Tierhaltung | 27. September 2019

Den Erregerdruck möglichst gering halten

Von Dr. Carolin Holling, LWK Niedersachsen
Um Streptokokken in den Griff zu bekommen, reicht es nicht aus, Impfstoffe oder Antibiotika einzusetzen. Wichtig ist auch, den Erregerdruck über Managementmaßnahmen zu senken und anderen Krankheitserregern als Wegbereiter möglichst schnell auf die Spur zu kommen.
Steptokokken gehören zur natürlichen Keimflora der Haut, Schleimhäute und Mandeln beim Schwein. Sie sind aber  auch in der Tierumgebung, zum Beispiel  in Staub, regelmäßig zu finden. Da sich diese Bakterien häufig auch auf den Schleimhäuten des Geburtsweges der Sauen befinden, werden neugeborene Ferkel bereits am ersten Lebenstag besiedelt. Eine weitere Verbreitung kann durch (Nasen-)Kontakt zu infizierten Trägertieren, über Aerosole oder Vektoren wie Fliegen erfolgen.
 
Offene Wunden dienen als Eintrittspforten
 
Um den Erregerdruck möglichst gering zu halten, sind ein konsequentes Rein-Raus-Verfahren in allen Abteilen sowie eine gründliche Reinigung und Desinfektion unersetzlich.
Bisher sind 35 verschiedene Serotypen von Streptococcus suis beschrieben. Bei erkrankten Schweinen werden in Deutschland am häufigsten die Serotypen 1, 2, 7 und 9 nachgewiesen. Insbesondere die Serotypen 2 und 9 zeichnen sich durch eine hohe Virulenz aus und weisen somit vergleichsweise viele krankmachende Eigenschaften auf. Um diese entfalten zu können, muss der Erreger aber zunächst einmal von der Haut oder den Schleimhäuten in das Körperinnere eindringen. Als Eintrittspforte können alle offenen Wunden dienen: unter anderem  der Nabel direkt nach der Geburt, Wunden durch Kastration oder Kupieren der Schwänze, Injektionsstellen und Abschürfungen an den Karpalgelenken.
 Im Saugferkelalter verursachen Streptokokken häufig eitrige Nabel- und Gelenkentzündungen. Hirnhautentzündungen treten am häufigsten bei Ferkeln in der Ferkelaufzucht auf. Dabei fällt im Anfangsstadium häufig nur ein schwankender, unkoordinierter Gang auf. Später findet man die Ferkel in  Seitenzwangslage mit krampfenden Ruderbewegungen der Beine sowie manchmal auch  mit gestrecktem Kopf und unkontrollierten Augenbewegungen. In einigen Fällen ist der  Verlauf aber auch perakut. Das heißt, die Tiere werden ohne vorherige Krankheitsanzeichen tot aufgefunden. Neben den typischen Krankheitsbildern können Streptokokken aber auch unter anderem Herzklappen-, Bauch- und Brustfellentzündungen verursachen und an Lungenentzündungen beteiligt sein.

 
Prüfen, ob andere Erreger Wegbereiter sind
Verletzungen sowie Hautabschürfungen an den Karpalge- lenken sind häufig Eintrittspforten für Streptokokken.
Nicht zu vernachlässigen ist die Rolle von Streptococcus suis als Sekundärerreger, denn durch die Vorarbeit von anderen Viren und Bakterien haben die Streptokokken ein leichtes Spiel. So ist zum Beispiel erwiesen, dass  bei einer gleichzeitigen Infektion mit PRRS und Streptococcus suis die Sterblichkeit der erkrankten Ferkel deutlich erhöht ist und auch die Lungenläsionen deutlich schwerwiegender ausfallen als bei reinen Streptococcus-suis-Infektionen. Deswegen ist bei hartnäckigen Streptokokkenproblemen auch zu prüfen, inwiefern andere Krankheitserreger als Wegbereiter eine Rolle spielen.
Da auch andere Krankheitserreger ähnliche Symptome verursachen können, kann eine sichere Diagnose nur durch die klinische Untersuchung der Tiere durch den Tierarzt mit anschließender Diagnostik erfolgen. Um den Erreger aus den betroffenen Geweben zu isolieren und anzuzüchten, ist meist eine Sektion notwendig. In einigen Fällen gelingt die Probenentnahme aber auch über die Punktion von Gelenken oder des Rückenmarkkanals.  Wird dann Streptococcus suis nachgewiesen, ist eine Serotypisierung und in Abhängigkeit vom Ergebnis eine Bestimmung der Virulenzfaktoren sinnvoll. Nicht selten kommen in Schweinebeständen mehrere Serotypen und Stämme vor, die man so weiterverfolgen kann.
 
