Politik | 27. März 2014

Brüssel will bei Öko entweder ganz oder gar nicht

Von AgE
Der Vorschlag der Brüsseler Kommission zur EU-Ökoverordnung war ein zentraler Tagesordnungspunkt der Sitzung der EU-Landwirtschaftsminister Anfang dieser Woche in Brüssel. Unter anderem soll es künftig weniger Ausnahmen und Kontrollen entlang der Kette bis zum Verbraucher geben.
Die bisherige Möglichkeit einer teilweisen Umstellung eines Betriebes auf Öko soll nach dem Vorschlag der EU-Kommission entfallen.
Nutztiere in ökologischer Landwirtschaft sollen künftig ausschließlich mit Biofutter gefüttert werden. Das geht aus dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der EU-Ökoverordnung hervor, den EU-Agrarkommissar Dacian   am Montag  den europäischen Landwirtschaftsministern in Brüssel vorgestellt hat. Eine Beimischung von bis zu fünf Prozent konventionellem Futter, um die Nährstoffversorgung der Tiere sicherzustellen, wäre danach nicht mehr möglich. Auch die Verwendung von synthetischen Aminosäuren ist ausdrücklich untersagt. In der Kommission ist man der Auffassung, dass die reine Biofütterung bereits heute machbar ist. Bei verarbeiteten Produkten hingegen gilt weiterhin ein Ökoanteil von 95 Prozent als ausreichend für das Biosiegel.
Gruppenzertifizierung für Kleine
Ferner sollen sich Betriebe entweder ganz oder gar nicht dem Ökoanbau widmen. Die bisherige Möglichkeit für eine teilweise Umstellung entfällt. Um mehr Kleinlandwirte für den Biolandbau zu gewinnen, soll ihnen eine Gruppenzertifizierung ermöglicht werden. Darüber hinaus will die Kommission die Produktkontrollen verstärken und im Zweifelsfall Ware auch mit unabsichtlich verursachten Rückständen nicht mehr als Öko verkaufen lassen. Erzeuger könnten für Wertverluste entschädigt werden. Kontrollen sollen sich künftig auf die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken.
Mit Blick auf die Beziehungen zu Drittstaaten will die Kommission von den EU-Mitgliedstaaten ein Verhandlungsmandat für Biostandards im Außenhandel erhalten.  erklärte, die Anpassungen seien notwendig, weil die Nachfrage nach Bioprodukten gestiegen sei. Das verursache Druck auf die Qualitätsnormen. Ferner wolle man die Regeln vereinheitlichen; bislang würden Landwirte in den verschiedenen Mitgliedstaaten wegen zahlreicher Ausnahmen ungleich behandelt. Mit einem Aktionsplan will die Kommission einen strategischen Rahmen vorgeben.
Der Vorschlag wurde von der Kommission erst am Montagmorgen im sogenannten Umlaufverfahren angenommen – das heißt, die 28 EU-Kommissare gaben ihre notwendige Zustimmung nicht bei einer Kollegiumssitzung, sondern von ihrem Schreibtisch aus.
Schmidt will auf Praktikabilität achten
Bundeslandwirtschaftsminister Christian  Schmidt  wollte sich auf seinem ersten Agrarrat zu dem Vorschlag, den er selbst nur überfliegen konnte, nicht äußern. Er versicherte vor Journalisten jedoch, auf die Praktikabilität neuer Regeln zu achten. Keine Bewegung gab es hinsichtlich einer eventuellen Anpassung der Milchfettkorrektur im Wirtschaftsjahr 2014/15. Während Deutschland, die Niederlande, Dänemark, Irland und sechs weitere Mitgliedstaaten diesen Schritt gegenüber der Kommission nachdrücklich einforderten, zeigten sich zwölf weitere Delegationen, darunter Frankreich, weiter skeptisch.  stellte in Aussicht, das Thema im nächsten Milchbericht, der für den Agrarrat im Juni geplant ist, noch einmal aufzugreifen. Beobachter halten dies für einen relativ späten Zeitpunkt. Bislang drängte die Kommission darauf, wenn der Rat tatsächlich eine Änderung anstrebe, müsse dies am besten noch im März erfolgen. Dazu forderte sie eine ausreichende Mehrheit im Rat – die es bislang nicht gibt.
