Politik | 21. März 2024

Brüssel will bei GLÖZ flexibler werden

Von AgE
Die Europäische Kommission plant spürbare Änderungen an den Konditionalitätsvorgaben der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). So soll die Stilllegungspflicht weitgehend gestrichen werden. Vorgesehen sind zudem Flexibilisierungen beim Erosionsschutz und weiteren Vorgaben.
Die Europäische Kommission will den Standard GLÖZ8 weitgehend streichen.
Wie die Brüsseler Behörde am 15. März  bekanntgab, soll der Standard GLÖZ 8 weitgehend gestrichen werden. Der Schutz bestehender Landschaftsmerkmale soll beibehalten werden. Stattdessen sollen die Mitgliedstaaten Öko-Regelungen einführen, um den Landwirten einen Anreiz zur Stilllegung zu bieten.
Für eine Streichung der Stilllegungspflicht hatte sich auf EU-Ebene  vor allem die Europäische Volkspartei (EVP) stark gemacht. Bei der Abstimmung um die GAP-Reform im Jahr 2021 hatte die überwiegende Mehrheit der EVP-Fraktion indes noch dafür gestimmt. Um die geplante Änderungsverordnung insgesamt umzusetzen,  ist eine Zustimmung des Rates und des Europaparlaments notwendig. Sollte es seitens der Co-Gesetzgeber noch Änderungswünsche geben, müsste es einen Trilog mit der Kommission geben.
GLÖZ 5 bis 7 im Visier
Zudem sollen die Mitgliedsländer nach dem Willen der Kommission den Landwirten auch spezifische Ausnahmen beim Schutz vor Erosion (GLÖZ 5), bei der Mindestbodenbedeckung (GLÖZ 6) und bei der Fruchtfolge (GÖZ 7) zugestehen dürfen. Dies soll vor allem dann möglich sein, wenn Anforderungen ihren Zielen zuwiderlaufen. Als Begründung wird in dem Verordnungsvorschlag auf agronomische Besonderheiten bestimmter Bodentypen verwiesen.
Bei GLÖZ 9 zu umweltsensiblem Dauergrünland soll unter Umständen das bestehende Umbruchverbot gelockert werden. Die Kommission will beispielsweise das Pflügen zur Wiederherstellung von Dauergrünland in Natura-2000-Gebieten erlauben. Dies soll dann möglich sein, wenn die Flächen durch Raubtiere oder invasive Arten geschädigt werden.
Am 12. März hatte die Kommission bereits den Grünlandschutz gemäß GLÖZ 1 über einen delegierten Rechtsakt flexibilisiert. Sollte es in den kommenden zwei Monaten hierzu vonseiten des Rates oder des Parlaments kein Veto geben – wovon angesichts der Mehrheitsverhältnisse auszugehen ist –, dann wird die Neuregelung Mitte Mai in Kraft treten.
Diese Ausnahmen bei den GLÖZ-Standards können für den gesamten GAP-Zeitraum in den nationalen strategischen Plänen festgelegt werden. Die Kommission weist allerdings darauf hin, dass die Ausnahmen „flächenmäßig begrenzt” und nur dann eingeführt werden sollten, wenn sie sich als notwendig erweisen würden, um spezifische Probleme zu lösen. Aus der Behörde heißt es, dass man die Änderungen überprüfen werde. Die allgemeinen Umweltziele der GAP würden gewahrt bleiben.
Weitere Ausnahmen bei Härtefällen
In Fällen, in denen extrem ungünstige Witterungsbedingungen die Landwirte daran
hindern, ordnungsgemäß zu arbeiten und die GLÖZ-Anforderungen zu erfüllen, soll es Härtefallregelungen geben. So sollen die Mitgliedstaaten dann weitere vorübergehende Ausnahmeregelungen umsetzen dürfen. Diese sollten nach Maßgabe der Kommission aber zeitlich klar begrenzt sein und nur für die betroffenen Betriebe gelten.
Um sicherzustellen, dass die EU-Länder ihre GAP-Strategiepläne häufiger an veränderte Bedingungen anpassen können, schlägt die Kommission überdies vor, die Zahl der jährlich zulässigen Änderungen zu verdoppeln. Jede erfolgreiche Vereinfachungsmaßnahme müsse in Zusammenarbeit mit den nationalen Verwaltungen durchgeführt werden, heißt es dazu.