Vorbeugemaßnahmen
Bei Hirnhautentzündungen fällt am Anfang oft nur ein schwankender Gang auf. Später findet man die Ferkel wie hier in Seitenzwangslage.
Nun zur wichtigsten Frage: Wie bekommt man  Streptokokken in den Griff? Zwei Grundsätze sind dabei ganz besonders wichtig:
  • Den Erregerdruck und die Verbreitung des Erregers durch  Hygiene- und Managementmaßnahmen  möglichst gering halten.
  • Für eine  stabile Tiergesundheit sorgen  durch Vermeidung von Koinfektionen.
Um den Erregerdruck möglichst gering zu halten, sind ein konsequentes Rein-Raus-Verfahren in allen Abteilen sowie eine gründliche Reinigung und Desinfektion unersetzlich. Zurückstallen und unnötiges Mischen von Ferkeln sind tabu. Durch das Waschen von Sauen vor dem Einstallen in den Abferkelstall mit einem Tierwaschmittel und durch Besprühen des Gesäuges und der Zitzen kurz vor der Geburt mit zugelassenen, iodhaltigen Hautdesinfektionsmitteln kann der Keimdruck auf der Haut reduziert werden.
 Eine Besiedlung der Ferkel in den ersten Lebenstagen lässt sich aber in der Regel nicht vermeiden. Umso wichtiger ist deshalb die Hygiene bei allen Eingriffen und Behandlungen. Nabelentzündungen kann man über das Kürzen und Desinfizieren der Nabelschnur mit einem Jodpräparat reduzieren. Bei der Kastration dürfen nur saubere und ausreichend desinfizierte Skalpelle verwendet werden (Drei-Messer-Regel). Die Injektionsspritzen müssen sauber sein und die Kanülen regelmäßig gewechselt werden – in Problembetrieben möglichst nach jedem Wurf.
 Um Stress und Rangordnungskämpfe der Ferkel zu vermeiden, sollte gerade in der Säugephase auch ein besonderes Augenmerk auf die Sau gelegt werden. Hat diese genug Milch? Bei den ersten Anzeichen von MMA (z. B. Fieber) sollte die Sau frühzeitig behandelt werden. Während der gesamten Säugezeit kann der Erregerdruck auf der Haut und in der Tierumgebung weiter reduziert werden, indem ein- bis zweimal pro Woche sogenannte Hygienepulver mit desinfizierender Wirkung ausgebracht werden.
In einigen Problembetrieben hat auch das Waschen der Ferkel beim Absetzen oder wenige Tage danach gute Erfolge gezeigt. Durch Rangordnungskämpfe entstehen neue Eintrittspforten und der Stress begünstigt Infektionen. Deshalb sollten auch die Einstallbedingungen, die Anfütterung und die Belegdichte unter die Lupe genommen werden. Zum Einsatz von speziellen Ergänzungsfuttermitteln, die meist mittelkettige Fettsäuren enthalten, gibt es  im Hinblick auf die Reduktion von Streptokokkeninfektionen sehr unterschiedliche Erfahrungen.
Zusätzlich zu den zahlreichen Managementmaßnahmen kann auch eine Prophylaxe mit einem stallspezifischen Impfstoff versucht werden. Am häufigsten wird die Mutterschutzimpfung angewendet, die während der Grundimmunisierung zweimal im Abstand von drei bis vier  Wochen vor der Geburt injiziert wird. In den folgenden Trächtigkeiten ist dann nur noch eine Auffrischung drei bis vier Wochen vor der Geburt nötig.  Ziel ist die Weitergabe von Antikörpern über die Biestmilch an die Ferkel, die so während der Säugephase besser geschützt werden. Wenn die klinischen Symptome vor allem in der Ferkelaufzucht auftreten, ist auch eine Impfung der Ferkel möglich.
Der Erfolg der Impfung hängt von mehreren Faktoren ab: So ist es ganz wichtig, nur die für die Symptome verantwortlichen Streptococcus-suis-Stämme aus entsprechenden Lokalisationen für die Impfstoffherstellung zu verwenden. Dafür bedarf es einer guten Diagnostik.  Auch der Serotyp scheint einen Einfluss auf den Impferfolg zu haben.
 
Rasch behandeln
Treten bereits klinische Symptome auf, müssen betroffene Tiere so früh wie möglich und über mehrere Tage behandelt werden. Handelt es sich um eine Bestandserkrankung, ist auch in vielen Fällen die Behandlung der ganzen Gruppe sinnvoll, wenn die ersten Einzeltiere erkrankt sind. Häufig ist Amoxicillin der Wirkstoff der Wahl. Cephalosporine gehören zu den sogenannten „kritischen Antibiotika” und sollten möglichst nicht angewendet werden.