Politik | 10. April 2014

Das neue Landesjagdgesetz – mehr Bürokratie, weniger Demokratie

Der offizielle Entwurf des künftigen Landesjagdgesetzes liegt nun vor, wie in der vorigen Ausgabe der BBZ berichtet. In einem ersten Überblick werden hier einige der vorgesehenen Neuerungen dargestellt und aus bäuerlich-berufsständischer Sicht kommentiert.
Haben die „Schwarzkittel” bald gut lachen? Die vorgesehene allgemeine Jagdruhe von Mitte Februar bis Mitte April soll nur für Wildschweine nicht gelten, die sich im Feld aufhalten. Damit genießt das Schwarzwild nach Überzeugung des BLHV zwei Monate des Jahres Vollschutz, „denn im Feld hält es sich zu dieser Zeit kaum auf”.
Neu ist als erstes der Titel des Gesetzes: Kein klassisches Landesjagdgesetz mehr, sondern ein „Jagd- und Wildtiermanagementgesetz” mit insgesamt 73 Paragraphen. Zum Hintergrund: Infolge der Föderalismusreform können nun die Länder die Jagd vollständig in einem Landesgesetz regeln. In Teilen übernimmt man bestehendes Recht aus dem Bundes- und Landesjagdgesetz. In anderen Bereichen betritt man Neuland.
Bislang gab es den Katalog der jagdbaren Arten, die dem Jagdrecht unterliegen. Nicht jede Art, wie zum Beispiel das Auerhuhn, hatte auch eine Jagdzeit. Künftig unterscheidet das Gesetz die ihm unterliegenden Tierarten danach, ob sie einem Nutzungsmanagement, einem Entwicklungsmanagement oder einem Schutzmanagement unterliegen. Die erste Gruppe darf uneingeschränkt gejagt werden und die dritte Gruppe überhaupt nicht.
Tierarten, die dem Entwicklungsmanagement zugeordnet sind, dürfen bejagt werden, soweit sich die Jagdausübung in dem jeweiligen Naturraum nicht nachteilig auf die Bestandssituation der Art in Baden-Württemberg auswirkt. Dies entscheidet nicht der Jagdpächter, sondern ein Verwaltungsakt der unteren Jagdbehörde. Und über die Einstufung generell entscheidet die oberste Jagdbehörde künftig nur noch im Einvernehmen mit der obersten Naturschutzbehörde.
Dem Naturschutz unterstellt
Damit wird die Jagd dem Regime des Naturschutzes unterstellt. Schutz wird vor Nutzen gehen.
Welche Arten können nun genutzt werden? Bei den Tieren sind das neben dem bei uns vorkommenden Schalenwild, wie Rehe, Wildschweine oder Hirsche, auch sogenannte Neozoen (eingewanderte Wildtiere)  wie Marderhund, Mink, Nutria oder Waschbär. Bei den Vögeln wären auch Nilgans, Rabenkrähe und Elster künftig jagdbares Wild. Feldhase und Fasan kommen ins Entwicklungsmanagement, das heißt: vorerst Jagd vorbei! Und der Kormoran genießt zur „Freude” der Fischer das Schutzmanagement.
Jagdfläche eingeschränkt
Jagdgenossen und  Landpächter müssen künftig Maßnahmen der Jäger zur Lebensraumverbesserung (Hege) „in zumutbarem Umfang” gegen eine angemessene Entschädigung  dulden: also Zwang statt Freiwilligkeit! Das gilt auch für die Verpflichtung nicht nur der Jäger, sondern auch eines jeden Jagdgenossen zu Hegemaßnahmen für Arten, die dem Entwicklungs- oder Schutzmanagement unterliegen, also gar nicht bejagt werden können (zum Beispiel Auerhahn oder Luchs).
Die Fläche, auf der gejagt werden kann, wird weiter eingeschränkt. Künftig zählen zu den befriedeten Bezirken auch Friedwälder. Diese sind potenzielle Einstände für Wildschweine. Die Befriedung aus Gewissensgründen gilt auch für juristische Personen. Das heißt, Natur– oder Tierschutzverbände können künftig beantragen, dass auf  Flächen, die ihnen gehören,  nicht mehr gejagt werden darf. Betrachtet man die Herkunft dieser Vorschrift, ist es geradezu widersinnig, dass juristische Personen europäische Menschenrechte für sich in Anspruch nehmen können.
Die Jagd in Schutzgebieten nach dem Naturschutz- und Landeswaldgesetz soll künftig nur noch möglich sein, wenn sie dem jeweiligen Schutzzweck entspricht. Ob dies der Fall ist, entscheidet die Naturschutzbehörde. Dies gilt nicht nur für Naturschutzgebiete oder Nationalparke, sondern für alle Schutzgebiete, vom Landschaftsschutzgebiet über das Biosphärengebiet oder den Naturpark bis hin zu jedem FFH- und Vogelschutzgebiet! Dadurch entstehen weitere Rückzugsräume für das Schwarzwild. Die Akzeptanz für Grünbrücken dürfte sinken, ist die Jagdausübung in einem Umfeld von 250 Metern verboten.
