Tierhaltung | 02. Mai 2019

Damit die Fliegen nicht zur Plage werden

Von Professor Marc Boelhauve, FH Südwestfalen
Fliegen sind für Mensch und Tier lästig und sie können Krankheiten übertragen. Niemand will sie daher im Stall haben. Was aber hilft, um die jetzt im Frühjahr aufkommende Population zumindest auf einem erträglichen Niveau zu halten?
Fliegen sind nicht nur lästig, sie verhindern auch gute biologische Leistungen der Schweine.
Die Lebenserwartung einer  Stallfliege beträgt etwa zwei Wochen. In dieser Zeit legt ein Weibchen circa  400 bis 600 Eier  (vor allem in die Gülle, aber  auch in Futterreste). Unter  günstigen Bedingungen dauert deren  Entwicklung bis zur Fliege etwa sieben bis zehn  Tage. Vom Frühjahr bis zum Ende des Sommers können sich so theoretisch  aus einer weiblichen Fliege bis zu einer Million Fliegen  entwickeln. Gehen Sie deshalb bei der Fliegenbekämpfung strategisch vor  und nicht nur mit hohen Kosten im Hauruckverfahren gegen einen massiven Fliegenbefall.
 
Dem Zuflug einen Riegel vorschieben
Der Zuflug von Fliegen wird meist unterschätzt. Vor allem  wenn die Fliegenbekämpfung im Stall keine zufriedenstellende Wirkung zeigt, sollten die möglichen Zuflugswege genauer betrachtet werden.  Fliegen können auch durch ein gekipptes Fenster in den Zentralgang gelangen und sich von dort  im Stall  ausbreiten. Zudem  sollte untersucht werden, welche  Vermehrungsmöglichkeiten es außerhalb des Stalles für die Fliegen gibt,  um die Quellen des Zufluges zu erfassen. Mögliche Orte der  Fliegenvermehrung sind:
  • nicht abgedeckte Güllebehälter,
  • dauernasse Stellen im Außenbereich mit organischem Material,
  •  Misthaufen,
  •  andere Tierhaltungen mit zum Beispiel Stroheinstreu,
  • Futtersilos, vor allem in Kombination mit Feuchtigkeit unterhalb der Silos,
  • Teiche und Tümpel.
Um die  Fliegenaktivität an den jeweiligen  Orten abschätzen zu können, empfiehlt es sich, Fliegentafeln aufzustellen. In einer Untersuchung  wurde eine Fliegentafel für 24 Stunden etwa zehn  Meter vom Stall entfernt aufgestellt und der Befall ausgewertet. Die  gemessene Fliegenzahl (140) reicht aus, um einen zuvor fliegenfreien Stall innerhalb von sechs Wochen massiv zu besiedeln und das trotz Präparatanwendung gegen Fliegen!
Eine einfache Maßnahme gegen diesen Zuflug in den Stall ist  das Anbringen von Fliegengittern zum Beispiel
  • an den Lüftungsöffnungen, z. B. Trauflüftung,
  • vor geöffneten/gekippten (Gang)Fenstern zur Kühlung der Gänge,
  • an Bodenplatten,
  • an Türen zum Stall (v. a. bei Ganglüftungen),
  • an undichten bzw. kaputten Fenstern.
Um eine ausreichende Luftzirkulation durch Fenster und Türen zu ermöglichen, sollten die Gitter regelmäßig gereinigt werden. Meist reicht ein einfaches Abfegen vollkommen aus.

Vorbeugende Maßnahmen im Stall
Schadhafte Stellen im Stall sollten ausgebessert werden, hier können sich leicht neue Populationen an Fliegen aufbauen.
Für eine erfolgreiche Fliegenkontrolle sollten auch im Stall für die Fliegenvermehrung günstige Areale näher betrachtet werden. Dazu empfiehlt es sich, beim nächsten Stallleerstand auf mehrere Punkte zu achten:

