Tierhaltung | 26. März 2020

Coronavirus – Herausforderung für Pferdebetriebe

Von Sven und Peggy Morell
Um die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verlangsamen, hat die Politik diverse Maßnahmen veranlasst, darunter auch die Schließung von Sportanlagen. Das müssen Pferdebetriebe jetzt beachten.
Anders als Boxenpferde müssen Pferde im Offenstall nicht zwingend täglich bewegt werden.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) informiert auf ihrer Homepage umfassend und tagesaktuell über die Auswirkungen auf Pferdehalter. Sie stellt auch Vorlagen zum Download bereit (z. B. Notfallplan, Notbewegungsplan, Pferdeversorgungsplan, Anwesenheitsliste sowie Muster-Formulare für Zutrittsberechtigung und Selbsterklärung). Den Behörden hat die FN Regelungen als Vorschlag unterbreitet, um das Tierwohl zu gewährleisten – dabei sollen folgende Punkte sichergestellt sein:
  • Pferdegerechte Fütterung
  • Ausmisten und Einstreuen
  • Kontrolle der Tröge und Tränken
  • Tägliche Gesundheits- und Verletzungskontrolle
  • Täglich mehrstündige Bewegung, als Kombination aus kontrollierter (z.B. Reiten) und freier Bewegung (Weide oder Paddock)
  • Notwendige tierärztliche Versorgung
  • Dringend notwendige Versorgung durch den Schmied.
Pensionspferdebetriebe
Die FN hat zahlreiche Verhaltensregeln aufgestellt, die im Detail unter www.pferd-aktuell.de/coronavirus nachzulesen sind. Sie betont allerdings: „Unter Umständen anders lautende Vorgaben der regionalen bzw. örtlichen Behörden müssen jedoch beachtet werden!” Wichtig seien jetzt konkrete Vorgaben der einzelnen Bundesländer speziell für Pferdebetriebe. Für Baden-Württemberg gibt es allerdings bislang keine Richtlinien.
In Pensionsställen sind in der Regel die Pferdebesitzer in die Versorgung ihrer Vierbeiner in unterschiedlichem Umfang mit eingebunden. Ist ein Pensionsstallbetreiber auf die Mithilfe seiner Einsteller angewiesen, kommen jeden Tag viele Menschen in den Stall. Doch seit dem 22. März gilt ein umfassendes Kontaktverbot. „Reitunterricht, Schulbetrieb und Zusammenkünfte aller Art in allen Pferdesportanlagen müssen eingestellt werden. Das bedeutet, dass kein Pferdesport – weder Reiten oder Fahren – als Freizeitbeschäftigung oder sportliches Training stattfinden darf”, so die FN. 
Wichtig ist, eher beengte Bereiche wie Sattel- / Futterkammer oder den Vorraum der Reithalle nur einzeln zu betreten, um den Sicherheitsabstand zu wahren. Laut FN könne ein Betrieb auch ganz für den Publikumsverkehr geschlossen werden, wenn der Betriebsleiter mit seinem Personal die notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde gewährleisten kann.
„Für den Fall, dass der Betriebsleiter/Besitzer der Anlage dazu nicht in der Lage ist, setzt sich die FN dafür ein, dass die absolut notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde auch durch deren Eigentümer oder deren Vertreter sichergestellt werden darf. Dabei muss aber der jeweilige Personenkreis so klein wie möglich gehalten werden.”
Die für die Versorgung der Pferde notwendigen Personen dürfen sich nur so lange auf dem Stallgelände aufhalten, wie es für die artgerechte Versorgung und Bewegung unbedingt notwendig ist. Unnötig lange Aufenthalte oder gar ein Zusammensitzen sind derzeit absolut tabu.
Reitschulen
Da jeglicher Reitunterricht und Schulbetrieb sowie Reiterferien verboten sind, stehen Reitschulen nun vor der Herausforderung, ihre Schulpferde dennoch täglich zu bewegen. Die FN empfiehlt Vereinen und Reitschulen die gleichen Verhaltensregeln wie für Pensionsbetriebe – darüber hinaus noch ein paar weitere, nachzulesen unter www.pferd-aktuell.de/coronavirus.
Die Absage von Reitunterricht und Veranstaltungen kann Betriebe in finanzielle Schieflage bringen. Die FN setzt sich für betroffene Betriebe ein und bittet um Mithilfe: „Schildern Sie Ihre Notlage in knapper, aber deutlicher Form Ihrem Kommunalpolitiker, Kreis-, Landtags- und auch Bundestagsabgeordneten aus den eigenen Regionen. Am besten in persönlichen Briefen." Diese Briefe sollte man in Kopie an die FN schicken (per E-Mail an Thomas Ungruhe, tungruhe@fn-dokr.de). Adressen von Ansprechpartnern für Notsituationen im Pferdesport, eine Liste der Bürgschaftsbanken der Länder sowie ein Merkblatt unter anderem über Verdienstausfallentschädigung gem. §§ 56 ff Infektionsschutzgesetz sind auf der Homepage verfügbar.
