Pflanzenbau | 29. September 2016

Den Raps spritzen, schützen und kürzen

Von Dr. Peter Knuth, Regierungspräsidium Tübingen
Die Applikation von Azolfungiziden im Herbst kann den Raps vor Phoma-Infektionen schützen. Außerdem lässt sich mit dieser Maßnahme das Höhenwachstum der Pflanzen bremsen, um sie fit zu machen für den Winter.
Bei Phomainfektionen erscheinen auf den Blättern der jungen Rapspflanzen zunächst gelbliche Flecken, die sich im Zentrum weißgrau verfärben und viele winzig kleine schwarze Pünktchen haben.
Milde Vorwintertemperaturen bis in den Dezember hinein haben in den vergangenen Jahren die Vegetations- und Wachstumszeit des Winterrapses verlängert. Einerseits sollten sich die Bestände für eine gute Regenerationsfähigkeit im folgenden Frühjahr vor Wintereinbruch kräftig entwickeln, andererseits birgt die lange Vegetationszeit auch die Gefahr, dass sich die Bestände überwachsen und bereits vor dem Winter ins Längenwachstum übergehen und damit frostgefährdet sind. Der Einsatz von Azolfungiziden im Herbst mit deren wachstumsregulierender Wirkung hat sich daher schon fast zu einer Standardmaßnahme entwickelt.
Im Idealfall besteht ein Rapsfeld vor Wintereinbruch aus kräftig entwickelten Einzelpflanzen mit einem flach an der Erdoberfläche sitzenden Vegetationskegel, einer rund 25 cm langen, tiefgehenden Pfahlwurzel mit einem Wurzelhalsdurchmesser von mindestens 10 mm und 35 bis 45 Pflanzen pro Quadratmeter mit jeweils acht bis zwölf Laubblättern.
Um dieses Idealziel annähernd zu erreichen, muss der Saatzeitpunkt sorgfältig gewählt werden. Außerdem sind winterfeste Sorten mit geringer Schossneigung, ausgeglichener Wüchsigkeit und Widerstandskraft gegen die Wurzelhals- und Stängelfäule auszusäen. Nicht zuletzt sollte jeder Landwirt die Entwicklung seiner Rapsbestände von Anfang an genau beobachten. Nicht immer ist eine Wuchsregulierung sinnvoll. Schwach entwickelte Pflanzen müssen vor allem bei andauernder Trockenheit nicht auch noch eingekürzt werden. 
Die Wurzelhals- und Stängelfäule
Die Wurzelhals- und Stängelfäule (Phoma lingam) zählt nach wie vor zu den wichtigsten Rapskrankheiten im Herbst. Früher kam es zu empfindlichen Ertragsausfällen. Heute sind relativ widerstandsfähige Sorten im Anbau. Bei den widerstandsfähigen Sorten handelt es sich aber nicht um eine echte Resistenz. In der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes sind keine Einstufungen der Sorten hinsichtlich der Anfälligkeit oder Resistenz gegenüber der Wurzelhals- und Stängelfäule zu finden. Es handelt sich also in erster Linie um eine Einschätzung der Züchterhäuser aufgrund langjähriger Erfahrung.
Die Krankheit darf aber nicht vernachlässigt werden. In junge Rapspflanzen dringt der Pilz leicht ein, wenn die Blätter zum Beispiel durch den Fraß von Schädlingen wie Erdflöhen oder Schnecken verletzt sind. Eintrittspforten sind aber auch Scheuerstellen am Wurzelhals durch kleine Steinchen bei Wind. Eine hohe Infektionsgefahr im September und Oktober ist gegeben, wenn sich der Pilz bei feuchter Witterung auf den Stoppelresten der abgeernteten Rapsflächen optimal vermehren konnte. Auch dieses Jahr kann dort, wo es genügend geregnet hat, ein erhöhtes Sporenvolumen zu einem verstärkten Infektionsrisiko führen. Die auf den Stoppelresten gebildeten Ascosporen werden durch den Wind auf die neuen Rapsfelder geweht und können dort nach Regenfällen die jungen Rapspflanzen infizieren. 
Eindeutige Symptome
Die ersten Symptome einer Infektion sind relativ leicht zu erkennen. Auf den Blättern der jungen Rapspflanzen erscheinen zunächst gelbliche Flecken, die sich im Zentrum weißgrau verfärben und viele winzig kleine schwarze Pünktchen haben, die sogenannten Pyknidien mit den Pyknidiosporen.