Keine Sanktionen für Kleinbetriebe
Darüber hinaus sollen der Kommission zufolge landwirtschaftliche Betriebe mit einer Fläche von weniger als zehn Hektar in Zukunft von Kontrollen und damit  von Sanktionen bei Verstößen gegen die Konditionalitätsregelungen ausgenommen werden. „Damit soll der  Verwaltungsaufwand verringert werden, der für kleine Betriebe höher ist als für größere”, heißt es zu der geplanten Änderung der GAP-Strategieplanverordnung.
DBV zufrieden – Öko- und Umweltverbände nicht
Die Pläne der EU-Kommission für Änderungen an den Rechtstexten der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stoßen beim Deutschen Bauernverband (DBV) auf ein positives Echo. Generalsekretär Bernhard Krüsken bezeichnete die von der Brüsseler Behörde vorgesehenen Anpassungen „als ersten Schritt” hin zu einer geringeren Bürokratie- und Auflagenlast für die Landwirte. Krüsken konstatierte allerdings auch, dass dies längst nicht ausreichend sei.
Laut Krüsken sollte bei der Konditionalität künftig deutlich stärker auf EU-weite Wettbewerbsgleichheit bei den Fördervoraussetzungen geachtet werden. Weitere Anpassungen fordert der Generalsekretär bei der  sozialen Konditionalität. Zudem drängt er auf mehr EU-rechtliche Flexibilität bei den Öko-Regelungen.
Darüber hinaus sollten die Dokumentations- und Berichtspflichten gegenüber Brüssel auf „ein notwendiges Minimum” reduziert werden.  Die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca) lobten vor allem den Einsatz von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diese habe durchgesetzt, dass die Änderungswünsche des Berufsstands schnell auf den Weg gebracht würden.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) beklagt hingegen eine Verwässerung der Konditionalität. Die geplante Streichung der GLÖZ 8 zur Stilllegung stößt ebenfalls auf Missfallen. Ottmar Ilchmann, Landwirt aus der Fachgruppe GAP der AbL, fordert die Kommission auf, die Bauern auf den Agrarmärkten so zu stärken, dass sie gegenüber den Verarbeitern und dem Handel endlich gewinnbringende Erzeugerpreise durchsetzen können.
Unterdessen moniert der Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Leif Miller, dass in Brüssel aktuell die jahrelang mühsam erkämpften Errungenschaften für mehr Ökologie in der EU-Agrarpolitik binnen weniger Tage zunichte gemacht würden. Deutschland könne sich diesem „Ausverkauf” mit einem eigenen Plan für mehr Klima- und Naturschutz in der Landwirtschaft entgegenstellen.
„Dies ist ein schlechter Tag für den europäischen Lebensmittel- und Agrarsektor.” Dieses ernüchternde Fazit hat der Präsident der EU-Gruppe der Internationalen Vereinigung ökologischer Landbaubewegungen (IFOAM – Organics Europe), Jan Plagge, zu den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Änderungen an der Gemeinsamen Agrarpolitik gezogen.
Bioland-Vizepräsidentin Sabine Kabath befürchtet, dass ein Absenken der Umweltauflagen ohne eine stärkere Förderung von Umweltleistungen zu einem „Wettbewerb nach unten” führe. Dies bedeute weniger Schutz für Umwelt und Arten.
Özdemir fordert Änderungen
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat Anpassungen bei den Kommissionsvorschlägen zur Abschwächung der Konditionalität der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gefordert. Der Grünen-Politiker beklagte, dass mit den derzeitigen Plänen das Umweltambitionsniveau der GAP teilweise unter das der letzten Förderperiode fallen würde. Zwar sei weniger bürokratische Belastung zu begrüßen, aber dies dürfe nicht auf Kosten der Biodiversität sowie des Umwelt- und Klimaschutzes gehen, so der Minister.
Derweil fordert der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europäischen Parlament, Norbert Lins, von Özdemir, den Brüsseler Plänen nicht länger im Weg zu stehen.