Politik | 05. Dezember 2019

Chefsache Landwirtschaft

Von AgE
Mit einem Bündel von Maßnahmen will die Bundesregierung der schlechten Stimmung in der Landwirtschaft entgegenwirken und Perspektiven für deren Entwicklung aufzeigen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Helge Braun (links), Chef des Bundeskanzleramtes, am Montag beim Treffen mit Vertretern von 40 landwirtschaftlichen Organisationen und Verbänden im Bundeskanzleramt in Berlin.
Beim Gipfeltreffen am Montag  im Bundeskanzleramt verständigten sich die Teilnehmer unter anderem auf eine Reihe von Dialogforen zum Verhältnis von Landwirtschaft und Gesellschaft, eine Wertschöpfungskampagne für landwirtschaftliche Produkte und Erzeuger sowie die Einrichtung einer Zukunftskommission Landwirtschaft, für deren Zusammensetzung und Arbeit der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Initiative „Land schafft Verbindung” bis Februar gemeinsam einen Vorschlag machen sollen.
Partnerschaftlich Lösungen finden
Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte bei dem Treffen mit Vertretern von 40 landwirtschaftlichen Verbänden und Organisationen die Dialogbereitschaft der Bundesregierung. „Wir müssen partnerschaftlich Lösungen für die Herausforderungen wie den Rückgang der Artenvielfalt und den Klimawandel finden”, sagte Merkel zum Auftakt des „Agrargipfels”. Ausdrücklich bekundete sie Respekt für die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern. Landwirtschaft sei ein wichtiger Teil der Gesellschaft, und „sie muss eine Zukunft haben”.
Konkrete Erwartungen verbindet DBV-Präsident Joachim Rukwied mit dem begonnenen Landwirtschaftsdialog. Bei der angekündigten Fortführung müsse das Aktionsprogramm Insektenschutz neu diskutiert und der kooperative Naturschutz klaren Vorrang vor pauschalen Verboten erhalten, erklärte Rukwied nach dem Treffen im Kanzleramt. Bei der Düngeverordnung sei der Handlungsspielraum gering, räumte der DBV-Präsident ein. Wichtig seien jedoch eine stärkere Binnendifferenzierung bei den Messstellen sowie eine Evaluierung der Maßnahmen. Merkel äußerte zum Auftakt der Zusammenkunft Verständnis für die Forderungen nach Berechenbarkeit und Wirtschaftsverträglichkeit von Maßnahmen.
„Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig”
„Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig”, betonte die Regierungschefin. Deswegen seien Forderungen nach finanziellem Ausgleich für Bewirtschaftungsauflagen ebenso berechtigt wie die nach politischer Verlässlichkeit.
Die Kanzlerin machte erneut deutlich, dass sich die Landwirtschaft den Problemen stellen müsse. Zwar sei sie nicht der einzige Verursacher des dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt. Aber sie trage dazu bei. Man müsse gemeinsam „gute und neue Wege” finden, um den Belangen der Landwirte ebenso gerecht zu werden wie den neuen Anforderungen.
Der nunmehr gestartete Landwirtedialog bilde den Auftakt für eine Reihe von Dialogformaten in den kommenden Monaten. Für den Herbst werde sie die Vertreter der Landwirtschaft erneut zu einem Treffen einladen, um zu sehen, „wo stehen wir?”, kündigte die Kanzlerin an. An der Auftaktveranstaltung nahmen von Regierungsseite außer der Bundeskanzlerin auch Kanzleramtschef Helge Braun, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, ihr Staatssekretär Hermann Onko Aeikens sowie Abgeordnete der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD teil.
Lebensmittelhandel in die Pflicht nehmen
Klöckner machte nach dem Treffen gegenüber Journalisten deutlich, dass die Bundesregierung den Lebensmitteleinzelhandel stärker in die Diskussion um die Weiterentwicklung des Agrarsektors einbinden wolle. Für den Februar kommenden Jahres werde die Kanzlerin zu einer Runde mit Vertretern von Handelsunternehmen einladen, teilte Klöckner mit. Dabei werde es insbesondere um die Preispolitik des Handels und dessen Rolle beim Erhalt einer starken heimischen Landwirtschaft gehen.
Die Ministerin bekräftigte in diesem Zusammenhang auch die Notwendigkeit, die Position der landwirtschaftlichen Produzenten in der Wertschöpfungskette zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, werde sie die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) eins zu eins in nationales Recht umsetzen, kündigte Klöckner an.
Den landwirtschaftlichen Berufsstand will die Ministerin bei der Erarbeitung eines Zukunftsbildes der hiesigen Landwirtschaft in die Pflicht nehmen. Klöckner will dazu eine Zukunftskommission Landwirtschaft einberufen. Deren Aufgabe solle es sein, „aus dem Berufsstand heraus” Konzepte zu entwickeln, wo der Weg der Landwirtschaft hingehen solle.
Hohe Erwartungen hat Klöckner an das vom früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert geleitete Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung. Die Borchert-Kommission werde im März nächsten Jahres ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung vorlegen, so die Ministerin. Das Expertengremium werde dabei die Kosten für einen möglichen Umbau der Tierhaltung beziffern und Vorschläge zur Finanzierung vorlegen. Dies werde dann eine wichtige Grundlage für die sich anschließende politische Diskussion bilden.
Opposition kritisch
Zurückhaltend auf den Agrargipfel reagierten Vertreter der Oppositionsparteien im Bundestag.  Für den landwirtschaftspolitischen Sprecher der Liberalen, Gero Hocker, kann der angestrebte Dialog mit den Landwirten nur ein erster Schritt sein. „Es darf keine weiteren Verschärfungen beim Insektenschutz, der Düngeverordnung oder dem Pflanzenschutz geben, ohne dass vorher wissenschaftliche Expertise dazu vorliegt”, mahnte Hocker.
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten Tackmann, forderte die Bundesregierung dazu auf, das Treffen als Grundstein für eine Agrarleitbilddebatte zu nutzen, „die wieder eine Versorgungsfunktion der Erzeugerbetriebe in den Mittelpunkt stellt”.
Nach Auffassung von Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff braucht es „mehr als schöne Worte”, um der Landwirtschaft eine wirkliche Zukunftsperspektive zu geben. Ostendorff forderte die Einrichtung einer „echten Arbeitskommission” zur Zukunft der Landwirtschaft. Die müsse beim Kanzleramt angesiedelt werden und alle Landwirtschafts-, Umwelt- und Tierschutzverbände einbeziehen. Vertreter von Umweltverbänden kritisierten, dass sie nicht zu dem „Agrargipfel” geladen waren.