  • Schadhafte Stellen  im Stall sollten  ausgebessert werden, hier können sich leicht  neue Fliegenpopulationen  aufbauen.
  • Auch die Buchtentrennwände sind einen Blick wert. Hier können sich selbst nach der Reinigung und Desinfektion noch genügend Maden/Fliegen für den Aufbau einer neuen Population befinden. Wenn dies entdeckt wird, ist es wichtig, diese mit Desinfektionsmittel zu bearbeiten. Ein gezieltes Ausbringen von Larviziden in die Buchtentrennwand ist ebenso möglich.
  • Bis zu 85 Prozent der Fliegenpopulationen befinden sich im Güllekeller – nur der Rest ist oberhalb als Störung sichtbar. Um dieses große Reservoir an Fliegen und die Jungstadien zu eliminieren, ist es wichtig, die Gülle bei Stallleerstand aufzurühren und abzupumpen. Die auf der festen Schwimmschicht lebenden und sich entwickelnden Larven werden durch das „Unterrühren”  großteils erstickt.  Da diese Maßnahme aber  mit erhöhten Ammoniakkonzentrationen verbunden ist,  sollte sie  nicht im belegten Stall  durchgeführt werden. Außerdem verringert sie  den Fliegendruck nur kurzfristig. Das liegt daran, dass Fliegen sich sehr schnell vermehren und es zudem stets  mehrere Orten mit Brutnestern für die neuen Populationen gibt.
  •  Ein weiterer wichtiger Brutplatz liegt direkt unter den Spalten.  Feste Anhaftungen an den Güllekellerwänden befinden sich meist in Ecken, Winkeln und unter den Futterplätzen. Sie werden  weder durch das Umrühren der Gülle noch durch die  Reinigung und Desinfektion oder    durch chemische Bekämpfungsmittel erreicht.   Hier empfiehlt es sich, die Spalten an mehreren Stellen zu entfernen und diese Nester mittels Hochdruckreiniger zu entfernen. Aber auch die Auflagen der Spalten selbst bieten ideale Vermehrungsmöglichkeiten.

 
Chemische Bekämpfung
Bei der Ausbringung von chemischen Bekämpfungsmitteln empfiehlt sich ein Vorgehen nach den Entwicklungsstufen der Fliegen.

Bekämpfung der Larven
Für die Bekämpfung der Larven stehen zwei Systeme zur Verfügung.
Variante 1 – Alzogur:  Dieser Wirkstoff wird nach dem Ablassen der Gülle im unbelegten Stall in die Restgülle (!) gebracht. Dazu wird ein Liter Alzogur mit vier Litern Wasser gemischt und gleichmäßig über die Spalten ausgebracht, damit sich der Wirkstoff gleichmäßig in die Gülle verteilen kann und auf den Weg dahin auch weitere Brutplätze „erwischt”. Wichtig: Nach etwa 30 Minuten mit Wasser nachspülen, damit kein Wirkstoff oberhalb der Spalten verbleibt (Lebensgefahr für Tiere). 
Es sollte ein Liter pro Kubikmeter Gülle ausgebracht werden. Meist scheitert die Fliegenbekämpfung mittels Alzogur an einer zu geringen Dosierung. Bei einer Stallfläche von  120 m2 und 10 cm Güllepegel ist von  mindestens 10 m3 Restgülle auszugehen.   Die Wirkung von Alzogur lässt bereits nach wenigen Wochen  durch die Verdünnung des Wirkstoffs und den Abbau in der Gülle nach, sodass schon in der Mittelmast wieder ein massiver Fliegendruck möglich ist.
Variante 2 – Larvizide: Im Gegensatz zu Alzogur können Larvizide auch im belegten Stall ausgebracht werden, da diese für Schweine unbedenklich sind. Sinnvollerweise erfolgt die Ausbringung aber auch im unbelegten Stall, damit alle Stallbereiche erfasst werden können und sich die Wirkstoffe gleichmäßig in die Gülle verbreiten können. Auch bei der Ausbringung von Larviziden empfiehlt sich eine Vorabverdünnung in Wasser. Hier ist es wichtig, auf die Dosierempfehlungen der einzelnen Hersteller zu achten. Diese werden meist in Gramm pro Kubikmeter Bodenfläche angegeben. Auch hier ist eine Unterdosierung zu vermeiden. Wie mit Alzogur empfiehlt sich eine Nachbehandlung der Flächen mit Wasser, damit der Wirkstoff vollständig in die Gülle gelangt. Die Wirkung der Larvizide lässt aus den gleichen Gründen wie bei Alzogur bald nach. Wichtig: Chemische Bekämpfungsvarianten stellen immer nur eine Teillösung dar und sollten sinnvollerweise mit den genannten  wirkstofffreien Maßnahmen kombiniert werden.

