Im deutschen Streit um die Novelle der Düngeverordnung mischt nun auch die Europäische Kommission mit. Die Brüsseler Behörde droht der Bundesregierung mit einem weiteren Vertragsverletzungsverfahren wegen überhöhter Nitratwerte.
Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass Deutschland noch zu wenig für die Verringerung von Nitrat- und Phosphateinträgen aus der Landwirtschaft tut.
Die Kommission sieht mittlerweile nicht nur die Ziele der EU-Nitratrichtlinie, sondern auch die der Wasserrahmenrichtlinie gefährdet. Sie kritisiert insbesondere, dass Deutschland nicht genügend Maßnahmen zur Bekämpfung diffuser Verschmutzungen des Grundwassers aus landwirtschaftlichen Quellen unternommen habe.
Zur Nitratrichtlinie läuft bereits ein Verfahren. In einer sogenannten Pilotanfrage legte Brüssel den deutschen Behörden bereits im Juli einen Fragenkatalog vor, der eigentlich innerhalb von zehn Wochen nach Eingang des Schreibens hätte beantwortet werden sollen. Unter anderem muss die Bundesregierung einen genauen Zeitplan vorlegen, wie alle Wasserkörper schrittweise in einen guten Zustand überführt werden sollen – einschließlich Gründen für eventuelle Verzögerungen. Ursprünglich sollte das Ziel bereits in diesem Jahr erreicht werden; die Frist ist also praktisch gar nicht mehr einzuhalten.
Druckaufbau
Mit dem neuen Vorstoß erhöht die Kommission weiter den Druck,
den sie durch das laufende Vertragsverletzungsverfahren wegen der
verzögerten Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland bereits
aufgebaut hat.
Die Anfrage verleiht der Forderung der Länderumweltminister Nachdruck,
die auf Entscheidungen im Düngerecht drängen. Die Verzögerungen sind
auch Unstimmigkeiten zwischen Bundeslandwirtschafts- und
Bundesumweltministerium geschuldet, beispielsweise über den Umgang mit
Anlagen zur Lagerung von Jauche, Gülle oder Silagesickersaft
(JGS-Anlagen).
Die Kommission wiederum kritisiert ferner, Deutschland habe keine
Vorschriften zur Bekämpfung von Phosphateinträgen der Landwirtschaft
erlassen, „obwohl Phosphat bekanntermaßen in hohem Maße
mitverantwortlich dafür ist, dass in deutschen Gewässern kein guter
ökologischer Zustand erreicht wird, und obwohl die Landwirtschaft
maßgeblich zur Gesamtbelastung beiträgt”. Weil die Bundesrepublik die
Verunreinigungen nicht an der Quelle angehe, könne der Aufwand zur
Trinkwasseraufbereitung nicht wie vorgesehen gesenkt werden. Es gebe
Anzeichen, dass die Kosten dafür in bestimmten Bundesländern sogar
stiegen.
Strafzahlungen nicht ausgeschlossen
Falls die Bundesregierung
keine zufriedenstellende Rückmeldung geben kann, dürfte die Gefahr wachsen, dass die Kommission ein formelles Verfahren einleitet. Die meisten solcher Vertragsverletzungsverfahren werden am Ende eingestellt, weil der
betroffene Mitgliedstaat nach gewisser Zeit die geforderten Änderungen
vornehmen konnte. Wenn es zu lange dauert, könnte die Kommission in
letz-
ter Konsequenz aber auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen. Dann würden Deutschland hohe Strafzahlungen drohen.
Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel bezeichnete das Vorgehen der Kommission als nachvollziehbar. Die
Nitratbelastung der Gewässer sei eines der größten Umweltprobleme in
Nordrhein-Westfalen. Damit die Bundesländer endlich entsprechende
Maßnahmen einleiten könnten, um die Nitratbelastungen dauerhaft zu
senken, benötige man schnellstmöglich eine neue Verordnung mit
strengeren Vorgaben.
Anreize statt Auflagen
Der Deutsche Bauernverband
(DBV) warnte in den vergangenen Monaten indes wiederholt vor überzogenen
ordnungspolitischen Auflagen im Zusammenhang mit dem deutschen
Düngerecht. Der DBV befürchtet dadurch eine Beschleunigung des
Strukturwandels, sollten kleine und mittlere Betriebe aufgeben müssen.
Anreizsysteme wie den kooperativen Naturschutz oder Agrarumweltprogramme
halten die Branchenvertreter für eine bessere Lösung zur Abmilderung
der Nitratproblematik. Dazu übergab der DBV unlängst gemeinsam mit den
Landesbauernverbänden eine Resolution an die Umweltminister der
Bundesländer (die BBZ berichtete).