Politik | 21. Dezember 2023

Bauern in Wut versetzt statt in Adventsruhe

Von AgE (rm)/Eberenz
Mehrere tausend Landwirte aus dem gesamten Bundesgebiet, davon schätzungsweise rund 1700 mit Traktoren, haben am Montag im Berliner Regierungsviertel gegen die Sparpläne der Bundesregierung im Bereich der Landwirtschaft protestiert.
Eine Gruppe aus Südbaden hatte sich sich der Groß-Demonstarion in Berlin angeschlossen.
Die Berliner Polizei sprach von 7.000 Teilnehmern, die Veranstalter gehen von bis zu 10.000 Demonstranten aus, die aus der gesamten Republik in die Hautstadt gekommen waren. Davon waren schätzungsweise 1.700 Teilnehmende mit Traktoren angereist. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, kündigte für Januar „weitere kraftvolle Aktionen” in ganz Deutschland an, sollte die Bundesregierung die geplante Streichung der Agrardieselvergünstigung und den Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge bis dahin nicht vollständig zurücknehmen. Dann werde es Bauernproteste geben, „wie sie das Land noch nicht erlebt hat”.
Rukwied: „Kampfansage an die Landwirtschaft”
DBV-Präsidenten Joachim Rukwied (links) zeigte sich entschlossen und kämpferisch, während Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in den Augen vieler keine gute Figur abgab.
Rukwied bezeichnete die Beschlüsse der Bundesregierung erneut als „Kampfansage an die Landwirtschaft”, die man annehme und gegen die man sich entschieden zur Wehr setzen werde. Dass der Deutsche Bauernverband (DBV) die Demonstration innerhalb von drei Tagen auf die Beine gestellt habe und dabei von einer Vielzahl von Interessenverbänden unterstützt werde, ist für Rukwied ein Zeichen für die Entschlossenheit des Berufsstandes. Die Kundgebung selbst nannte der DBV-Präsident ein „starkes Signal an die Bürgerinnen und Bürger sowie die Bundesregierung”.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte zu, er werde sich „mit aller Kraft” dafür einsetzen, dass die Kürzungen so nicht kommen. „Ich kämpfe dafür, dass es in der Härte nicht kommt”, sagte der Grünen-Politiker, der seine Rede wegen lautstarker Unmutsbekundungen einmal unterbrechen musste. Özdemir räumte ein, dass die Landwirtschaft von den Sparvorgaben härter getroffen werde als andere Branchen, „und das in einer Zeit, in der es den Betrieben ohnehin schlecht geht”. Der Minister appellierte an die Demonstranten, sich nicht von Leuten vereinnahmen zu lassen, „die ganz andere politische Ziele verfolgen”.
Keine Perspektiven
Eine eindrucksvolle Protestparade: Traktoren mitten in Berlin
Die Vorsitzende vom Bund der Deutschen Landjugend (BDL), Theresa Schmidt, warf der Bundesregierung vor, mit ihrer Politik insbesondere junge Landwirtinnen und Landwirte im Regen stehen zu lassen und ihnen Zukunftsperspektiven zu nehmen: „Wir sind bereit, voranzugehen, müssen aber feststellen, dass die Politik uns immer wieder daran hindert”, kritisierte Schmidt. Der Sprecher von „Land schafft Verbindung”, Claus Hochrein, sagte, die Bundesregierung habe mit ihren Steuerplänen für die Landwirtschaft ihre Glaubwürdigkeit endgültig verspielt. Damit sei die Zeit der Verhandlungen mit der Politik vorbei.
Der Präsident vom Bundesverband Lohnunternehmen (BLU), Klaus Pentzlin, wies darauf hin, dass Deutschland bereits jetzt die höchsten Steuern des in der Landwirtschaft eingesetzten Diesels aufweise. Der Vorsitzende Familienbetriebe Land und Forst, Max von Elverfeldt, erklärte, dass die Steuerpläne auch die Forstwirtschaft massiv belasteten, und forderte eine vollständige Rücknahme des Vorhabens. Von Südbaden aus machten sich am späten Sonntagabend zwei Busse mit knapp 100 Bäuerinnen und Bauern nach Berlin auf, um dort die Großdemo zu verstärken. Karin Henninger vom Agrardienst Baden war fürs Organisatorische mit an Bord: Sie berichtete von aufgebrachter, aber nicht aggressiver Stimmung unter den Mitfahrern, aber auch von „tollem Zusammenhalt” und einem „tollen Erlebnis”.
Ähnlich äußerte sich Mitfahrer Stefan Leichenauer. Der Konstanzer BLHV-Kreisvorsitzende sprach von einem überwältigenden „Wir-Gefühl”, das alle erfasst habe.  Sehr angetan war er vom generationsübergreifenden Altersgefüge in den Bussen.  „Super, was der BLHV da in kurzer Zeit alles auf die Beine stellt”, habe ein Junger zu ihm gesagt. Und er habe sich darüber gefreut, dass der BLHV hier eine so gute Figur macht, auch bei der jüngeren Generation.
Bernhard Bolkart: Druck hoch halten!
BLHV-Präsident Bernhard Bolkart ist angesichts der Sparpläne der Bundesregierung einseitig zu Lasten der Landwirtschaft fassungslos: „Es ist absolut indiskutabel, in Zusammenhang mit der Landwirtschaft von klimaschädlichen Subventionen zu reden, und kann so nicht hingenommen werden. Wir erzeugen Lebensmittel, nachwachsende Rohstoffe, pflegen die Kulturlandschaft, erhalten Biotopflächen und Lebensraumtypen. All das geschieht mit diesen vermeintlich klimaschädlichen Subventionen.”
Zu  Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir äußert sich Bolkart wie folgt: „Ich habe erwartet, dass wir einen Landwirtschaftsminister haben, der hier ein Veto einlegt, dem bewusst ist, dass das in der Landwirtschaft nicht hinnehmbar ist.”
Für Bolkart ist jetzt die Zeit gekommen, den Druck hoch zu halten, auch wenn die Regierungspläne zurückgenommen werden: „Das ganze System muss wieder vom Kopf auf die Füße, wie beispielhaft  gerade bei den GLÖZ-Auflagen, einem Riesen-Aufreger. Die gute fachliche Praxis muss wieder Richtschnur werden für unser Handeln und nicht ideologische Spinnereien.”