Position zur EU-Absatzförderung
Ferner verständigten sich die EU-Agrarminister auf die Eckpunkte einer Reform der EU-Absatzförderung. Sie unterstützten die großen Linien eines Kompromissvorschlags der griechischen EU-Ratspräsidentschaft. Danach soll sich die nationale Regierung zwar nicht mehr an der Finanzierung von Vermarktungsprogrammen beteiligen; Hersteller können aber trotzdem darauf setzen, dass sie höchstens 25 Prozent der Kosten übernehmen müssen. Dazu soll der entsprechende Finanzierungsanteil aus dem EU-Haushalt aufgestockt werden, nämlich auf 75 Prozent. Im Krisenfall soll die EU sogar 85 Prozent beisteuern; besonders bedürftige Mitgliedstaaten könnten einen Extrazuschlag von fünf Prozent erhalten.
 Damit schwenkt der Rat auf die Linie des Europaparlaments ein. Die Europäische Kommission konnte sich damit durchsetzen, dass es künftig keine nationale Vorauswahl der Programme mehr geben wird.  sicherte den Delegationen jedoch zu, dass die Mitgliedstaaten in die Ausarbeitung eines strategischen Rahmens eingebunden würden. Bestimmte Details müssen noch im Sonderausschuss Landwirtschaft (SAL) geklärt werden. Danach können die Schlussverhandlungen mit dem Europaparlament beginnen.
Kostspielige Option
Gesundheitskommissar Tonio  Borg  diskutierte mit den Ministern über die Machbarkeit einer Herkunftskennzeichnung von Fleisch in verarbeiteten Produkten, ausgehend von einem Bericht, den seine Dienststellen im Dezember vorgestellt hatten. Darin wird die verpflichtende Angabe des Herkunftslandes als kostspielige Option beschrieben. Alternativen wären eine freiwillige Kennzeichnung oder die Beschränkung der Angabe auf die Herkunft aus der EU oder Drittstaaten.
Der Rat zeigte sich über das Thema gespalten. Eine Gruppe von Mitgliedstaaten um Deutschland, Spanien und Großbritannien sprach sich mit Blick auf die zu erwartenden Mehrkosten für Unternehmen eher für eine freiwillige Kennzeichnungslösung aus, während vor allem Frankreich, Schweden und Italien für eine Kennzeichnungspflicht eintraten. Österreich plädierte dafür, bei bestimmten Produkten das Herkunftsland des Fleisches anzugeben, während bei anderen der Hinweis auf die EU- beziehungsweise Nicht-EU-Herkunft ausreichen könnte.
Borg zeigte sich bereit, weitere Untersuchungen durchzuführen. Ein baldiger Rechtsvorschlag steht anscheinend nicht auf dem Programm. Der Kommissar betonte mit Nachdruck, dass es sich bei der Herkunftskennzeichnung ausschließlich um eine Verbraucherinformation handle, die in keinem Zusammenhang mit der Lebensmittelsicherheit stehe.
Delegierte Rechtsakte klären
Am Rande des Treffens erörterten die Minister mit Agrarkommissar  die Detailregelungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und das mögliche Veto des Europaparlaments.
Der Kommissar warb vor Journalisten noch einmal für die Mitte März vorgestellten delegierten Rechtsakte und warnte vor einer Verzögerung der Umsetzung der GAP-Reform in den Mitgliedstaaten, sollte das Parlament die Entwürfe der Kommission im April tatsächlich ablehnen. Er zeigte sich bereit, zur Klärung von Unklarheiten beizutragen, betonte jedoch gleichzeitig, dass man den hauptsächlichen Bedenken bereits im Vorfeld Rechnung getragen habe. Eigentlich hätten die Rechtsakte schon Ende Januar veröffentlicht werden sollen.
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt bekräftigte gegenüber Journalisten, dass er die Bedenken der Europaabgeordneten nachvollziehen könne. Er habe  bislang keine Zustimmung signalisiert. Natürlich bestehe ein großes Interesse an einer zügigen Umsetzung; dazu müssten alle Beteiligten noch einmal in sich gehen – „vermutlich sogar die Kommission”.