Mit einem Bündel von Maßnahmen will die Bundesregierung der schlechten Stimmung in der Landwirtschaft entgegenwirken und Perspektiven für deren Entwicklung aufzeigen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Helge Braun (links), Chef des Bundeskanzleramtes, am Montag beim Treffen mit Vertretern von 40 landwirtschaftlichen Organisationen und Verbänden im Bundeskanzleramt in Berlin.
Beim Gipfeltreffen am Montag im Bundeskanzleramt verständigten sich die Teilnehmer unter anderem auf eine Reihe von Dialogforen zum Verhältnis von Landwirtschaft und Gesellschaft, eine Wertschöpfungskampagne für landwirtschaftliche Produkte und Erzeuger sowie die Einrichtung einer Zukunftskommission Landwirtschaft, für deren Zusammensetzung und Arbeit der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Initiative „Land schafft Verbindung” bis Februar gemeinsam einen Vorschlag machen sollen.
Partnerschaftlich Lösungen finden
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte bei dem
Treffen mit Vertretern von 40 landwirtschaftlichen Verbänden und
Organisationen die Dialogbereitschaft der Bundesregierung. „Wir müssen
partnerschaftlich Lösungen für die Herausforderungen wie den Rückgang
der Artenvielfalt und den Klimawandel finden”, sagte Merkel zum Auftakt
des „Agrargipfels”. Ausdrücklich bekundete sie Respekt für die Arbeit
der Bäuerinnen und Bauern. Landwirtschaft sei ein wichtiger Teil der
Gesellschaft, und „sie muss eine Zukunft haben”.
Konkrete Erwartungen verbindet DBV-Präsident Joachim Rukwied mit dem
begonnenen Landwirtschaftsdialog. Bei der angekündigten Fortführung
müsse das Aktionsprogramm Insektenschutz neu diskutiert und der
kooperative Naturschutz klaren Vorrang vor pauschalen Verboten erhalten,
erklärte Rukwied nach dem Treffen im Kanzleramt. Bei der
Düngeverordnung sei der Handlungsspielraum gering, räumte der
DBV-Präsident ein. Wichtig seien jedoch eine stärkere
Binnendifferenzierung bei den Messstellen sowie eine Evaluierung der
Maßnahmen. Merkel äußerte zum Auftakt der Zusammenkunft Verständnis für
die Forderungen nach Berechenbarkeit und Wirtschaftsverträglichkeit von
Maßnahmen.
„Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig”
„Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig”, betonte
die Regierungschefin. Deswegen seien Forderungen nach finanziellem
Ausgleich für Bewirtschaftungsauflagen ebenso berechtigt wie die nach
politischer Verlässlichkeit.
Die Kanzlerin machte erneut deutlich, dass sich die Landwirtschaft den
Problemen stellen müsse. Zwar sei sie nicht der einzige Verursacher des
dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt. Aber sie trage dazu bei. Man
müsse gemeinsam „gute und neue Wege” finden, um den Belangen der
Landwirte ebenso gerecht zu werden wie den neuen Anforderungen.
Der nunmehr gestartete Landwirtedialog bilde den Auftakt für eine Reihe
von Dialogformaten in den kommenden Monaten. Für den Herbst werde sie
die Vertreter der Landwirtschaft erneut zu einem Treffen einladen, um zu
sehen, „wo stehen wir?”, kündigte die Kanzlerin an. An der
Auftaktveranstaltung nahmen von Regierungsseite außer der
Bundeskanzlerin auch Kanzleramtschef Helge Braun,
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, ihr Staatssekretär
Hermann Onko Aeikens sowie Abgeordnete der Koalitionsfraktionen von
CDU/CSU und SPD teil.
Lebensmittelhandel in die Pflicht nehmen
Klöckner machte nach dem Treffen gegenüber
Journalisten deutlich, dass die Bundesregierung den
Lebensmitteleinzelhandel stärker in die Diskussion um die
Weiterentwicklung des Agrarsektors einbinden wolle. Für den Februar
kommenden Jahres werde die Kanzlerin zu einer Runde mit Vertretern von
Handelsunternehmen einladen, teilte Klöckner mit. Dabei werde es
insbesondere um die Preispolitik des Handels und dessen Rolle beim
Erhalt einer starken heimischen Landwirtschaft gehen.
Die Ministerin bekräftigte in diesem Zusammenhang auch die
Notwendigkeit, die Position der landwirtschaftlichen Produzenten in der
Wertschöpfungskette zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, werde sie
die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den
Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der
Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) eins zu eins in nationales
Recht umsetzen, kündigte Klöckner an.
Den landwirtschaftlichen Berufsstand will die Ministerin bei der
Erarbeitung eines Zukunftsbildes der hiesigen Landwirtschaft in die
Pflicht nehmen. Klöckner will dazu eine Zukunftskommission
Landwirtschaft einberufen. Deren Aufgabe solle es sein, „aus dem
Berufsstand heraus” Konzepte zu entwickeln, wo der Weg der
Landwirtschaft hingehen solle.
Hohe Erwartungen hat Klöckner an das vom früheren
Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert geleitete
Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung. Die Borchert-Kommission werde im März
nächsten Jahres ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung vorlegen, so die
Ministerin. Das Expertengremium werde dabei die Kosten für einen
möglichen Umbau der Tierhaltung beziffern und Vorschläge zur
Finanzierung vorlegen. Dies werde dann eine wichtige Grundlage für die
sich anschließende politische Diskussion bilden.
Opposition kritisch
Zurückhaltend auf den Agrargipfel reagierten
Vertreter der Oppositionsparteien im Bundestag. Für den
landwirtschaftspolitischen Sprecher der Liberalen, Gero Hocker, kann der
angestrebte Dialog mit den Landwirten nur ein erster Schritt sein. „Es
darf keine weiteren Verschärfungen beim Insektenschutz, der
Düngeverordnung oder dem Pflanzenschutz geben, ohne dass vorher
wissenschaftliche Expertise dazu vorliegt”, mahnte Hocker.
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten Tackmann,
forderte die Bundesregierung dazu auf, das Treffen als Grundstein für
eine Agrarleitbilddebatte zu nutzen, „die wieder eine
Versorgungsfunktion der Erzeugerbetriebe in den Mittelpunkt stellt”.
Nach Auffassung von Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff braucht es
„mehr als schöne Worte”, um der Landwirtschaft eine wirkliche
Zukunftsperspektive zu geben. Ostendorff forderte die Einrichtung einer
„echten Arbeitskommission” zur Zukunft der Landwirtschaft. Die müsse
beim Kanzleramt angesiedelt werden und alle Landwirtschafts-, Umwelt-
und Tierschutzverbände einbeziehen. Vertreter von Umweltverbänden
kritisierten, dass sie nicht zu dem „Agrargipfel” geladen waren.