Politik | 06. Juli 2016

Das „x” blieb in Hannover unkonkret

Von Walter Eberenz/AgE
„100 Millionen Euro plus x” lautet die bekannte Hilfszusage der Bundesregierung für die krisengeschüttelte deutsche Landwirtschaft, allen voran die Milchproduktion. Auf dem Deutschen Bauerntag in Hannover gab es von Bundesminister Christian Schmidt noch keine konkreten Angaben zu dem „x”.
Wieviel ist „plus x”? Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (links) blieb auf dem Deutschen Bauerntag noch ungenau zum weiteren Hilfspaket für die deutsche Landwirtschaft. EU-Agrarkommissar Phil Hogan (Bildmitte) drückte sich noch unkonkreter zu Krisenmaßnahmen und Hilfen der EU vor allem für Milcherzeuger aus. Rechts im Bild Brigitte Scherb, die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes.
„Ich gehe davon aus, dass das ‚x‘ in einer  dreistelligen Millionenhöhe ist”, mehr konkret Fassbares in Euro  sagte der Bundeslandwirtschaftsminister am Donnerstag voriger Woche vor den rund 600 Delegierten der Landesbauernverbände zur Höhe der zusätzlichen Hilfen nicht. Insofern erfüllte sich auch nicht der Wunsch des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, der Schmidt bei der Begrüßung mitgab: „Die Delegierten erwarten heute, dass Sie das ‚x‘ konkretisieren, denn die Betriebe brauchen Liquidität.”
Die Höhe des „x” ist, wie Schmidt erklärte,   auch abhängig davon, was die Europäische Union und was die Bundesländer beisteuern. „National werden wir die EU-Hilfen aufstocken”, versicherte Christian Schmidt den Bauerndelegierten im Saal des Kongresszentrums von Hannover.
Und was trägt nun die EU zur Krisenhilfe bei? EU-Agrarkommissar Phil Hogan, der nach Schmidt in Hannover sprach, blieb in dieser Frage noch deutlich unkonreter: „Wir untersuchen zurzeit weitere Maßnahmen, die eventuell ergriffen werden könnten.”
Wie berichtet (BBZ 26, Seite 14), erwarten die EU-Landwirtschaftsminister beim nächsten Agrarrat am 18. Juli in Brüssel von der EU-Kommission einen Maßnahmenkatalog. Im Gespräch ist  ein zweites EU-Hilfspaket in ähnlicher Höhe wie das erste in Höhe von 500 Millionen Euro. Ob Hogan in Hannover noch nichts in der Hand hatte oder  sich nur noch nicht in die Karten schauen lassen wollte, blieb offen.
Zuschüsse und Steuererleichterungen
Bundesminister Schmidt verwies in seiner Rede auf Erleichterungen, die von der Bundesregierung für alle Landwirte auf den Weg gebracht werden. Dazu zählt er die Aufstockung der Zuschüsse des Bundes für die Landwirtschaftliche Unfallversicherung in den Jahren 2016 und 2017 von jeweils 100 Millionen Euro auf 178 Millionen Euro.
Zudem greife die Bundesregierung die Idee des Bauernverbandes zu Steuererleichterungen durch Gewinnglättung  auf. Dies sei auch noch rückwirkend für 2014 möglich. Schließlich sollen Schmidt zufolge Erlöse aus Veräußerungsgewinnen – in jedem Fall bei Liegenschaftsveräußerungen – künftig mit einem Freibetrag von 150000 Euro von der Steuer verschont bleiben, wenn sie zur Schuldentilgung verwendet werden.
DBV-Präsidium fordert Aktionsplan
Angesichts der anhaltenden und tiefgehenden Krise auf den Agrarmärkten hat das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes (DBV) beim Deutschen Bauerntag in Hannover einen Aktionsplan für die heimische Landwirtschaft gefordert. Dieser müsse von den Marktpartnern und dem Lebensmitteleinzelhandel umgesetzt und vom Staat mit kurz- und mittelfristig wirksamen Unterstützungsmaßnahmen flankiert werden.
„Politik, Gesellschaft und Marktpartner sind gefordert, einen Beitrag zum Erhalt einer bäuerlich geprägten Landwirtschaft zu leisten und Strukturbrüche zu verhindern”, heißt es in der einstimmig verabschiedeten Erklärung des DBV-Präsidiums. Es weist darauf hin, dass die Landwirtschaft und insbesondere die Milcherzeugung und die Veredlung seit mehr als einem Jahr unter einem dramatischen wirtschaftlichen Druck stünden.
„Für die deutschen Bauern hat diese Situation existenzbedrohende Folgen”, erklärt das Gremium, das die Ursachen im Wesentlichen in den internationalen politischen und wirtschaftlichen Krisen sieht, die  auf die Landwirtschaft durchschlagen. Die  wirtschaftlichen Lasten könnten nicht allein von den Landwirten geschultert werden.
Das DBV-Präsidium hält an seinen Forderungen nach kurzfristig wirksamen Unterstützungsmaßnahmen für die deutsche Landwirtschaft fest, die „dem Ausmaß der Krise angemessen sind”. „Die hierfür angekündigten 100 Millionen Euro sind dafür bei Weitem nicht ausreichend”, so das Spitzengremium des DBV.
Gefordert werden von ihm schnell umsetzbare Maßnahmen. Genannt werden dabei der Bundeszuschuss zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung, steuerliche Freibeträge zur Tilgung von Liquiditätshilfen,  Entlastung bei der Agrardieselbesteuerung und  Ausweitung  steuerlicher Risikovorsorgemöglichkeiten, aber auch Liquiditätshilfe- und Bürgschaftsprogramme.
Kritisch bewertet das DBV-Präsidium die Nachfragemacht des Lebensmitteleinzelhandels und fordert hierzu gesetzliche Gegenmaßnahmen. Der missbräuchlichen Ausnutzung durch den Lebensmitteleinzelhandel müssten wirksame kartell- und wettbewerbsrechtliche Grenzen gesetzt werden.
Die Strukturen des Milchsektors hätten trotz der Erfahrungen aus der Milchpreiskrise 2008/09 immer noch Schwächen, die gemeinsam aufgearbeitet werden müssten. Der internationale Vergleich zeige, dass im deutschen Molkereisektor noch große Wertschöpfungspotenziale ungenutzt blieben. Dies gelte vor allem in Bezug auf die Markenbasis, die Wertschöpfung in heimischen Märkten und in Drittländern sowie bei der Bündelung des Angebots.