Politik | 15. Februar 2024

Brüssel setzt Stilllegung in Eigenregie aus

Von AgE/kl
Die EU-Kommission hat die Stilllegungsverpflichtung von vier Prozent – GLÖZ 8 – in diesem Jahr nun in Eigenregie ausgesetzt, nachdem die Mitgliedstaaten in der Frage uneins waren. Sie beschloss dazu eine Durchführungsverordnung, die bereits am 14. Februar in Kraft trat.
Die EU-Kommission hat geliefert. Noch war jedoch zum Redaktionsschluss dieser BBZ am Mittwoch nicht klar, ob Landwirte hierzulande statt Stilllegung Leguminosen oder Zwischenfrüchte anbauen können.
Dabei gilt die Maßgabe, dass alternativ nur der Anbau von Leguminosen oder Zwischenfrüchten erlaubt wird, um die Konditionalitätsanforderungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu erfüllen.
Gilt rückwirkend ab 1. Januar
Wie die Brüsseler Behörde am 13. Februar bestätigte, tritt die Verordnung bereits am 14. Februar  in Kraft und gilt rückwirkend ab dem 1. Januar bis zum 31. Dezember 2024.
Die Verordnung bestimmt als Voraussetzung für den Verzicht auf die Stilllegung den Anbau von Leguminosen oder Zwischenfrüchten auf vier Prozent der Ackerflächen. Den Mitgliedstaaten wird flankierend erlaubt, die Öko-Regelungen in Verbindung mit GLÖZ 8 kurzfristig anzupassen. Festgehalten hat die Brüsseler Behörde an der Vorgabe, dass chemische Pflanzenschutzmaßnahmen auf den betreffenden Flächen untersagt bleiben.
Bald weitere Vorschläge zur Entlastung?
Die Vorgeschichte:  Zu dem Vorschlag der Kommission im zuständigen Ausschuss der Mitgliedstaaten hatte es keine qualifizierte Mehrheit dafür oder dagegen gegeben. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten. Die Kommission konnte die Durchführungsverordnung aufgrund des fehlenden eindeutigen Votums der Mitgliedstaaten nun ohne weitere Verzögerungen annehmen.
Mitgliedsländer, die die Ausnahmeregelung anwenden wollen, müssen dies der Kommission innerhalb von 15 Tagen nach Inkrafttreten der Verordnung mitteilen. Ziel dieser relativ kurzen Frist ist es, den Landwirten schnell Planungssicherheit zu bieten. Kommissionspräsidentin  Ursula von der Leyen stellte klar, dass man den Landwir-
ten mit dieser Entscheidung entgegenkommen wolle. „Diese Maßnahme bietet den Landwirten Flexibilität und belohnt sie weiterhin für ihre entscheidende Arbeit zur Förderung der Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit in der EU”, betonte von der Leyen. Sie kündigte zudem an, „bald weitere Vorschläge” vorlegen zu wollen. Ihr Ziel sei es, den Druck, dem die Landwirte ausgesetzt seien, zu verringern.
DBV mahnt zur Eile – Özdemir verärgert
Der Deutsche Bauernverband (DBV) erwartet, dass die von der EU-Kommission beschlossene Ausnahmeregel zu GLÖZ 8 schnell umgesetzt wird. Das betonte   DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken am 13. Februar  in Berlin. Kurz zuvor war im Amtsblatt die entsprechende Durchführungsverordnung veröffentlicht worden.
Laut Krüsken sind bei den Änderungen an der Konditionalitätsverpflichtung GLÖZ 8 im laufenden GAP-Antragsjahr 2024 für die Landwirte zügige Entscheidungen sowie eine klare und verlässliche Kommunikation der neuen Regelungen sehr wichtig. „Hier kommt es auf jeden früheren Tag der Bekanntgabe an, der helfen kann, dass sich die Landwirte noch mit ihren Anbauentscheidungen kurzfristig auch im Sinne einer verbesserten Beantragung von Öko-Regelungen darauf einstellen können.”
Der DBV-Generalsekretär appellierte daher an die Entscheidungsträger von Bund und Ländern, rasch eine vollständige sowie uneingeschränkte Umsetzung des EU-Rahmens auf den Weg zu bringen. Zudem müsse spätestens Ende Februar über sämtliche Regelungen zur geänderten Erfüllung von GLÖZ 8 in Verbindung mit den Öko-Regelungen und den Agrarumweltmaßnahmen (AUKM) entschieden worden sein. „Dazu gehört auch, praktische Umsetzungsfragen zu klären und an die Landwirte zu kommunizieren.”
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sich verärgert über den Beschluss der EU-Kommission zu GLÖZ 8 gezeigt. Statt ständig neue Vorstöße der Brüsseler Behörde bräuchten die Mitgliedstaaten „verlässliche Regelungen”, betonte der Minister am Rande der Biofach am 13. Februar in Nürnberg. Schließlich sei es kein Zufall, dass es in der vergangenen Woche keine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag gegeben habe. „Wie soll denn Planungs- und Investitionssicherheit existieren, wenn die Kommission in Panik getrieben nach den Protesten in Frankreich ‚Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln‘ ruft”, so Özdemir.  Deutschland hatte sich in der Abstimmung zum zweiten Kommissionsvorschlag enthalten, während es der ursprünglichen Vorlage noch zugestimmt hatte.
Ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) erklärte indessen gegenüber dem Fachpressedienst Agra-Europe, dass die EU-Kommission mit diesem Schritt „den Weg des konstruktiven Dialogs und der Kompromissfindung mit den Mitgliedstaaten” verlassen habe. Auf die Frage, ob Deutschland die Ausnahmeregeln zulassen werde, hieß es, man werde sich anschauen, welchen Weg andere EU-Mitgliedstaaten einschlagen. „Ziel muss ein Schutz der Biodiversität sein, der sich für die Landwirtinnen und Landwirte bezahlt macht”, so der Sprecher.
Unterdessen übte der Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzringes (DNR), Florian Schöne, scharfe Kritik an der Brüsseler Kommission. „Im Alleingang vollzieht die EU-Kommission eine doppelte Rolle rückwärts auf Kosten der Natur”, so Schöne.