Pflanzenbau | 12. Januar 2023

Damit das Sommergetreide gesund startet

Von Dr. Friedrich Merz, RP Stuttgart
Das Getreidesaatgut sollte vor pilzlichen Krankheitserregern geschützt werden, die außen am Samen anhaften oder in den Samen eingedrungen sind. Außerdem lauern im Boden überdauernde Schadpilze.
Eine gründliche Beizung des Sommergetreides ist die Grundlage befriedigender Erträge und Qualitäten.
Bei Sommergetreide ist vor allem die Bekämpfung der mit dem Samen übertragenen Krankheitserreger notwendig. Eine Dauerwirkung gegen vom Boden ausgehende Infektionen, die bei Wintergetreide eine wichtige Rolle spielen, ist bei diesen Kulturen nur bei einer frühen Aussaat gefordert. 
Manches kann, anderes muss
Unbedingt erforderlich ist die Beizung gegen die folgenden Krankheiten:
  1. Streifenkrankheit an Gerste
  2. Steinbrand und Schneeschimmel an Weizen
  3. Flugbrand an Hafer
  4. Flugbrand an Weizen und Gerste für die Saatguterzeugung.
Zu empfehlen sind des Weiteren die folgenden vorbeugenden Behandlungen:
  1. Gegen Schneeschimmel und Fusariumpilze an Braugerste. Wegen der speziellen Qualitätsanforderungen der Erzeugung ist diese Maßnahme besonders wichtig. Empfehlenswerte Beizmittel mit Wirkung gegen diese Krankheiten sind beispielsweise EfA, Landor CT Formel M, Orius Universal, Rubin Plus, Seedron und Vibrance Trio.
  2. Gegen samen- und bodenbürtige Krankheiten an Hafer. Der Flugbrand des Hafers tritt selten auf. Häufiger werden Krankheitserreger der Gattungen Fusarium und Drechslera am Hafersaatgut gefunden. Zur Bekämpfung dieser Pilzkrankheiten wird eine Beizung des Hafersaatgutes empfohlen, insbesondere bei früher Aussaat.
    Eine Beizung gegen Zwergsteinbrand ist für Sommerweizen nicht erforderlich, weil diese Pilzkrankheit nur während des Winters günstige Infektionsbedingungen hat.
Elektronenbeizung
Die Elektronenbeizung unter der Bezeichnung E-Pura, e-ventus, E-Vita erzielte in Versuchen in Sommergerste eine gute Wirkung gegen die Streifenkrankheit und die Netzfleckenkrankheit. Gegen Erreger, die in den Samen eindringen, wie beispielsweise Flugbrand und bodenbürtige Krankheiten, bietet sie jedoch keinen ausreichenden Schutz.
Behandlung mit heißem Dampf
Das ThermoSeed-Verfahren, eine Dampfbehandlung des Getreidesaatgutes, wurde von einer Tochter der schwedischen Agrargenossenschaft Lantmännen entwickelt. Es hat sich in Schweden und Norwegen zu einem Standardverfahren in der konventionellen Landwirtschaft entwickelt. Anlagen, die mit diesem Verfahren arbeiten, gibt es auch in Frankreich und seit dem Jahr 2021 in der Schweiz.
Die Saatgutbehandlung mit heißem Dampf schützt vor samenbürtigen Erregern, die auf dem Samenkorn vorkommen. Ein Problem bleiben die bodenbürtigen Krankheiten, die den Keimling auf dem Acker infizieren können.
Biologische Präparate
Die biologischen Saatgutbeizen Cedomon und Cerall enthalten den Bakterienstamm Pseudomonas chlororaphis MA 342. Die Bodenbakterien vermehren sich auf der Saatgutoberfläche und konkurrieren dort mit den anhaftenden Krankheitserregern. Sie setzen zudem Substanzen frei, die Sporen der Schadpilze in ihrer Entwicklung hindern und abtöten. Die biologischen Beizen induzieren zusätzlich Resistenz und fördern die Entwicklung des Keimlings.
