Waldwirtschaft | 27. Oktober 2017

Das Land setzt auf klimastabile Mischwälder

Von Haupt
Während sich vor allem die Kronen von Buche und Tanne erholt haben und sich auch die Fichte stabil zeigt, hat sich der Kronenzustand bei Kiefern, Eichen und Eschen verschlechtert.
Peter Hauk und Max Reger erklären anhand einer Baumscheibe die Erholung und das stärkere Wachstum einer Weißtanne seit der Zeit des Baumsterbens in den 1980er-Jahren.
Das sind Ergebnisse des Waldzustandsberichtes 2017 der Landesregierung. Danach geht es dem Wald in Baden-Württemberg trotz einer regional sehr angespannten Wasserversorgung im Vergleich zum Vorjahr leicht besser mit unterschiedlicher Entwicklung bei den einzelnen Baumarten.
„Waldökosysteme sind einem dauernden Wandel unterworfen. Während es in früheren Jahren vor allem Stoffeinträge aus verschmutzter Luft waren, sind hierfür heutzutage vor allem Änderungen des Klimas verantwortlich”, erklärte Forstminister Peter Hauk bei der Vorstellung des Waldzustandsberichts 2017 am 18. Oktober in Stuttgart.
Im Schnitt 22 Prozent Blatt- und Nadelverlust
Der mittlere Nadel- und Blattverlust über alle Baumarten und Baumalter hinweg verringerte sich um 1,8 Prozent auf insgesamt 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil der deutlich geschädigten Bäume sank im gleichen Zeitraum von 37 auf 31 Prozent, was laut Hauk den besten Wert seit 2003 darstelle. 38 Prozent der Bäume zeigen schwache Schäden, während rund 30 Prozent gar keine Schäden aufweisen. Das Baumwachstum ist so stark ausgefallen wie schon seit langem nicht mehr.
Unter den wichtigsten Laubbaumarten sei dieses Jahr in älteren Buchenbeständen die deutlichste Verbesserung im Kronenzustand festzustellen: Hier sank der Blattverlust um 6,9 auf 26 Prozent. Die Vitalität der Eiche dagegen sei vor allem im nördlichen Baden-Württemberg durch das Vorkommen von blattfressenden Schmetterlingsraupen negativ beeinflusst worden.
Das forstliche Leitbild der Landesregierung ist laut Hauk ein vom Menschen gestalteter und bewirtschafteter, artenreicher und naturnaher Mischwald, der auf den geeigneten Standorten auch künftig nennenswerte Nadelholzanteile aufweisen wird. Dabei gelte es, ein weiteres Absinken der Nadelholzanteile in den Wäldern mit Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung dieses Segmentes zu vermeiden. Die Waldbesitzer und zahlreichen kleinen und mittelständischen Sägewerke im Land seien auf eine Nahversorgung mit Nadelstammholz angewiesen. „Wir wollen allerdings keine Nadelholzmonokulturen”, stellte der Forstminister klar.
Nach wie vor sei die Fichte diejenige Baumart, die neben der Tanne die geringsten Nadelverluste aufweise, betonte er, verwies aber auch auf die große Anfälligkeit der Fichte gegenüber dem Borkenkäfer. Vor allem im Schwarzwald kann sich Hauk vorstellen, verstärkt Weißtannen zu pflanzen und somit langfristig die Fichte zu ersetzen. Die Weißtanne war noch in den 1980er-Jahren ein Symbol des Waldsterbens und weist nun nur noch einen durchschnittlichen Nadelverlust von 19,5 Prozent auf.
Größtes Sorgenkind mit den größten Kronenschäden bei einer Steigerung um 1,9 auf 31,6 Prozent ist die Esche: „Sie wird in den nächsten zehn Jahren zu 99 Prozent ebenso verschwinden wie die Ulme”, beklagt der Minister. Verantwortlich für das Absterben der Triebe des mit vier Prozent Anteil dritthäufigsten Laubbaumes ist der aus Ostasien eingewanderte Pilz „Falsches Weißes Stengelbecherchen”. 
Probleme mit der Kiefer in der Oberrheinebene
Besonders die Auenwälder in der trocken-warmen Oberrheinebene koppeln sich von der positiven Waldentwicklung im Land negativ ab. Neben der Esche ist dort vor allem die Kiefer betroffen: Die sogenannte „Kiefern-Komplexkrankheit” hat dort drastisch zugenommen und führt zu einem Verbraunen der Nadeln, schlechterem Kronenzustand und immer wieder auch zum Absterben der Bäume, berichtete Hauk. Hier will die Forstverwaltung durch Pflanzung geeigneter Baumarten und auch Pflege nachhelfen.
„Auf die Folgen des Klimawandels zu reagieren, betrachten wir als Daueraufgabe: Es ist deutlich geworden, dass Veränderungen des Waldzustandes nicht durch eine einzelne Ursache alleine erklärt werden können”, erklärte der Minister weiter. Das Mischwaldkonzept des Landes vereine ökologische und ökonomische Belange und setze auf Stabilität der Einzelbäume und Erzeugung hochwertiger Nutzhölzer für die Wertschöpfung.
Zustimmung und Kritik
n ersten Reaktionen zeigte sich die Forstkammer erfreut über die positiven Ergebnisse des Waldzustandsberichts. „Für die Waldbesitzer ist dies eine Bestätigung der stetigen Pflege der Wälder”, so Geschäftsführer Jerg Hilt, der jedoch auch auf die Sorgen seiner Mitglieder hinsichtlich des Klimawandels hinwies. „Das Verschwinden einer Baumart wie der Esche ist für viele Waldbesitzer ein dramatischer Verlust”, so Hilt. Obwohl die Forstkammer das klare Bekenntnis von Forstminister Hauk zum Nadelholz begrüße, sehe man bei den Förderprogrammen des Landes Nachholbedarf, weil die meisten Nadelholzarten im Vergleich zur Laubholzförderung immer noch benachteiligt würden. Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg begrüßte dagegen, dass das Land auf die Entwicklung klimastabiler Mischwälder setze. Die Forstverwaltung in Baden-Württemberg müsse auch zukünftig in die Lage versetzt werden, diesen Waldumbau naturschutzverträglich umzusetzen. Die Kosten eines klimaangepassten Waldumbaus seien hoch, insbesondere von Eichenkulturen. Hier müssten Kommunal- und der Privatwald ausreichend unterstützt werden.
Der NABU Baden-Württemberg bezeichnete die seiner Meinung nach dauerhaft zu hohe Stickstoffbelastung meist aus der Landwirtschaft als eine tickende Zeitbombe für die Waldökosysteme. NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle: „Es ist nicht abzusehen, wann das System kippt. Zu viel Stickstoff für den Wald ist wie für uns Menschen zu viel Zucker – die Folge sind chronische Krankheiten und Fettleibigkeit. Während Stamm und Krone zulegen, stagniert das Wachstum der Wurzel, weil andere Nährstoffe fehlen und der Boden versauert. Die Bäume werden krank”, beklagt Enssle.
Der komplette Waldzustandsbericht 2017 findet sich auf der Internetseite der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt