Nach dem Gerangel um die Einhaltung der EU-Nitratrichtlinie wirft die Europäische Kommission Deutschland nun auch jahrelange Verstöße gegen das Naturschutzrecht vor.
FFH-Richtlinie mangelhaft umgesetzt? Dem Bundesumweltministerium zufolge ist die Einreichung der Klage vor dem EuGH mit den Einzelheiten „in den kommenden Wochen oder Monaten” zu erwarten.
Die Brüsseler Behörde verklagt die Bundesrepublik wegen mangelhafter Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Wie die Kommission am 18. Februar mitteilte, hat Deutschland eine bedeutende Anzahl von Gebieten immer noch nicht als Schutzgebiete ausgewiesen. Zudem seien die für die einzelnen Gebiete festgelegten Erhaltungsziele nicht hinreichend quantifiziert und messbar und ermöglichten daher keine ausreichende Berichterstattung. Die Behörde beklagt, dass es in allen Bundesländern und auch auf Bundesebene allgemeine und anhaltende Praxis gewesen sei, für alle 4606 Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung keine hinreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele festzulegen. Das habe erhebliche Auswirkungen auf die Qualität und Wirksamkeit der zu ergreifenden Erhaltungsmaßnahmen.
Frist schon mehr als zehn Jahre abgelaufen
Die Frist für die
Vollendung der notwendigen Maßnahmen ist der Kommission zufolge in
einigen Fällen schon vor mehr als zehn Jahren abgelaufen. 2015 sei ein
Aufforderungsschreiben übermittelt worden. Nach eingehender Diskussion
mit den deutschen Behörden sei im Jahr 2019 ein ergänzendes
Aufforderungsschreiben verfasst worden, gefolgt von einer mit Gründen
versehenen Stellungnahme im Februar 2020.
Neben Deutschland hat die
Kommission in Sachen Naturschutzrecht weitere Mitgliedsländer im Visier:
Ebenfalls wegen mangelhafter Umsetzung der FFH-Richtlinie eröffnete sie
in der vergangenen Woche Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien und
Litauen. In der Reaktion des Bundesumweltministeriums hieß es, dass
man in den letzten Jahren bezüglich eines Teils der Kommissionsvorwürfe
„erhebliche Fortschritte” gemacht habe.
Das Umweltministerium wehrt sich
So seien inzwischen 99,4 Prozent aller FFH-Gebiete rechtlich
gesichert und für etwa 84 Prozent der Gebiete die
Erhaltungsmaßnahmen festgelegt worden. Dazu gehörten auch die
FFH-Gebiete in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), für die der
Bund die Verantwortung trage. Überdies werde die Veröffentlichung der
geforderten Managementpläne von allen Bundesländern sowie dem Bund für
seine AWZ bereits vorgenommen oder sei zumindest „geplant”. Des Weiteren
sei die Zahl der FFH-Gebiete mit unzureichender Meldung von
Erhaltungsmaßnahmen „im Laufe der Jahre immer weiter reduziert” worden,
erklärte das Bundesumweltministerium. Die Kommission sei über diese
Fortschritte regelmäßig unterrichtet worden.
Zankapfel Erhaltungsziele
Kern
des rechtlichen Dissenses ist laut dem Berliner Umweltministerium die
aus Sicht der EU-Kommission nicht ausreichend detaillierte Festlegung
der gebietsspezifischen Erhaltungsziele. Der Forderungsumfang der
EU-Behörde sei nach Ansicht der Bundesländer allerdings „rechtlich zu
weitgehend”. Dem habe sich der Bund angeschlossen.
Moniert wird von
deutscher Seite auch, dass die Umsetzung einen „immensen finanziellen
und verwaltungstechnischen Aufwand” bedeuten würde und sich für die
insgesamt rund 4600 FFH-Gebiete vermutlich über viele Jahre hinziehen
könne. Dem Bundesumweltministerium zufolge ist die Einreichung der
Klage vor dem EuGH mit den genauen Einzelheiten „in den kommenden Wochen
oder Monaten” zu erwarten. Die Bundesregierung werde diese dann
eingehend prüfen und eng mit den Bundesländern abstimmen, die für die
weitaus meisten FFH-Gebiete zuständig seien. Von dem der Klage
vorgeschalteten Vertragsverletzungsverfahren waren laut
Umweltministerium alle 16 Bundesländer mit insgesamt rund 4600
FFH-Gebieten betroffen, der Bund mit den acht FFH-Gebieten in der Nord-
und Ostsee.