Coronavirus – Herausforderung für Pferdebetriebe
Von Sven und Peggy Morell
Um die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verlangsamen, hat die Politik diverse Maßnahmen veranlasst, darunter auch die Schließung von Sportanlagen. Das müssen Pferdebetriebe jetzt beachten.
Anders als Boxenpferde müssen Pferde im Offenstall nicht zwingend täglich bewegt werden.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) informiert
auf ihrer Homepage umfassend und tagesaktuell über die
Auswirkungen auf Pferdehalter. Sie stellt auch Vorlagen
zum Download bereit (z. B. Notfallplan, Notbewegungsplan, Pferdeversorgungsplan,
Anwesenheitsliste sowie Muster-Formulare für Zutrittsberechtigung und
Selbsterklärung). Den Behörden hat die FN Regelungen
als Vorschlag unterbreitet, um das Tierwohl zu gewährleisten – dabei sollen folgende
Punkte sichergestellt sein:
- Pferdegerechte Fütterung
- Ausmisten und Einstreuen
- Kontrolle der Tröge und Tränken
- Tägliche Gesundheits- und Verletzungskontrolle
- Täglich mehrstündige Bewegung, als Kombination
aus kontrollierter (z.B. Reiten) und freier Bewegung (Weide oder Paddock)
- Notwendige tierärztliche Versorgung
- Dringend notwendige Versorgung durch den Schmied.
Pensionspferdebetriebe
Die FN hat zahlreiche Verhaltensregeln aufgestellt, die im Detail unter
www.pferd-aktuell.de/coronavirus nachzulesen sind. Sie betont allerdings: „Unter Umständen anders lautende Vorgaben
der regionalen bzw. örtlichen Behörden müssen jedoch beachtet werden!” Wichtig seien jetzt konkrete Vorgaben der einzelnen
Bundesländer speziell für Pferdebetriebe. Für Baden-Württemberg gibt es allerdings bislang keine Richtlinien.
In Pensionsställen sind in der Regel die Pferdebesitzer in
die Versorgung ihrer Vierbeiner in unterschiedlichem Umfang mit eingebunden. Ist ein Pensionsstallbetreiber auf die Mithilfe seiner Einsteller
angewiesen, kommen jeden Tag viele Menschen in den Stall. Doch seit dem 22. März gilt ein umfassendes Kontaktverbot. „Reitunterricht, Schulbetrieb und Zusammenkünfte aller Art in
allen Pferdesportanlagen müssen eingestellt werden. Das bedeutet, dass kein
Pferdesport – weder Reiten oder Fahren – als Freizeitbeschäftigung oder
sportliches Training stattfinden darf”, so die FN.
Wichtig ist, eher beengte Bereiche wie Sattel- /
Futterkammer oder den Vorraum der Reithalle nur einzeln zu betreten, um den
Sicherheitsabstand zu wahren. Laut FN könne ein Betrieb auch ganz für den
Publikumsverkehr geschlossen werden, wenn der Betriebsleiter mit seinem
Personal die notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde gewährleisten kann.
„Für den Fall, dass der Betriebsleiter/Besitzer der Anlage dazu nicht in der
Lage ist, setzt sich die FN dafür ein, dass die absolut notwendige Versorgung
und Bewegung der Pferde auch durch deren Eigentümer oder deren Vertreter
sichergestellt werden darf. Dabei muss aber der jeweilige Personenkreis so
klein wie möglich gehalten werden.”
Die für die Versorgung der Pferde notwendigen
Personen dürfen sich nur so lange auf dem Stallgelände aufhalten, wie es für
die artgerechte Versorgung und Bewegung unbedingt notwendig ist. Unnötig lange Aufenthalte
oder gar ein Zusammensitzen sind derzeit absolut tabu.
Reitschulen
Da jeglicher Reitunterricht und Schulbetrieb sowie
Reiterferien verboten sind, stehen Reitschulen nun vor der Herausforderung, ihre
Schulpferde dennoch täglich zu bewegen. Die FN empfiehlt Vereinen und
Reitschulen die gleichen Verhaltensregeln wie für Pensionsbetriebe – darüber
hinaus noch ein paar weitere, nachzulesen unter
www.pferd-aktuell.de/coronavirus.
Die Absage von Reitunterricht und Veranstaltungen kann
Betriebe in finanzielle Schieflage bringen. Die FN setzt sich für
betroffene Betriebe ein und bittet um Mithilfe: „Schildern Sie Ihre Notlage in
knapper, aber deutlicher Form Ihrem Kommunalpolitiker, Kreis-, Landtags- und
auch Bundestagsabgeordneten aus den eigenen Regionen. Am besten in persönlichen
Briefen." Diese Briefe sollte man in Kopie an die FN schicken (per E-Mail an Thomas Ungruhe,
tungruhe@fn-dokr.de). Adressen von Ansprechpartnern für Notsituationen im
Pferdesport, eine Liste der Bürgschaftsbanken der Länder sowie ein Merkblatt
unter anderem über Verdienstausfallentschädigung gem. §§ 56 ff
Infektionsschutzgesetz sind
auf der Homepage verfügbar.
