Anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Deutschen Bauernverbandes (DBV) betonen der gegenwärtige DBV-Präsident Joachim Rukwied und sein Vorgänger Gerd Sonnleitner die Fähigkeit des Verbandes, sich an neue Gegebenheiten anzupassen.
Vorgänger und Nachfolger: Gerd Sonnleitner (links) und
Joachim Rukwied
„Wir haben dazugelernt”, sagt Joachim Rukwied im Interview mit dem Fachpressedienst Agra-Europe. Der Politikstil habe sich seit den Neunzigerjahren grundlegend verändert: „Wir sind offen für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft, für mehr Tierwohl, Klimaschutz und Artenvielfalt.”
Der
DBV verstehe sich als
Lösungsanbieter und Ansprechpartner Nummer eins für die Politik. Mit
Genugtuung blickt Sonnleitner auf seine Präsidentschaft, in der es
gelungen sei, die Landwirtschaft vom Staat in den Markt zu überführen.
Trotz anfangs erheblicher Widerstände hätten die Bauern letztlich den
Umstieg in eine marktorientierte Agrarpolitik akzeptiert. Der Schritt
habe sich im Nachhinein als richtig erwiesen und vielen Betrieben eine
gute Entwicklung ermöglicht.
Beide bekennen sich nachdrücklich zu
Europa und einer Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Man sei mittendrin im Umbau der klassischen Direktzahlungen in eine
Gemeinwohlprämie, sagt Rukwied, bezweifelt aber, dass dieses Ziel in der
EU bis 2035 zu erreichen sein wird. Besorgt zeigt sich Sonnleitner vom
Zulauf bei europakritischen Parteien und ermahnt die Ampel, „endlich
eine gescheite Politik zu machen, die von der Bevölkerung auch anerkannt
wird”.
Mut zu Veränderungen
Sonnleitner wünscht den Mitgliedern im
Bauernverband „Mut zur Veränderung und Vertrauen in den Verband”. Dazu
zähle auch die Einsicht, dass die Zukunft der Landwirtschaft nicht
vorrangig in der Veredlung liege: „Wir werden diesen Sektor nicht
verlieren, aber er wird schmelzen.” Die Betriebe stünden vor der
Aufgabe, sich anzupassen und neue Einkommensmöglichkeiten zu
erschließen. Dass sie das können, hätten sie seit jeher unter Beweis
gestellt, sagt der 75-Jährige, der von 1997 bis 2012 an der Spitze des
DBV stand. Er wendet sich ebenso wie sein Nachfolger dagegen, den
Strukturwandel auf ein „Wachsen oder Weichen” zu reduzieren. „Wenn ich
tüchtig bin und Grips habe, finde ich immer eine Lösung”, ist
Sonnleitner überzeugt.
Beide Präsidenten sind der Auffassung, dass
die Integration der ostdeutschen Landesverbände in den
DBV gut gelungen
sei. Sonnleitner erinnert daran, dass er sich vehement dafür eingesetzt
habe, die ostdeutschen Berufskollegen in den
DBV aufzunehmen. Umso enttäuschter sei er vom früheren Thüringer
Bauernverbandspräsidenten Dr. Klaus Kliem, „der zunächst die frühere
LPG weitgehend in seinen Besitz gebracht und sie dann für teures Geld
verscherbelt hat”.