Tierhaltung | 20. Juli 2017

Bullenmast auch im Grünlandgebiet?

Von Martin Piecha, LAZBW Aulendorf
In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach Biorindfleisch stetig gestiegen. Stimmen die Rahmenbedingungen, so kann die Bullenmast auch für den einen oder anderen biologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieb im Grünlandgebiet zu einem weiteren Standbein werden.
Stehen geeignete, günstige Stallplätze zur Verfügung, ist die Bullenmast für einige biologisch wirtschaftende Milchviehbetriebe eine sinnvolle Option. Dabei muss die Genetik zur Fütterung passen.
Werden Fleckvieh-Tiere (oder intensive Fleischrassen) gemästet, so ist das Ziel, dass die Bullen vor ihrem zweiten Geburtstag schlachtreif sind, ein Schlachtkörpergewicht von  in der Regel  380 bis 420 kg haben  und in die Kategorie U sowie Fettklasse 2 bis 3 eingestuft werden. Dazu muss der Bulle bei einer Ausschlachtung von 58 % ein Lebendgewicht von 650 bis 725 kg bei der Schlachtung haben.
Fütterungsbedingt sind im ökologischen Landbau die Zunahmen niedriger als in konventionellen Betrieben. In reinen Grünlandgebieten, in den kein Mais zur Verfügung steht, können Jungbullen bei Weidegang sowie bei einer Fütterung aus Grassilage und Heu mit 10 MJ ME/kg TM  eine tägliche Zunahme von 900 Gramm erreichen. Werden zusätzlich 2 kg Gerstenschrot pro Tag gefüttert, sind Zunahmen von 1100 Gramm möglich. Ein Bulle mit 45 kg Geburtsgewicht kann dann im Alter von 595 Tagen sein Mastendgewicht von 700 kg erreichen (siehe Tabelle 1).
Etwas Kraftfutter muss schon sein
Bei einer reinen Grasfütterung besteht die Gefahr, dass die gewünschte Fettabdeckung nicht erreicht wird und der Jungbulle damit nicht die gewünschte Schlachtreife erreicht. Älter als 24 Monate (730 Tage) darf er bei der Schlachtung auf keinen Fall sein, da er danach in die Kategorie Altbulle fällt und der Auszahlungspreis je Kilo Lebendgewicht dann um etwa einen Euro niedriger ist. Die Berechnung in Tabelle 1 zeigt, dass bei einer Tageszunahme von 900 Gramm der Jungbulle 700 kg Lebendgewicht erst mit 727 Tagen erreicht, also rechnerisch gerade drei Tage vor der genannten Altersgrenze. Bei noch schlechteren Grundfutterqualitäten wird es damit fast unmöglich, marktgerecht zu produzieren. Bei einer Färse ist dies weniger ein Problem, da diese nicht so schwer wie ein Jungbulle werden muss und es zudem keine Beschränkung auf 24 Monate gibt.
Es ist daher angezeigt, in der Bullenmast beste Grassilage zu verwenden und zusätzlich etwas Kraftfutter zu geben. Ist dies nicht möglich, weil etwa die guten Qualitäten den Milchkühen vorbehalten bleiben, kann das genannte Produktionsziel nicht erreicht werden, was den Erlös schmälert. Oder man muss dies mit einer wesentlich höheren Kraftfuttergabe ausgleichen. Dies verbietet sich im Biobetrieb schon aus Kostengründen. Aber auch, weil dies nicht dem ganzheitlichen Ansatz entspricht, Rinder hauptsächlich mit Gras zu füttern.
Einkreuzen oder nicht?
Neben der Fütterung spielt die Genetik bei der Bullenmast eine wichtige Rolle. Die Rasse der Muttertiere ist durch die im Betrieb vorhandene Milchviehrasse gegeben. Dies ist in der Regel  Fleckvieh, Holstein oder Braunvieh, im Schwarzwald auch Vorderwälder. Zur Verbesserung der Ausschlachtung und der Bemuskelung können Fleischrinderrassen eingekreuzt werden.
Es stehen zwei Typen von Fleischrassen zur Kreuzung zur Auswahl: mittelintensive und intensive (siehe Tabelle 2). Mittelintensive Rassen kommen mit der  Grasfütterung besser zurecht, da sie  frühreifer sind. Die Mastendgewichte sind niedriger und eine ausreichende Fettabdeckung wird früher erreicht. Intensive Rassen bieten bessere Zunahmen, die jedoch ausgefüttert werden müssen. Auch sind die Bemuskelung und die Ausschlachtung noch besser, besonders im Fall von Limousin. Die Kreuzung mit mittelintensiven Rassen wie Angus oder Hereford bietet sich also für Betriebe an, die eher extensiv füttern. Die Einkreuzung von Fleisch-Fleckvieh, Charolais oder Limousin führt die Genetik in die intensive Richtung. Zudem ist zu beachten, dass die Maststrategie für alle Masttiere gleichermaßen gelten sollte. Das heißt, die eingekreuzte Rasse sollte einerseits zur Fütterung und andererseits zu den erzeugten reinrassigen männlichen Nachkommen der Milchkühe passen.