Bei stärkerem Infektionsdruck, wenn schon auf den Keimblättern oder ersten Laubblättern Symptome auftreten, kann es bereits im Herbst zu einem Durchwachsen des Pilzes vom infizierten Blatt über den Blattstiel auf den Stängel oder den Wurzelhals kommen. Der Anfangsbefall auf den Blättern ist wenig gefährlich. Stängel- und Wurzelhalsinfektionen können aber zu einer Vermorschung und Einschnürung des Wurzelhalses bis hin zum Absterben der Pflanze führen. Bei späten Blattinfektionen im Oktober bis November wächst der Pilz in der Regel deutlich langsamer, als das Blatt altert und letztlich abfällt, so dass Blattinfektionen im Spätherbst eher selten zu Wurzelhalsinfektionen führen und nicht ertragsrelevant sind. 
Ein Übergreifen der Infektion vom Blatt auf die Stängel gilt es auf jeden Fall zu verhindern. Das kostenpflichtige „Phoma-Modul” von ProPlant berechnet aufgrund von Witterungsdaten die Infektionswahrscheinlichkeit durch Phoma im Herbst und kann als Entscheidungshilfe für einen Fungizideinsatz genutzt werden.
Das Wachstum vor dem Winter bremsen
Je höher die Rapspflanzen vor Wintereinbruch wachsen, desto größer wird das Auswinterungsrisiko. Die im Herbst eingesetzten Fungizide haben als Wirkstoffkomponenten Azole, die neben der fungiziden Wirkung gegen Phomainfektionen auch wuchsregulierende Eigenschaften haben, siehe Tabelle. Die Substanzen greifen dabei in den Hormonhaushalt der Pflanzen ein. Ziel einer Fungizidbehandlung zur Wachstumsregulierung ist, der vorzeitigen Sprossstreckung entgegenzuwirken, um das Abfrieren des Vegetationskegels – vor allem bei strengen Kahlfrösten – zu verhindern.
Der optimale Zeitpunkt für die Wachstumsregulierung ist erreicht, wenn der Raps das Vier- bis Sechs-Blatt-Stadium erreicht hat, allerspätestens beim Bestandesschluss. Bei ungleichmäßig aufgelaufenem Raps muss man sich an den gut entwickelten Pflanzen orientieren. Bei früh gesäten Beständen oder auch bei besonders frohwüchsigen Sorten und ausreichender Feuchtigkeit kann der Raps dieses Stadium in manchen Jahren bereits Mitte September erreicht haben, so dass dann eventuell nach rund drei Wochen sogar eine zweite wuchsregulierende Behandlung notwendig werden kann. In diesem Jahr fehlte dazu lange der notwendige Regen. Wenig entwickelte und eventuell durch Herbizide geschwächte Bestände können unbehandelt bleiben. Hat man den Zeitpunkt für eine wuchsregulierende Maßnahme verpasst und der Bestand ist bereits ins Längenwachstum übergegangen, kann dies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Bestände können nicht im Nachhinein wieder „geschrumpft” werden.
In der Praxis muss fast immer vorbeugend gespritzt werden, weil zu dem Zeitpunkt, zu dem die Behandlung stattfinden muss, sich das kommende Herbstwetter nicht abschätzen lässt.
Schlussfolgerung und Empfehlungen
Die längeren Vegetationsperioden der vergangenen Jahre sprechen für eine Sicherung der Winterfestigkeit des Rapses durch die Herbstbehandlung. Sie wird daher auch vom amtlichen Pflanzenschutzdienst empfohlen. Soll neben der Wuchsregulierung auch eine gute Wirkung gegen die Wurzelhals- und Stängelfäule erzielt werden, sollte immer die maximal zugelassene Aufwandmenge genommen werden.
Muss zeitgleich mit dem Fungizid auch ein Insektizid gegen die Rapserdflöhe gespritzt werden, wird ein Teil der als B4 (bienenungefährlich) eingestuften Pyrethroide (beispielsweise Karate Zeon, Kaiso Sorbie, Hunter, Mavrik, Fastac SC Super Contact, Trafo WG, Lambda WG) bienengefährlich – B2. Diese Tankmischungen dürfen nur abends im Zeitfenster nach dem täglichen Bienenflug bis 23.00 Uhr appliziert werden. Bei dem Pyrethroid Nexide, das als Einzelprodukt zur Erdflohbekämpfung ebenfalls eine B4-Einstufung hat, muss beachtet werden, dass eine Tankmischung mit einem Azolfungizid sogar als bienengefährlich – B1 – eingestuft ist, also in blühenden Beständen überhaupt nicht angewendet werden darf.