Quarantäne
Welches Pferd bekommt welches Futter? Sämtliche „Vertretungspersonen” sollten das wissen.
Muss ein Pferdebesitzer in Quarantäne, kann dieser eine Vertretung organisieren. Dafür sollten Pferdebesitzer schon jetzt alles Wichtige zusammenstellen. Problematisch ist eine Erkrankung oder Quarantäne des Stallbetreibers oder des Stallpersonals.
In diesem Fall dürfe die betroffene Person das Haus/die Wohnung nicht verlassen, so die FN. Die ernannte Vertretungsperson müsse dann die notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde in Abstimmung mit den Pferdebesitzern/Einstallern koordinieren.
Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) empfiehlt größeren Pferdehaltungsbetrieben, Mitarbeiter in feste Teams zu unterteilen, die nie gleichzeitig miteinander arbeiten. „Sollte ein Mitarbeiter eines Teams erkranken, müssen nur die Mitglieder des betroffenen Teams in Quarantäne.” Natürlich müssen die Vertreter mit allen Abläufen des Tagesgeschäftes vertraut sein. Und noch etwas rät der SVPS: Risken vermeiden - um die Kliniken nicht zusätzlich zu belasten.
Auswirkungen auf die Pferdezucht
Laut FN gebe es „keine tierseuchenrechtlichen Einschränkungen für den Transport von Tieren oder tierischen Erzeugnissen auf Grund der Corona-Epidemie.” Allerdings habe das Bundeslandwirtschaftsministerium „darum gebeten, grenzüberschreitende Transporte von lebenden Tieren auf das unbedingte Maß zu beschränken, bis sich die Abläufe an den Grenzen normalisiert haben.”
Sicher ist es sinnvoll, nicht unbedingt notwendige Transporte aktuell zu unterlassen. Die FN befürwortet das Aufrechterhalten von wirtschaftlichen Tätigkeiten in der Pferdezucht, empfiehlt Hengststationen beispielsweise, „Samen nach Möglichkeit abzuholen oder durch einen Kurierdienst verbringen zu lassen, um so den Personenverkehr innerhalb der Station zu reduzieren.”
Viele Hengststationen und Gestüte haben bereits reagiert und informieren auf ihrer Homepage über das aktuelle Vorgehen. Dabei gibt es durchaus kreative Lösungen: Das Haupt- und Landgestüt Marbach beispielsweise wickelte ihre ursprünglich für den 21. März geplante Gestütsauktion als Reitpferdeverkauf in einem stillen Bieterverfahren ab – die Gebotsabgabe war mittels Rücksendung eines Formulars per E-Mail, Post oder Posteinwurf möglich. Die Präsentation der Verkaufspferde erfolgte ohne breites Publikum, wurde aber live via www.ClipMyHorse.TV übertragen.
Hengstleistungsprüfungen
Da die Hengstleistungsprüfungen abgesagt wurden, haben die FN-Mitgliedszuchtverbände, die ein Zuchtprogramm für das Deutsche Reitpferd führen, mehrheitlich die vorläufige Eintragung von Hengsten in das Hengstbuch I im Jahr 2020 auch ohne die Nachweise der notwendigen Hengstleistungsprüfungen beschlossen – via Online-Konferenz (detaillierte Regelungen unter www.pferd-aktuell.de). Die FN rechnet damit, dass es auch bei den Pony-, Kleinpferde- und Sonstigen Rassen eine Fristverlängerung für das Absolvieren der Hengstleistungsprüfungen geben wird. Außerdem heißt es: „Für alle Hengste, die in diesem Jahr ihre Leistungsprüfung ableisten müssen, wird die Frist für einen Verbleib im Hengstbuch I bis Jahresende 2021 verlängert.”
 

Wie geht es weiter?
Nach fachlicher Einschätzung der FN muss auch bei einer Ausgangssperre die notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde sichergestellt werden. Das bedeutet aber nicht, dass das tägliche Reiten unverzichtbar ist. Gesunde Pferde ohne Vorerkrankungen, die zuvor auch kein hohes Arbeitspensum hatten, können ihrem Bewegungsbedarf für eine gewisse Zeit auch nur auf dem Paddock oder der Weide nachkommen, durch Freilaufen lassen in der Halle oder mittels einer Führanlage bewegt werden.
Viele Freizeitpferde in Offenställen werden sowieso nicht täglich trainiert – ist deren Versorgung mit Futter, Wasser und Einstreu sowie eine tägliche Gesundheitskontrolle gesichert, müssen Pferdebesitzer nicht unbedingt täglich in den Stall. Das Personenaufkommen in den Reitställen könnte so weiter reduziert werden. Wichtig: Das Kraftfutter muss entsprechend gekürzt werden.