Beispielsweise sollte ein Holsteinbetrieb, welcher bei den reinrassigen Kälbern ohnehin niedrigere Mastendgewichte hat, eher Angus einsetzen, um homogene Mastgruppen zu erzielen. Ein Fleckviehbetrieb, welcher eine bessere Ausschlachtung und eine noch bessere Bemuskelung wünscht, sollte zum Beispiel Limousin einsetzen – sofern die Futterqualität den hohen Ansprüchen gerecht wird.  Ist dies nicht der Fall, sind auch Angus oder mittelrahmige Vertreter der Rasse Fleckvieh – Fleischnutzung eine Option.
 Zusätzlich beachtet werden sollte die Leichtkalbigkeit, insbesondere bei den Vorderwäldern, die einen kleineren Rahmen als Fleckvieh oder Holstein haben. Hier empfehlen sich ebenfalls Angus und klein- bis mittelrahmige Vertreter der Rasse Limousin als Kreuzungspartner. Nicht nur deswegen sollte grundsätzlich auf Herdbuchbullen mit Zuchtpapieren zurückgegriffen werden, da hier Informationen zu den Eltern und dem Geburtsgewicht des Bullen vorliegen. Zudem kann man bei Vorderwäldern durchaus auf reinrassige Anpaarungen setzen (analog zu Fleckvieh, aber auf extensiverem Niveau), da gute Schlachtkörper und passend zur extensiveren Grasfütterung geringere Mastendgewichte bei noch guter Fettabdeckung möglich sind. Beim Verkauf an Mäster mit intensiver Maststrategie dürften die Kreuzungen jedoch attraktiver sein.
Bei hohen Remontierungsraten macht es wenig Sinn, Kreuzungen zu erzeugen. Denn es werden anteilig sehr viele reinrassige Anpaarungen benötigt, um die Nachzucht zu stellen. Dementsprechend werden zu wenige Kreuzungstiere erzeugt, um sinnvoll Mastgruppen zusammenstellen zu können. Zudem ist in Milchviehbetrieben die kontinuierliche Abkalbung üblich, was dies weiter erschwert. Zur Verdeutlichung: Liegt die Remontierungsrate bei über 30 %, ist es kaum möglich, homogene Mastgruppen zusammenzustellen. Bei 100 Kühen müssen mindestens 60 Tiere mit Bullen der Milchviehrasse angepaart werden, höchstens 40 stehen zur Erzeugung von Kreuzungstieren zur Verfügung. Dies ergibt nur etwa 20 Bullenkälber aus der Kreuzung und 30 reinrassige. Diese 20 Kreuzungskälber werden zudem noch übers Jahr verteilt geboren, also nur eines alle zwei bis drei Wochen! Bei 25 % Remontierung steigt der Anteil der Kreuzungen schon auf 50 %, damit lässt sich mehr anfangen.
Fazit
tehen geeignete, günstige Stallplätze zur Verfügung, ist die  Bullenmast für einige biologisch wirtschaftende Milchviehbetriebe eine sinnvolle Option zur Diversifizierung des Betriebs. Dabei muss die Genetik zur Fütterung passen. Ziel ist, den gewünschten Schlachtkörper im richtigen Alter mit möglichst viel betriebseigenem (Grund-)Futter zur erzeugen. In ökologisch wirtschaftenden Betrieben sind mit gutem Grundfutter (Grassilage + 2 kg Kraftfutter) 1000 bis 1100 g Tageszunahmen möglich, was mit Milchviehrassen erreicht werden kann. Da insbesondere bei Fleckvieh die Wachstumskapazität weitaus höher ist, muss hier auf das Alter bei Erreichen des Mastendgewichts geachtet und bei Bedarf eine intensivere Endmast mit höheren Kraftfutter- bzw. Getreidegaben betrieben werden, damit mehr als Fettklasse 1 erreicht wird. Ist dies dauerhaft nicht möglich, kann mit mittelintensiven und frühreiferen Fleischrinderrassen gekreuzt werden. Andererseits ist eine Kreuzung mit intensiven Rassen möglich, wenn bestes Grundfutter, eventuell zusätzlich Maissilage zur Verfügung steht. Voraussetzung für die Kreuzung ist eine niedrige Remontierungsrate in der Milchviehherde.