Quarantäne
Welches Pferd bekommt welches Futter? Sämtliche „Vertretungspersonen” sollten das wissen.
Muss ein Pferdebesitzer in Quarantäne, kann dieser eine
Vertretung organisieren. Dafür sollten Pferdebesitzer
schon jetzt alles Wichtige zusammenstellen. Problematisch ist eine Erkrankung
oder Quarantäne des Stallbetreibers oder des Stallpersonals.
In diesem Fall dürfe die betroffene Person das
Haus/die Wohnung nicht verlassen, so die FN. Die ernannte
Vertretungsperson müsse dann die notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde
in Abstimmung mit den Pferdebesitzern/Einstallern koordinieren.
Der
Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) empfiehlt größeren
Pferdehaltungsbetrieben, Mitarbeiter in feste Teams zu unterteilen, die nie
gleichzeitig miteinander arbeiten. „Sollte ein Mitarbeiter eines Teams
erkranken, müssen nur die Mitglieder des betroffenen Teams in Quarantäne.” Natürlich müssen die Vertreter mit allen Abläufen des Tagesgeschäftes vertraut sein. Und noch
etwas rät der SVPS: Risken vermeiden - um die Kliniken nicht zusätzlich zu
belasten.
Auswirkungen auf die Pferdezucht
Laut FN gebe es „keine tierseuchenrechtlichen
Einschränkungen für den Transport von Tieren oder tierischen Erzeugnissen auf
Grund der Corona-Epidemie.” Allerdings habe das
Bundeslandwirtschaftsministerium „darum gebeten, grenzüberschreitende
Transporte von lebenden Tieren auf das unbedingte Maß zu beschränken, bis sich
die Abläufe an den Grenzen normalisiert haben.”
Sicher ist es sinnvoll, nicht
unbedingt notwendige Transporte aktuell zu
unterlassen. Die FN befürwortet das Aufrechterhalten von wirtschaftlichen
Tätigkeiten in der Pferdezucht, empfiehlt Hengststationen beispielsweise, „Samen
nach Möglichkeit abzuholen oder durch einen Kurierdienst verbringen zu lassen,
um so den Personenverkehr innerhalb der Station zu reduzieren.”
Viele
Hengststationen und Gestüte haben bereits reagiert und informieren auf ihrer Homepage
über das aktuelle Vorgehen. Dabei gibt es durchaus kreative Lösungen: Das Haupt-
und Landgestüt Marbach beispielsweise wickelte ihre ursprünglich für den 21.
März geplante Gestütsauktion als Reitpferdeverkauf in einem stillen
Bieterverfahren ab – die Gebotsabgabe war mittels Rücksendung eines Formulars
per E-Mail, Post oder Posteinwurf möglich. Die Präsentation der Verkaufspferde
erfolgte ohne breites Publikum, wurde aber live via
www.ClipMyHorse.TV
übertragen.
Hengstleistungsprüfungen
Da die Hengstleistungsprüfungen abgesagt wurden, haben die FN-Mitgliedszuchtverbände,
die ein Zuchtprogramm für das Deutsche Reitpferd führen, mehrheitlich die vorläufige
Eintragung von Hengsten in das Hengstbuch I im Jahr 2020 auch ohne die
Nachweise der notwendigen Hengstleistungsprüfungen beschlossen – via
Online-Konferenz (detaillierte Regelungen unter
www.pferd-aktuell.de). Die FN rechnet
damit, dass es auch bei den Pony-, Kleinpferde- und Sonstigen Rassen eine
Fristverlängerung für das Absolvieren der Hengstleistungsprüfungen geben wird. Außerdem
heißt es: „Für alle Hengste, die in diesem Jahr ihre Leistungsprüfung ableisten
müssen, wird die Frist für einen Verbleib im Hengstbuch I bis Jahresende 2021
verlängert.”
Wie geht es weiter?
Nach fachlicher Einschätzung der FN muss auch bei
einer Ausgangssperre die notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde
sichergestellt werden. Das bedeutet aber nicht, dass das tägliche Reiten unverzichtbar ist.
Gesunde Pferde ohne Vorerkrankungen, die zuvor auch kein hohes Arbeitspensum
hatten, können ihrem Bewegungsbedarf für eine gewisse Zeit auch nur auf dem
Paddock oder der Weide nachkommen, durch Freilaufen lassen in der Halle oder mittels einer
Führanlage bewegt werden.
Viele Freizeitpferde in Offenställen werden sowieso
nicht täglich trainiert – ist deren Versorgung mit Futter, Wasser und Einstreu
sowie eine tägliche Gesundheitskontrolle gesichert, müssen Pferdebesitzer nicht
unbedingt täglich in den Stall. Das Personenaufkommen in den Reitställen könnte
so weiter reduziert werden. Wichtig: Das Kraftfutter muss entsprechend gekürzt
werden.