Andererseits stärkt der Entwurf die Rechte  der Jagdrechtsinhaber in der Jagdgenossenschaft: Wie bei selbstverwalteten Jagdgenossenschaften üblich, muss künftig vor Neuverpachtung oder Verlängerung bestehender Pachtverträge die Jagdgenossenschaft einberufen werden. Die Übertragung der Verwaltung der Jagdgenossenschaft auf die Gemeinde erfolgt nur noch befristet, längstens für die Dauer der gesetzlichen Mindestpachtzeit. Bei Wahlen soll nur die Mehrheit der Köpfe erforderlich sein und nicht mehr die der Flächen. Bei Verpachtungen sind Jagdgenossen, die sich um die Pacht bewerben, stimmberechtigt
Mindestpachtdauer abgesenkt
Die Mindestpachtdauer wird von bisher neun auf künftig sechs Jahre abgesenkt. In Ausnahmefällen ist sogar eine weitere Absenkung auf drei Jahre möglich, zum Beispiel wenn das Revier anderweitig nicht zu verpachten ist. Diese Erweiterung vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten ist zu begrüßen. Es bleibt jeder Jagdgenossenschaft unbenommen, Pachtverträge mit längerer Dauer abzuschließen. Das generelle Fütterungsverbot bei Schalenwild betrifft zwar nicht die Kirrung, wohl aber die Ablenkungsfütterung. Damit wird eine effiziente Maßnahme zur Verhütung von Wildschäden beim Schwarzwild verboten. Abzulehnen ist die vom Tierschutz durchgesetzte allgemeine Jagdruhe  von Mitte Februar bis Mitte April. Andere Bundesländer haben die Schonzeit für  adultes  (erwachsenes) Schwarzwild aufgehoben. Baden-Württemberg geht den umgekehrten Weg und verfügt eine allgemeine Jagdruhe, von der lediglich die Jagd auf Schwarzwild im Feld ausgenommen wird.
Zwei Monate Schutz für Wildschweine
Damit genießt das Schwarzwild zwei Monate des Jahres Vollschutz, denn im Feld hält es sich zu dieser Zeit kaum auf. Die äußerst effiziente selektive und tierschutzgerechte Bejagung von Schwarzwild in diesen Frühlingsmonaten in den angrenzenden Wäldern entfällt. Hier hat reine Ideologie über jeden Sachverstand gesiegt! Sonst wäre wenigstens eine Bejagung auf schadensträchtigen Flächen und in deren Einzugsbereich, also auch in angrenzenden Wäldern, zulässig. Das Land Baden-Württemberg provoziert somit vorsätzlich ein Ansteigen der Schwarzwildschäden. Oder tragen die Tierschutzverbände künftig die Wildschäden in dieser Zeit aus ihren reich gefüllten Kassen?
Mais: Nur noch 80 % Schadenersatz
Zur Wildschadensverhütung müssen Eigentümer und Pächter künftig das Aufstellen von Zäunen durch den Jagdpächter „in zumutbarem Umfang” dulden.
Wildschäden an Maiskulturen werden den geschädigten Landwirten nur noch zu 80 Prozent ersetzt. Für diese grundlegende Einschränkung des Schadenersatzrechtes hat das Land Baden-Württemberg keine Gesetzgebungskompetenz. Diese Norm ist daher verfassungswidrig.
Der BLHV wird Mitglieder bei Musterprozessen gegen diese Norm unterstützen. Die Argumentation,  die für diese aberwitzige Regelung ins Feld geführt wird, vermag nicht zu überzeugen. Denn, die Begründung, Mais als besonders wildschadenträchtige Kultur biete dem zu Schaden gehenden Wild zugleich Einstand und schließe eine effiziente Bejagung aus, gilt zum Beispiel in gleicher Weise für jede Weißtannennaturverjüngung im Wald. Dort wird der Wildschaden jedoch zu 100 Prozent ersetzt – kein Wunder bei einem Gesetz von Förstern für Förster.
Positiv zu bewerten sind die Klarstellungen zur Wildschadenersatzpflicht bei Streuobstwiesen. Diese sind keine Sonderkulturen bei Nutzung wie Grünland und weniger als 150 Obstbäumen je Hektar. Auch der Ausschluss einer Ersatzpflicht für Wühlschäden an Streuobstwiesen, wenn zum Schadenszeitpunkt das Fallobst nicht abgeräumt ist, geht in Ordnung.
Nicht nachvollziehbar ist hingegen die vorgesehene Abschaffung des Vorverfahrens beim Wildschadensersatz bei der Gemeinde. Mit der im Koordinierungskreis angeregten Bagatellregelung hätte man die von den Kommunen gewünschte Entlastung ebenso erreicht, gleichzeitig aber die über Jahrzehnte bewährte Befriedungsfunktion bei größeren Schäden weiterhin zur Verfügung gehabt.
Bürgernähe unerwünscht?
Mehr Bürokratie und weniger Demokratie bedeutet auch die Abschaffung des Kreisjagdamtes als Kollegialorgan. Künftig sind die unteren Verwaltungsbehörden untere Jagdbehörde. Hier wird ohne Not ein funktionierendes Instrument aufgegeben, welches Bürgernähe der Verwaltung problemlos praktiziert hat. Offenkundig ist diese nicht mehr gewünscht.
MLR: Beteiligungsportal freigeschaltet
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) in Stuttgart weist darauf hin, dass die öffentliche Anhörung zum Jagd- und Wildtiermanagementgesetz bis zum 15. Mai 2014 läuft. Die Beteiligungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger laufe parallel zur offiziellen Anhörung der Verbände und Vereine, die von der Jagd betroffen sind, so das MLR.
Der Entwurf des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes kann laut dem Ministerium auf der Seite  http://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/kommentieren/jagd-und-wildtiermanagementgesetz/ eingesehen und kommentiert werden.