Betrieb und Wirtschaft | 27. September 2018

Dem Klimawandel Paroli bieten

Von Christa Maier
Als einer von 30 Pilotbetrieben in Baden-Württemberg beteiligt sich der Betrieb der Familie Bauer in Salem-Buggensegel am Projekt Life AgriAdapt zur Anpassung der europäischen Landwirtschaft an den Klimawandel.
Der Klimawandel ist längst da. Wer von der Natur abhängig ist, der beobachtet die schleichenden Veränderungen. Seit acht bis zehn Jahren stellt Landwirtschaftsmeister Uwe Bauer extreme Wetterschwankungen fest.
„2003 war es saumäßig trocken und Ende 1980 hatten wir schon einmal total ausgebrannte Wiesen”, erinnert sich sein Vater Rudi Bauer. 2017 sei es dann elend nass gewesen. „Auf Nass folgt oft trocken”, die Erfahrung teilen Jung- und Altbauer, die 78 Hektar Fläche bewirtschaften, davon jeweils zur Hälfte Acker- und Grünland. Ihnen fehlt in diesem Jahr ein kompletter Schnitt. Doch zum Glück hat der Betrieb noch Reserven vom vergangenen Jahr, so dass man mit den 100 Milchkühen und 80 Nachzuchttieren  über die Runden kommt.
Rudi Bauer, Uwe Bauer und die Auszubildende Sophie Fetzner (von links) machen sich nicht nur wegen der Beteiligung am Projekt Life AgriAdapt Gedanken über die Anpassung an den Klimawandel.
Bauers Betrieb ist einer der 30 Pilotbetriebe beim Projekt „Life AgriAdapt” in Baden-Württemberg. Zunächst galt es für Uwe Bauer, einen Fragebogen auszufüllen, in dem  Informationen über seinen Betrieb abgefragt wurden. Seine Erträge der vergangenen 15 Jahre und die Klimadaten wurden gegenübergestellt. Die Wettergrundlagen stammen von Agri4Cast, einer europäischen Plattform.
„Von dort beziehen wir die Wetterdaten der letzten 30 Jahre sowie die Projektionen für die kommenden 30 Jahre”, sagt Sabine Sommer von der Bodensee-Stiftung. Diese Daten stehen europaweit für Raster von 25×25 km zur Verfügung. Aufgrund dieser Daten und der Gegenüberstellung der Ertragsdaten für die Ackerkulturen des Betriebes – in diesem Fall die Ertragsdaten vom Statistischen Landesamt für den Landkreis Bodenseekreis  – können mithilfe des im Projekt entwickelten Tools die derzeitige Anfälligkeit der verschiedenen Kulturen sowie die zukünftige Anfälligkeit dargestellt werden.
„Zur weiteren Bewertung betrachtet man zusätzlich die sensiblen Phasen der verschiedenen Kulturpflanzen, in denen sie auf bestimmte Wetterereignisse hinsichtlich Quantität und Qualität negativ reagieren”, erklärt Sommer. Die für den Ertrag wichtigen Indikatoren wie beispielsweise Temperaturen von über 30 Grad während der Getreideblüte können so dargestellt werden.  
Andere Sorten
Was wurde gesät, was geerntet, welche Wetterereignisse beeinflussten die Kulturen, gibt es Abweichungen vom Vorjahr? Solche Fragen begleiten die Familie Bauer während des dreijährigen Projekts, das mit Fachveranstaltungen und Hofbesuchen verbunden und Ende 2019 abgeschlossen sein wird. Während des zweiten Betriebsbesuches wurden die ersten Ergebnisse zur Anfälligkeit des Betriebes vorgestellt sowie die von der Bodensee-Stiftung vorgeschlagenen Anpassungsmaßnahmen besprochen, um die Belastbarkeit des Betriebes gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen.
„Wir brauchen künftig eher trocken- und hitzeresistente Sorten”, sagt Uwe Bauer. Auch frühreifere Weizen- und Gerstensorten, die schon vor dem August geerntet werden können, und Wintergerste, die vor Juli reif ist, wird man seiner Meinung nach benötigen.  „Und Maissorten, die mit der Trockenheit besser umgehen können”, sagt Rudi Bauer.  Derzeit ziele die Züchtung auf späte Sorten ab, die größer und ertragreicher sind. 
Auch mit Mischsorten, die nicht nur Trockenheit und Hitze trotzen, sondern sich für verschiedene Begebenheiten eignen, würde man das Risiko etwas aufteilen. Bei Veredelungsbetrieben  könne man mit zwei oder drei Sorten arbeiten. „Doch reine Ackerbaubetriebe brauchen Sortenreinheit, da kein Bäcker Interesse an Sortenmischungen hat”, weiß Bauer.
Insofern ist er froh, dass alles, was er produziert, auch auf seinem Betrieb bleibt. Beim Mais arbeitet er schon mit Mischungen und auch mit Weißklee oder Gras als Untersaat. Früher hatte Rudi Bauer auch bei der Sommergerste eine Grasuntersaat, die den Boden schützte. Doch eine Unkrautbehandlung war dann nicht möglich, so dass die Distel höher als die Gerste war.
„Die Idee mit der Untersaat ist gut auch für den Häcksler, der weniger Dreck auf die Straße schleppt”, sagt Uwe Bauer. Wenn der Boden das ganze Jahr über bedeckt sei, wirke sich dies auf die Feuchtigkeit, das Bodengefüge und auch die Wasseraufnahme positiv aus.
Sensibilisieren
Beim 2011 gebauten neuen Milchviehstall hat Uwe Bauer bereits vorausschauend gehandelt: Er ist nach allen Seiten offen und sorgt so mithilfe von Ventilatoren für eine gute Durchlüftung. Das isolierte Dach sei im Sommer wichtig. Durch die großzügig ausgelegte Fläche gibt es kaum Stress unter den Tieren.
Bei Temperaturen zwischen acht und 18 Grad fühlen sich ihre Holstein-Kühe am wohlsten. Der Spalt im Dach lässt Regen und Schnee rein, was die Kühe genießen. „Die lassen sich regelrecht beregnen”, sagt Uwe Bauer. Das Wasser wird im Winter aufgeheizt. Wichtig sei, dass genügend Wassertränken vorhanden sind und dass auch immer eine gewisse Menge Wasser läuft. Die Hauptfütterung haben die Bauers in die Abendstunden verlegt, wenn die Hitze nachlässt: „Dann fressen die Tiere auch mehr.” Auch diese Erkenntnisse des Familienbetriebs werden sich im Klimawandel-Check wiederfinden. 
„Unser Ziel ist es, die Landwirte bezüglich des Klimawandels zu sensibilisieren und aufzuzeigen, was auf sie zukommen wird und wie sich aufstellen können”, sagt Sabine Sommer. Empfehlungen für nachhaltige Anpassungsmaßnahmen könnten beispielsweise die Erweiterung der Fruchtfolge und Kulturarten oder ein positives Einwirken auf die Bodenstruktur durch weniger tiefes Pflügen sein.
Anpassung
Bei „Life AgriAdapt” geht es um  die Entwicklung, praktische Erprobung und Verbreitung von Maßnahmen, die zu einer nachhaltigen Anpassung landwirtschaftlicher Betriebstypen an den Klimawandel führen. Rund 120 Betriebe europaweit beteiligen sich. Die Gesamtkoordination des Projekts liegt bei der Bodensee-Stiftung in Radolfzell.