Dem Grobfutter mehr zutrauen
Bezogen auf die Trockenmasse erhielt die Gruppe 250 bis zum 165. Laktationstag eine TMR mit einem Kraftfutteranteil von 35 % und danach von 22 %. Diese beiden Rationen führten im Schnitt zur Versorgung mit 250 g Kraftfutter pro Kilogramm Energiekorrigierte Milch (ECM). Die Gruppe 150 bekam bis zum 165. Laktationstag eine TMR mit einem Kraftfutteranteil von 22 % und danach von 14 %. Diese beiden Rationen führten im Schnitt zur Versorgung mit 150 g Kraftfutter pro kg ECM. Das Kraftfutter setzte sich zusammen aus einer hofeigenen Mischung (Winterweizen, Wintergerste, Ackerbohnen) und Rapsextraktionsschrot. In der Trockenstehphase erhielten beide Gruppen das gleiche Futter. In der ersten Phase wurde eine Mischung aus 20 % Grassilage, 47 % Maissilage und 33 % Stroh in der TM vorgelegt. In der zweiwöchigen Vorbereitungsfütterung folgte eine TMR mit einem Kraftfutteranteil von 14 % in der TM.
Die Kühe beider Gruppen wurden mit Ausnahme der Trockensteher in einer Gruppe gehalten, hatten aber nur zu definierten Futtertrögen Zugang. Es galt also in der Laktation das Prinzip „gemeinsame Haltung, getrennt fressen”. In der Laktation wurden täglich die Trockenmasseaufnahme, die Milchmenge und die Lebendmasse tierindividuell gemessen. Die Milchinhaltsstoffe Fett und Eiweiß wurden wöchentlich, der BCS monatlich erfasst. Auch in der Trockenstehphase wurden die Futteraufnahme, der BCS und die Lebendmasse gemessen. Der Energiesaldo wurde aus der Energieaufnahme abzüglich des Energiebedarfs für Erhaltung, Milchbildung und eventuell Trächtigkeit oder Wachstum berechnet. Die Berechnung der Grobfutterleistung erfolgte durch das Abziehen des Milcherzeugungswerts des Kraftfutters von der ECM. An den Laktationstagen 8, 28 und 100 sowie zum Trockenstellen und 14 Tage vor der Kalbung wurden bei allen Kühen Stoffwechselmerkmale im Blut bestimmt.
Die Grobfutterverdrängung sagt aus, wie stark die Grobfutteraufnahme mit zunehmender Kraftfutteraufnahme zurückgeht. Die Verdrängung war deutlich und betrug im Gruppenvergleich durchschnittlich 0,8 kg TM Grobfutter pro zusätzlichem kg TM Kraftfutter. Bis zum 165. Laktationstag war die Verdrängung mit im Schnitt 0,6 kg TM Grobfutter pro zusätzlichem kg TM Kraftfutter geringer als in der zweiten Laktationshälfte (1,0 kg TM Grobfutter pro zusätzlichem kg TM Kraftfutter). Eine Ursache für die steigende Grobfutterverdrängung im Laktationsverlauf war die zunehmend den Bedarf deckende bzw. diesen übersteigende Energieaufnahme /siehe Grafik).
Wegen der niedrigeren Grobfutteraufnahme erreichte Gruppe 250 im Schnitt täglich eine um 6,1 kg ECM geringere Grobfutterleistung pro Kuh (14,1 kg statt 20,2 kg). Die Tiere in Gruppe 250 erzeugten 51 % der ECM aus dem Grobfutter, die Tiere in Gruppe 150 dagegen 73 %. Weder der Fett- noch der Eiweißgehalt der Milch waren unterschiedlich. Ein höherer Kraftfuttereinsatz kostet folglich Grobfutterleistung.
In der Trockenstehphase nahm Gruppe 150 bei gleicher Fütterung durchschnittlich signifikant mehr Futter und folglich mehr Energie auf als die Gruppe 250. Dadurch gelang es der Gruppe 150, den negativen Energiesaldo, der zu Laktationsbeginn bestanden hatte, vollständig auszugleichen. Zudem gelang ihr die Anpassung an die faserreiche Trockensteher-Ration schneller und besser.
In der Tabelle sind die Jahresleistung, der jährliche Kraftfutterverbrauch sowie die jährlichen Einträge an Stickstoff und Phosphor aus Kraftfutter in den Milchviehbetrieb beschrieben, die sich im zweijährigen Versuchszeitraum pro Kuh ergaben. Der Kraftfutterverbrauch der Gruppe 150 betrug 58 % des Kraftfutterverbrauchs der Gruppe 250 bzw. circa 1 Tonne weniger pro Kuh. Dadurch wurden über den Kraftfutterzukauf circa 23 % weniger Stickstoff und Phosphor in den Betrieb gebracht. Gleichzeitig waren die Mengen an Stickstoff und Phosphor, die über die Milch an die Molkerei abgeführt wurden, in beiden Gruppen gleich hoch. Durch eine grobfutterbetonte Milchproduktion kann also der betriebliche Stickstoff- bzw. Phosphorsaldo in der Stoffstrombilanz erheblich entlastet werden.
Trauen Sie Ihrem Grobfutter mehr zu, wenn die Qualität stimmt. Dadurch können Sie die Grobfutterleistung Ihrer Fleckviehherden weiter steigern, Kosten sparen und den Nährstoffkreislauf entlasten.
Die geringfügig höhere Futteraufnahme während der Laktation durch den höheren Kraftfuttereinsatz führt nicht zwangsläufig zu einer höheren Milchleistung. Denn der höhere Kraftfuttereinsatz in Kombination mit hoch verdaulichem Grobfutter fördert den Körperansatz.
Fleckviehkühe haben ein enormes Grobfutteraufnahmepotenzial. Nutzen Sie dieses!