Chemische Mittel
Die verfügbaren Beizmittel sind nicht in allen Getreidearten zugelassen. In der Tabelle sind Mittelbeispiele von Beizmitteln für Sommergetreide mit ihren zugelassenen Wirkungsbereichen aufgeführt. Bei den chemischen Beizmitteln werden bevorzugt Produkte empfohlen, die mehrere Wirkstoffe enthalten. Diese haben in der Regel eine gute Breitenwirkung gegen mehrere Krankheiten.
Universalbeizmittel wie Landor CT Formel M, Orius Universal, Rubin Plus und Vibrance Trio können in Weizen, in Gerste sowie je nach Zulassung auch in Hafer angewendet werden. Die Universalbeizmittel EfA, Rubin TT und Seedron dagegen sind nur in Weichweizen, aber nicht in Hartweizen zugelassen! Spezialbeizmittel für Weizen sind Arena C + Formel M, Celest Formel M und Toledo.
Die Aufbrauchfrist von Zardex G ist am 30. November 2022 abgelaufen. Die Aufbrauchfrist von EfA endet am 30. März 2023, die von Orius Universal und Rubin TT am 30. Juni 2023. Nach Ende der Aufbrauchfrist sind Reste der Mittel und damit behandeltes Saatgut entsorgungspflichtig.
Bestimmungen für Beizanlagen
Seit dem 31. Dezember 2020 müssen alle Beizgeräte amtlich kontrolliert sein. Dies gilt auch für den zur Hofbeize genutzten Betonmischer.
Die verschärften Anwendungsbestimmungen für fungizide Getreidebeizen sind jetzt wieder in Kraft. Zur Überbrückung der Zeit, bis auch kleinere Betriebe eine Zertifizierung als Beizstellen erhalten haben, war eine Reihe von Anwendungsbestimmungen ausgesetzt worden. Diese Aussetzung wurde nicht über den 31. Mai 2022 hinaus verlängert.
Die Beizung mit den Mitteln Seedron und Vibrance Trio darf deshalb nur noch in professionellen Beizanlagen vorgenommen werden, die in der Liste „Saatgutbehandlungseinrichtungen mit Qualitätssicherungssystemen zur Staubminderung” des Julius Kühn-Instituts aufgeführt sind (NT699-6). Zudem ist  insbesondere durch die Verwendung eines geeigneten Haftmittels sicherzustellen, dass nur eine geringe Wirkstoffmenge im Staub vom behandelten Saatgut pro Hektar abgerieben wird (NT716-1).
Bestimmungen für die Handhabung
Bei der Aussaat von gebeiztem Saatgut sind in Abhängigkeit vom Beizmittel die Auflagen NH677, NH678 und NH679 zu beachten. Bei den so gekennzeichneten Mitteln ist dafür zu sorgen, dass kein Saatgut offen liegen bleibt.
Die Anforderungen an die persönliche Schutzausrüstung im Pflanzenschutz werden bei erneut oder neu zugelassenen Pflanzenschutzmitteln, wie z. B. Prepper, Rubin Plus und Vibrance Trio, als Anwendungsbestimmung erteilt. Wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen diesen Anwendungsbestimmungen ein Pflanzenschutzmittel anwendet, handelt ordnungswidrig. In der Regel sind Universal-Schutzhandschuhe, Schutzanzug gegen Pflanzenschutzmittel und festes Schuhwerk zu tragen. Weitere Angaben zum Schutz des Anwenders, beispielsweise das Tragen von Schutzbrille oder Halbmaske, sind den Hinweisen auf den Packungen zu entnehmen. 
Auf den Wind achten
Die Anwendungsbestimmung NH681-3 ist für das Mittel Prepper neu formuliert worden: „Keine Ausbringung des behandelten Saatgutes bei vorhergesagtem Wind mit einer stündlichen mittleren Windgeschwindigkeit in 2 m Höhe höher als 5 m/s. Zur Beurteilung der Windgeschwindigkeit ist die Vorhersage im Internetangebot des Deutschen Wetterdienstes für die nächstgelegene Agrarwetterstation bis zu 72 Stunden vor der Aussaat heranzuziehen.”
 Die Informationen zu den Windverhältnissen finden sich auf den Seiten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bei den Agrarmeteorologischen Gefahrenhinweisen.