Politik | 03. Dezember 2015

Brüssel kritisiert Deutschland erneut wegen Nitrat

Von AgE
Im deutschen Streit um die Novelle der Düngeverordnung mischt nun auch die Europäische Kommission mit. Die Brüsseler Behörde droht der Bundesregierung mit einem weiteren Vertragsverletzungsverfahren wegen überhöhter Nitratwerte.
Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass Deutschland noch zu wenig für die Verringerung von Nitrat- und Phosphateinträgen aus der Landwirtschaft tut.
Die Kommission sieht mittlerweile nicht nur die Ziele der EU-Nitratrichtlinie, sondern auch die der Wasserrahmenrichtlinie gefährdet. Sie kritisiert insbesondere, dass Deutschland nicht genügend Maßnahmen zur Bekämpfung diffuser Verschmutzungen des Grundwassers aus landwirtschaftlichen Quellen unternommen habe.
Zur Nitratrichtlinie läuft bereits ein Verfahren. In einer sogenannten Pilotanfrage legte Brüssel den  deutschen Behörden bereits im Juli einen Fragenkatalog vor, der eigentlich innerhalb von zehn Wochen nach Eingang des Schreibens hätte beantwortet werden sollen. Unter anderem muss die Bundesregierung einen genauen Zeitplan vorlegen, wie alle Wasserkörper schrittweise in einen guten Zustand überführt werden sollen – einschließlich Gründen für eventuelle Verzögerungen. Ursprünglich sollte das Ziel bereits in diesem Jahr erreicht werden; die Frist ist also praktisch gar nicht mehr einzuhalten.
Druckaufbau
Mit dem neuen Vorstoß erhöht die Kommission weiter den Druck, den sie durch das laufende Vertragsverletzungsverfahren wegen der verzögerten Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland bereits aufgebaut hat.
Die  Anfrage verleiht der Forderung der Länderumweltminister Nachdruck, die auf Entscheidungen im Düngerecht drängen.  Die Verzögerungen sind auch Unstimmigkeiten zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium geschuldet, beispielsweise über den Umgang mit Anlagen zur Lagerung von Jauche, Gülle oder Silagesickersaft (JGS-Anlagen).
Die Kommission wiederum kritisiert ferner, Deutschland habe keine Vorschriften zur Bekämpfung von Phosphateinträgen der Landwirtschaft erlassen, „obwohl Phosphat bekanntermaßen in hohem Maße mitverantwortlich dafür ist, dass in deutschen Gewässern kein guter ökologischer Zustand erreicht wird, und obwohl die Landwirtschaft maßgeblich zur Gesamtbelastung beiträgt”. Weil die Bundesrepublik die Verunreinigungen nicht an der Quelle angehe, könne der Aufwand zur Trinkwasseraufbereitung nicht wie vorgesehen gesenkt werden. Es gebe Anzeichen, dass die Kosten dafür in bestimmten Bundesländern sogar stiegen.
Strafzahlungen nicht ausgeschlossen
Falls die Bundesregierung keine zufriedenstellende Rückmeldung geben kann, dürfte die Gefahr wachsen, dass die Kommission ein formelles Verfahren einleitet. Die meisten solcher Vertragsverletzungsverfahren werden am Ende eingestellt, weil der betroffene Mitgliedstaat nach gewisser Zeit die geforderten Änderungen vornehmen konnte. Wenn es zu lange dauert, könnte die Kommission in letz- ter Konsequenz aber auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen. Dann würden Deutschland hohe Strafzahlungen drohen.
Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes  Remmel  bezeichnete das Vorgehen der Kommission als nachvollziehbar. Die Nitratbelastung der Gewässer sei eines der größten Umweltprobleme in Nordrhein-Westfalen.   Damit die Bundesländer endlich entsprechende Maßnahmen einleiten könnten, um die Nitratbelastungen dauerhaft zu senken, benötige man schnellstmöglich eine neue Verordnung mit strengeren Vorgaben.
Anreize statt Auflagen
Der Deutsche Bauernverband (DBV) warnte in den vergangenen Monaten indes wiederholt vor überzogenen ordnungspolitischen Auflagen im Zusammenhang mit dem deutschen Düngerecht. Der DBV befürchtet dadurch eine Beschleunigung des Strukturwandels, sollten kleine und mittlere Betriebe aufgeben müssen. Anreizsysteme wie den kooperativen Naturschutz oder Agrarumweltprogramme halten die Branchenvertreter für eine bessere Lösung zur Abmilderung der Nitratproblematik. Dazu übergab der DBV unlängst gemeinsam mit den Landesbauernverbänden eine Resolution an die Umweltminister der Bundesländer (die BBZ berichtete).