbst 2018 wiederholt. Dabei wurden die nachfolgenden Daten zu den Kosten und zum Zeitbedarf gewonnen sowie Erfahrungen gesammelt.
Das Einziehen der Saugverhinderer dauert je nach Rüstzeiten (Aufbauen des Fangstands) und Herdengröße etwa fünf bis zehn Minuten je Tier. Für das Einziehen der Saugverhinderer ist ein Fangstand hilfreich, der auch für weitere Behandlungen und Wiegungen genutzt wird. Das Herausnehmen kann beim Absetzen und Wiegen der Kälber miterledigt werden, was nur wenig weiteren Zeitaufwand bedeutet. Die Saugverhinderer kosten 5 Euro pro Stück. Bei dem Versuch am LAZBW gingen 2017 drei von 16 (2018: sieben von 23) Saugverhinderern verloren, wobei drei  wiedergefunden und wiederverwendet werden konnten. Geht man von 20 Kälbern pro Jahr aus und rechnet man die Verluste an Saugverhinderern auf zehn Jahre hoch, so muss man mit Kosten von circa 0,90 Euro je Kalb und Jahr rechnen. Bei 15 Euro pro AKh und maximal zehn Minuten Zeitaufwand kommen kalkulatorisch 2,50 Euro je Absetzer hinzu. Die Gesamtkosten belaufen sich somit auf 3,40 Euro je Absetzer und Jahr. Hier   Bezugsquellen für die Saugverhinderer:
Zu beachten ist, dass die Kälber mindestens sieben Monate alt sein sollten und der Zeitabstand zwischen Einziehen der Saugverhinderer und dem Absetzen höchstens sieben, besser fünf Tage beträgt. Die höhere Verlustrate an Saugverhinderern im Jahr 2018 ist vermutlich auf die betrieblich bedingte größere Zeitspanne von neun Tagen bis zum Absetzen zurückzuführen.
Am LAZBW wurden die Kälber in der Woche nach dem Absetzen zweimal pro Tag beobachtet. Nach Aulendorfer Einschätzung waren die Absetzer im Vergleich zu den Vorjahren wesentlich ruhiger. Trat ein Tierbetreuer an die Stallabteile der Absetzer heran, nahmen die Lautäußerungen im Vergleich zu den nicht aus der Mutterkuhhaltung stammenden Tieren zu, beruhigten sich jedoch bald wieder.
Die Kühe waren während der Phase nach dem Einziehen der Saugverhinderer  etwas lauter, da die Milch nicht mehr abgenommen wurde. Die Unruhe in der Herde war nach dem Absetzen wie in den Vorjahren vorhanden, dauerte aber nicht so lange an. Wahrscheinlich wurde diese Unruhe eher durch den Absetzvorgang an sich (Sortieren, Verladen usw.) verursacht und weniger durch die Trennung.
 
Fazit
Das zweistufige Absetzen funktioniert nach Aulendorfer Einschätzung grundsätzlich. Es reduziert die mit dem Absetzen einhergehenden Lautäußerungen der Rinder beträchtlich und kann gerade in ortsnahen Lagen der möglichen „Ruhestörung” vorbeugen.  Auch ist davon auszugehen, dass ein sanfterer Übergang in die Mast mit dieser Methode verbunden ist und somit mit einer besseren Mastleistung gerechnet werden kann. Insbesondere eignet sich das zweistufige Absetzen bei eher milchreichen Rassen wie zum Beispiel Fleckvieh oder Angus, welche auch zum Ende der Laktation noch eine vergleichsweise hohe Milchleistung haben.