Das Ausbringen von sogenannten Fraßgiften in Boxen/Behältern wirkt nur gegen adulte Fliegen.
Bekämpfung der Fliegen

Für die Bekämpfung der adulten Stadien empfiehlt sich die Ausbringung von sogenannten Kontaktgiften über Aerosole (z. B. MFG von Menno-Chemie). Dieser Wirkstoff wirkt nur direkt an den adulten Fliegen. Er  dient nur der Beseitigung von aktuellen Populationen und sollte immer in Kombination mit einem Wirkstoff gegen die Larvenstadien unter den Spalten und zusätzlichen wirkstofffreien Maßnahmen kombiniert werden. Wichtig: Bei der Ausbringung die Lüftung ausschalten und nach etwa 30 Minuten wieder einschalten. Für Mensch und Nutztier besteht keine Gefahr.
 
Biologische Bekämpfung
Ausbringung von Güllefliegen
Die Güllefliege kann flankierend zu den anderen wirkstofffreien Maßnahmen eingesetzt werden, um zukünftige Fliegenlarven zu eliminieren. Jede Larve der Güllefliegen  benötigt für die eigene Entwicklung etwa 20 Stallfliegenlarven. Vorteilhaft ist, dass die adulte Güllefliege sehr flugunlustig ist und daher meist unterhalb der Spalten bleibt. Es erfolgt somit keine Belästigung von Mensch und Tier und auch die Übertragung von Krankheitserregern spielt bei der Güllefliege keine Rolle. Die Ausbringung der Güllefliege sollte kurz vor der Neubelegung am besten im Frühjahr erfolgen.  Wichtig: Nicht vor dem Abschluss der Desinfektion ausbringen!
Nachteilig bei der Verwendung der Güllefliege ist, dass beim Ablassen der Restgülle immer die Gefahr besteht, die Population komplett zu verlieren (erhöhte Kosten).  Ställe mit Unterflurabsaugung sind für Güllefliegen nicht geeignet,  da diese   Bereiche mit hoher Luftgeschwindigkeit meiden. Ratsam ist, die Population regelmäßig zu kontrollieren und bei Bedarf neue Larven anzusiedeln.  

Ausbringung von Schlupfwespen
Auch  Schlupfwespen parasitieren  die  Larven der Gemeinen Stubenfliege. Sie sind gut an die Bedingungen im Stall angepasst, leben  unter den Spalten und
 stören somit ebenfalls kaum Mensch und Tier. Nachteilig ist, dass die Schlupfwespen ohne „Nachschub” an Larven selber zugrunde gehen und bei einem erneuten Befall wieder neu ausgebracht werden müssen.
Eine gleichzeitige Ausbringung von Güllefliegen und Schlupfwespen ist nicht zu empfehlen, da die Schlupfwespe auch  in den Puppen der Güllefliegen parasitiert.
Flankierende Maßnahmen
Fliegen sind bei einer entsprechenden Stallpopulation nicht nur im Stall ein Problem, sondern  auch in den angrenzenden Räumen. Hier empfiehlt sich die Anbringung von elektrischen Fallen, die die Fliegen mittels UV-Licht anziehen und  durch Stromschlag töten. Diese Fallen sollten in den helleren Bereichen der Räume aufgestellt werden. Es können aber auch einfache Fliegenfänger  benutzt werden. Außerdem ist es sinnvoll, auch die angrenzenden Räume so zu pflegen, dass sich dort  keine Nester aufbauen  können.
 
Warteställe – ein Eldorado für Fliegen
In Warteställen mit ihrer  meist kontinuierlichen Belegung ist das Fliegenproblem am schwersten zu lösen. Hier ist es ratsam,  alle genannten Maßnahmen zu kombinieren. Futterreste sollten man täglich beseitigen. Zudem empfiehlt es sich, in helleren Bereichen Fliegenfänger aufzuhängen (spätestens nach einer Woche wechseln) und Streichgifte in der Nähe der  Fenster mit dem größten Lichteinfall auszubringen – aber unerreichbar für die Tiere.  Die Flächen sollten  zuvor gereinigt werden. Diese Gifte wirken nur gegen adulte Fliegen. Die Wirkung der Streichgifte (tote Fliegen unterhalb des Fensters) regelmäßig kontrollieren und gegebenenfalls den Anstrich erneuern. Das Ausbringen von  Fraßgiften in Boxen/Behältern wirkt ebenfalls  nur gegen adulte Fliegen. Streich- und Fraßgifte sollten  nur flankierend eingesetzt werden, da sie das Grundproblem  nicht lösen.