Politik | 21. Juli 2022

Brüssel hat über befristete Ausnahmen für den Ackerbau noch nicht entschieden

Von AgE
Laut EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski ist der Entwurf für eine einjährige Aussetzung von Fruchtwechsel und Stilllegung fertig. Das Kommissarskollegium müsse nur noch zustimmen. Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir bleibt indes bei der Stilllegung skeptisch.
Was gilt auf den Äckern? Europas Bauern warten dringend auf Entscheidungen zur GAP-Reform.
Auch wenn es in Brüssel nach wie vor keine endgültige Entscheidung über eine mögliche Aussetzung der Regeln zum Fruchtwechsel und zur Stilllegung gibt, liegen hierfür nun zumindest konkrete Pläne vor. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski wies am Montag dieser Woche beim EU-Agrarrat in Brüssel darauf hin, dass bereits ein Entwurf für eine Durchführungsverordnung zur vorübergehenden  Nichtanwendung der beiden Konditionalitätsstandards im Rahmen der GAP ab 2023  erarbeitet worden sei. Geplant sei eine Aussetzung für genau ein Jahr, um die negativen Folgen des Krieges in der Ukraine auf die Ernährungssicherheit abzufedern. Bevor die Regelungen allerdings zur Anwendung kommen können, müssen diese vom Kollegium der EU-Kommission angenommen werden.
Gegenwind von Timmermans befürchtet
Wojciechowski unterstrich, dass er seine Kollegen in der Brüsseler Behörde von den Plänen überzeugen wolle. Dies solle „demnächst” geschehen, so der Brüsseler Agrarchef. Auf die Frage, ob er mit Gegenwind des geschäftsführenden Vizepräsidenten Frans Timmermans rechne, reagierte der Agrarkommissar ausweichend. Gleichzeitig betonte Wojciechowski die grundsätzliche Bedeutung der Konditionalitätsregelungen zum „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand” (GLÖZ) 7 und 8. Zur Eindämmung der Klima- und Biodiversitätskrise seien diese beiden Vorgaben wichtige Maßnahmen, die man jetzt angesichts einer verknappten Nahrungsmittelversorgung - unter anderem mit Weizen – befristet aufheben müsse. An ihrer langfristigen Sinnhaftigkeit gebe es allerdings keine Zweifel, stellte der Agrarkommissar klar.
Der amtierende EU-Agrarratspräsident, Tschechiens Landwirtschaftsminister Zdenek Nekula, drängte die EU-Kommission angesichts des bereits in wenigen Wochen bevorstehenden Starts der Herbstaussaat auf eine schnelle Entscheidung.
Özdemir: „Bei den Fakten bleiben”
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hob hervor, dass eine Auflockerung der Fruchtfolgeregelungen – wie beispielsweise Weizen auf Weizen – angesichts der aktuellen Krise sinnvoll sein könne. Zugleich warnte er bezüglich der geplanten Aussetzung der Stilllegungsregeln davor, die Umweltziele der GAP gegen die Folgen des Ukraine-Krieges auszuspielen. Trotz seiner am vorvergangenen Wochenende signalisierten Gesprächsbereitschaft über eine Aussetzung der Stilllegungsverpflichtung im Rahmen der GAP ab dem kommenden Jahr verdeutlichte Özdemir nochmals seine Skepsis gegenüber dem Instrument. Diejenigen, die dies im Hinblick auf die weltweite Ernährungssicherheit forderten, sollten zunächst einmal „bei den Fakten bleiben”, so der Bundeslandwirtschaftsminister.
Laut Özdemir würde eine EU-weite Aussetzung der Verpflichtung lediglich ein Mehr an Getreide zwischen 3,6  und 5,3 Millionen Tonnen erbringen. Wer dies als Argument vorbringe, müsse dann auch über den Flächenfraß sowie den Flächenbedarf für Biosprit und Tierfutter diskutieren.
Bessere Alternativen
Der Minister erinnerte  an die Bedeutung der Stilllegung für die Biodiversität. Der GLÖZ-7-Standard in der Konditionalität sieht vor, dass  Landwirtschaftsbetriebe, die 10 ha und mehr Ackerland bewirtschaften, auf ihren Schlägen einen Fruchtwechsel vornehmen müssen. Der Anbau derselben Hauptkultur zwei Jahre hintereinander auf derselben Fläche ist in der neuen GAP in der Regel nicht mehr zulässig. Laut dem GLÖZ-8-Standard zur Stilllegung wären Betriebe mit mindestens 10ha Ackerland gezwungen, vier Prozent ihrer Flächen stillzulegen.
GAP-Strategiepläne schnell annehmen
Die Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedstaaten haben die Brüsseler Kommission aufgefordert, ihre eingereichten Strategiepläne für die im kommenden Jahr beginnende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zeitnah anzunehmen. Der amtierende EU-Agrarratspräsident, Tschechiens Landwirtschaftsminister Zdenek Nekula, stellte allerdings am Montag dieser Woche nach dem EU-Agrarratstreffen klar, dass auch nach der offiziellen Genehmigung durch die Kommission in vielen Mitgliedstaaten zusätzliche Zeit für die endgültige Ratifizierung benötigt werde.
Es sei aber für die Landwirte wichtig, weit vor dem 1. Januar 2023 Klarheit über die dann geltenden Regelungen zu erhalten, um ihre Anbauplanungen anzupassen. EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski wies beim Agrarrat darauf hin, dass viele EU-Länder ihre Pläne zu spät eingereicht hätten und dies zu Verzögerungen im sogenannten „strukturierten Dialog” geführt habe. Bei fünf EU-Ländern –  Frankreich, Polen, Spanien,  Dänemark und Portugal – sei es aber zumindest informell bereits zu einer Einigung gekommen, so der Agrarkommissar. Daher könnten diese zeitnah mit einer Zustimmung durch die Brüsseler Behörde rechnen. Man bemühe sich, alle bereits genehmigten Pläne schnellstmöglich auch offiziell anzunehmen.
Die  endgültigen Bescheide werden laut Wojciechowski voraussichtlich Anfang September veröffentlicht. Frankreichs Landwirtschaftsminister Marc Fesneau und sein spanischer Kollege Luis Planas drängten gegenüber der Kommission darauf, schnell die offiziellen Entscheidungen vorzulegen. Die Landwirte sowie die nationalen Zahlstellen brauchten zeitnah Klarheit über das weitere Vorgehen.
Für Deutschland wird es nach der um zwei Monate verspäteten Abgabe des Strategieplans offenbar zusehends eng. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir kündigte an, dass die Bundesrepublik im September ihren überarbeiteten Strategieplan vorlegen werde. Er hoffe dann auf eine schnelle Bewilligung durch die EU-Kommission. Özdemir sprach von einem „äußerst engen Zeitplan”. Die rechtzeitige Umsetzung sei nur mit „größten Anstrengungen aller Beteiligter zu schaffen”.