Betrieb und Wirtschaft | 13. August 2020

Corona ist für die ZG kein Schock

Von René Bossert
Die ZG Raiffeisen hat im ersten Halbjahr eine zufriedenstellende Geschäftsentwicklung verzeichnet und erwartet für das Gesamtjahr einen höheren Gewinn. Mittelfristig machen den Karlsruhern die absehbar geringeren Erfassungsmengen Sorgen.
„Trotz und  wegen Corona sind wir mit dem ersten Halbjahr zufrieden”, berichtete der für das Verbrauchergeschäft zuständige  ZG-Vorstand Lukas Roßhart am Dienstag vor Journalisten in Karlsruhe-Maxau. Die ZG sei ihrer Einstufung als systemrelevanter Versorger gerecht geworden, alle Standorte konnten offen gehalten werden. Der Umsatz in der ZG-Gruppe sank gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum auch preisbedingt um 1,5 % auf 585 Mio. Euro, das Ergebnis liege aber um 12 % über dem Vorjahr. Roßhart geht davon aus, dass dieser Ergebnisvorsprung auch im zweiten Halbjahr gehalten werden kann. 
Der für das Agrargeschäft zuständige ZG-Vorstand Holger Löbbert erwartet durch das neue Gesetz zur Stärkung der Biodiversität im Land erhebliche Auswirkungen auf das Geschäft der ZG.

Die Corona-Krise sorgte für erhebliche Umsatzzuwächse in den Raiffeisen-Märkten (+21 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum) und im Baustoffgeschäft  (+16 %). Regionale Lebensmittel, Haus und Garten waren den Verbrauchern in Corona-Zeiten offenbar wichtig und es kamen  viele Neukunden, sagte Roßhart. Im Energiegeschäft sanken die Umsätzte preisbedingt um 11 %. 
Auch im  Agrargeschäft sei man mit dem ersten Halbjahr zufrieden, berichtete Vorstand Dr. Holger Löbbert. Er ist in der nach dem Aussscheiden des Vorstandsvorsitzenden Dr. Ewald Glaser zum  1. Juli neu angetretenen  ZG-Doppelspitze für das Agrargeschäft zuständig. Das erste Halbjahr lief besser als 2018 und 2019,  aber die Trockenheit habe Spuren hinterlassen. Bei Tiernahrung und  der Pflanzlichen Produktion gab es jeweils ein Umsatzplus von 1 %, in der  Technik legten die Umsätze unter um 10 % zu, auch wegen neuen Niederlassungen.
Rückläufig waren die Umsätze im Bereich Vermarktung, trotzdem zeigte sich Löbbert mit dem Geschäftsverlauf hier zufrieden. Der Vergleichszeitraum im ersten Halbjahr 2019 war durch besonders hohe Umsätze gekennzeichnet, weil das Niedrigwasser auf dem Rhein  im Herbst 2018 die Vermarktung ins neue Jahr hinein  verzögerte.
Die Vermarktung über Europe Crop United (ECU), das Gemeinschaftsunternehmen mit der französischen Genossenschaft CAC,  sei gut angelaufen. Im Schnitt wurden bisher rund 60000 Tonnen Weizen und Mais im Monat vermarktet.   ECU habe sich im Markt etabliert und man könne logistische Vorteile am Rhein nutzen.

Strategische Überlegungen
Löbbert skizzierte die strategische Aufstellung der ZG vor dem Hintergrund des Klimawandels, struktureller Herausforderungen und  der politisch neuen Lage mit dem Biodiversitäts-Stärkungsgesetz. Auf letzteres müsse sich die ZG einstellen. Die Landwirtschaft werde extensiver, das Marktpotenzial für Betriebsmittel gehe ebenso zurück wie die Erfassungsmengen. Die Landwirte sieht Löbbert in einer Sandwich-Postion zwischen höheren Kosten durch Biodiversität und Tierwohl einerseits und der Macht des Lebensmittel-Einzelhandels auf der anderen Seite. Investitionen würden geschoben und Hofnachfolgen überdacht.
Die ZG müsse in dieser Situation modernisieren und gleichzeitig dazu beitragen, dass die Landwirtschaft in der Bevölkerung eine höhere Akzeptanz finde – was wiederum für eine höhere Wertschöpfung sorgen könne.
Berater-Videos und eine App
Moderner werden will die ZG in der Ansprache der landwirtschaftlichen Kunden: Aktiver Telefonverkauf, Online-Verkauf, Berater-Videos für Pflanzenbaufragen und eine Agrar-App sollen dafür sorgen. Künftig solle auch in zwei Richtungen kommuniziert werden, etwa indem Kontrakte digital abgeschlossen werden. Auch beim Thema Smart-Farming will die ZG vorankommen.
 Einen weiteren Modernisierungsschritt sieht Löbbert im flächendeckenden Aufbau einer schlagkräftigen Ab-Feld-Logistik, sprich die ZG übernimmt die Ernte und den Abtransport komplett. In Nordbaden wurden damit  erste Erfahrungen gesammelt.
 Ausdehnen will die ZG die Erfassung von Bio-Getreide. Bisher sind 16 Standorte zertifiziert. Bei Verbandsware kann die ZG nur die Erfassung und Lagerung als Dienstleistung anbieten, nicht  die Vermarktung.
Im Blick auf eine bessere Akzeptanz der Landwirtschaft will die ZG in ihren 70 Raiffeisen-Märkten mehr regionale Lebensmittel – konventionell und bio – absetzen. Damit verbunden sieht Löbbert  auch die Entwicklung von regionalen Lieferketten.
Als entwicklungsfähige Kultur sieht die ZG den Dinkel. In Wertheim soll in eine weitere Entspelzungsanlage investiert werden. Für die Ernte 2021 seien an der Rheinschiene Vorkontrakte von 225 Euro/t möglich, wenn der Landwirt Saatgut und Düngemittel bei der ZG kauft, berichtete ZG-Vermarktungschef Hermann Frey.