Politik | 20. Mai 2021

Bundeskabinett setzt Klimaschutzziele herauf

Von AgE
Die Bundesregierung hat nur zwei Wochen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Weichen für eine Anhebung der Klimaschutzziele gestellt.
Schon 2045, fünf Jahre früher als geplant, soll Deutschland klimaneutral werden.
Das Bundeskabinett beschloss am 12. Mai den Entwurf für ein novelliertes Klimaschutzgesetz, das die Einsparziele für die Emissionen von Treibhausgas (THG) für die einzelnen Sektoren teils deutlich verschärft. Über alle Sektoren hinweg will die Bundesregierung nun bis 2030 die THG-Emissionen um mindestens 65 Prozent reduzieren, und bis 2040 sollen wenigstens 88 Prozent gegenüber 1990 eingespart werden. Schon 2045 und damit fünf Jahre früher als bisher geplant soll Deutschland klimaneutral werden. Ab 2050 plant der Bund sogar mit einer negativen THG-Bilanz.
Für die Landwirtschaft sieht die Novelle nun im Jahr 2030 eine jährliche Emissionsmenge von höchstens 56 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) und damit zwei Millionen Tonnen weniger als bisher vor. Im letzten Jahr hatten die Emissionen des Sektors bei gut 66 Millionen Tonnen gelegen.
Klöckner: „Ambitioniert, aber machbar”
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bezeichnete die verschärften Ziele für die Landwirtschaft trotz des im Vergleich zu anderen Branchen flachen Minderungspfades als „ambitioniert, aber machbar”. Sie macht dies aber auch von Unterstützungsmaßnahmen und Finanzmitteln abhängig.  Zugleich stellte sie klar, dass die Ernährungssicherung die Kernaufgabe der Landwirtschaft bleibe; eine völlig emissionsfreie Agrarproduktion sei nicht denkbar. Die Politik müsse deshalb realistische Vorgaben machen, die Grenzen biologischer Systeme berücksichtigen und ständig evaluieren.
In der Agrarwirtschaft sind die Pläne des Bundes dennoch eher kritisch aufgenommen worden. Umweltverbänden sind die Maßnahmen hingegen oft nicht konkret genug oder greifen zu kurz.
Im Kabinettsbeschluss für den „Klimapakt Deutschland” wurde explizit die Nutzung natürlicher Kohlenstoffsenken in der Land- und Forstwirtschaft festgehalten. Adressiert wurde auch die Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit zum tierwohlorientierten Umbau der Tierhaltung, weil nur so die Klimagasemissionen aus der Tierhaltung effektiv reduziert werden könnten. Klöckner erneuerte in diesem Zusammenhang ihre Kritik an der Blockadehaltung der SPD bei dafür notwendigen Anpassungen im Baurecht. Sie denkt dabei insbesondere an den Bestandsschutz für Ställe bei Umbauten.
In einer von Klöckner veranlassten Protokollerklärung zum Kabinettsbeschluss spricht sich das Bundeslandwirtschaftsministerium außerdem für den Ausbau der stofflichen Verwertung von Holz, die verstärkte Nutzung von Gülle und Wirtschaftsdüngern in Biogasanlagen sowie die bessere energetische Verwertung landwirtschaftlicher Reststoffe aus. Zudem sollen die Potenziale der nur in der Land- und Forstwirtschaft vorkommenden natürlichen Kohlenstoffsenken insbesondere durch die Förderung des Humusaufbaus in landwirtschaftlich genutzten Böden oder durch eine Honorierung von Ökosystemleistungen der Wälder sowie der Erhaltung und Wiedervernässung von Mooren genutzt werden. Laut der Protokollerklärung soll die rechtliche und finanzielle Förderung besonders umweltfreundlicher Verfahren wie dem Ökolandbau oder anderer besonders nachhaltiger Verfahren der Landbewirtschaftung weiterentwickelt werden. Dies soll ebenfalls für die Anwendung von Minimalbodenbearbeitungstechniken im Ackerbau gelten.
Zulassungsblockade beenden
In diesem Zusammenhang rief Klöckner Bundesumweltministerin Svenja Schulze auf, der deutschen Zulassung EU-weit bereits anerkannter Pflanzenschutzmittel keine Steine in den Weg zu legen, da diese für einen klimaschonenderen Ackerbau bei gleichzeitiger Ernährungssicherung unabdingbar seien. Auch drängt die CDU-Politikerin auf die Nutzung neuer Züchtungstechniken, um schnell Fortschritte für klimaresiliente sowie krankheits- und schädlingsresistentere Kulturpflanzen zu erreichen und damit weitere Energieeinsparungen zu erzielen.
Methanemissionen neu bewerten
Beim Deutschen Bauernverband (DBV)  stieß die geplante Novelle zum Klimaschutzgesetz auf deutliche Kritik. Die Änderungsvorschläge für das Klimaschutzgesetz berücksichtigten weder die erheblichen Chancen bei der Schaffung von biogenen Kohlenstoffsenken noch die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Emissionen, namentlich bei Methan, monierte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Zudem stelle die Novelle die Rolle der Ernährungssicherung infrage und erhöhe die Importabhängigkeit Deutschlands. Rukwied betonte erneut, dass für die Methanemissionen eine wissenschaftliche Neubewertung und in der Folge eine Anpassung der Emissionsziele für die Landwirtschaft erforderlich seien. Biogenes Methan aus der Tierhaltung werde binnen etwa zwölf Jahren zu CO2 abgebaut, das zuvor über das Pflanzenwachstum aus der Atmosphäre entnommen worden sei. Durch biogenes Methan entstehe also kein zusätzlicher Treibhausgaseffekt, hob der DBV-Präsident hervor. Somit seien pauschale Forderungen nach einer Abstockung der Tierbestände aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar.
Für den Bereich der Kohlenstoffsenken halte der DBV den Vorschlag für ein gesondertes Einsparziel im Bereich der Landnutzung und Forstwirtschaft dagegen „für zu kurz gegriffen”, so Rukwied weiter. Um Klimaneutralität erreichen zu können, sei aus Sicht der Landwirtschaft ein gesamtwirtschaftlicher Ansatz für Kohlenstoffsenken und deren Inwertsetzung erforderlich. „Ein isoliertes Senkenziel für den Bereich Landnutzung und Forstwirtschaft halten wir aus den Erfahrungen der vergangenen Dürrejahre heraus aber nicht für zielführend”, erklärte der Bauernpräsident. Die Schäden im Forst zeigten, dass Wetterextreme im Klimawandel die Erreichung verbindlicher Klimaziele in der Land- und Forstwirtschaft äußerst unsicher machten.
Nach wie vor ein Ungleichgewicht sieht der Bauernverband bei der Anrechnung von Klimaschutzleistungen der Bioenergie. Die Emissionen aus der Rohstofferzeugung für Bioenergie würden der Landwirtschaft angelastet, während die Treibhausgasvermeidung vollständig dem Gebäude-, Verkehrs- beziehungsweise Energiesektor gutgeschrieben werde. Hier sei ein Korrekturmechanismus im Sinne eines Lasten-Nutzen-Ausgleichs erforderlich, forderte Rukwied.